BGH, Beschluss vom 10.05.2010 - Aktenzeichen VI ZB 66/09
Rückverweisung an ein Berufungsgericht wegen eines fehlerhaft interpretierten Zustellungszeitpunktes und damit einhergehender unzulässiger Verwerfung der Berufung wegen Fristversäumung
Hat das Berufungsgericht eine Berufung als unzulässig verworfen, ohne dem Berufungsführer zuvor rechtliches Gehör zu gewähren, liegt darin ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Recht auf faire Verfahrensgestaltung.
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29. Juli 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Beschwerdewert: 2.320,00 €
Gründe
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ) und im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 , § 575 ZPO ). Sie ist auch begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt den Beklagten in seinem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG ) verbürgten Recht auf faire Verfahrensgestaltung. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, ohne dem Beklagten insoweit zuvor rechtliches Gehör zu gewähren. Dies wäre indes erforderlich gewesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 162/06 - VersR 2008, 1087 und vom 24. Februar 2010 - XII ZB 168/08 - [...], jeweils m.w.N.).
Der Verfahrensfehler kann sich streitentscheidend ausgewirkt haben. Der Beklagte hat vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass das Berufungsgericht das auf dem Empfangsbekenntnis betreffend die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils handschriftlich vermerkte Datum irrtümlich als "13."5.2009 interpretiert habe, während tatsächlich der 15.5.2009 als Zustellungszeitpunkt vermerkt sei. Ist letzteres der Fall, so ist die Berufungsbegründungsschrift rechtzeitig am 15. Juli 2009 beim Berufungsgericht eingereicht und die Berufung zu Unrecht wegen Fristversäumung verworfen worden.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren sind nicht zu erheben, weil diese bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG ). Über die außergerichtlichen Kosten der Rechtsbeschwerde wird das Berufungsgericht zu entscheiden haben.