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BGH - Entscheidung vom 24.06.2010

III ZR 262/09

Normen:
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 24.06.2010 - Aktenzeichen III ZR 262/09

DRsp Nr. 2010/12064

Prospektverantwortlichkeit aufgrund einer eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Schlüsselfunktionen durch eine als Mitinitiator oder Hintermann hinter einer Fondsgesellschaft stehende Bank; Einfluss auf eine Fondsgesellschaft bei der Initiierung eines Prospekts als Voraussetzung für eine Prospekthaftung ohne direkte Einwirkung auf den Anleger; Erforderlichkeit einer Inanspruchnahme des Vertrauens von Anlegern zur Annahme einer Prospektverantwortlichkeit

1. Anknüpfungspunkt für die Prospekthaftung so genannter Hintermänner ist deren Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des in Frage stehenden Projekts. 2. Ob der Anleger dabei um die Initiatoreneigenschaft der in Anspruch genommenen Person wusste und ob diese Initiatoreneigenschaft bei seiner Anlageentscheidung irgendeine Rolle spielte, ist irrelevant.

Auf die Beschwerde der Beklagten zu 5 wird die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 7. Oktober 2009 - 7 U 176/05 - zugelassen.

Auf das Rechtsmittel der Beklagten zu 5 wird das genannte Urteil insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil und über die den Kläger zu 6 und die Beklagte zu 5 treffenden Kosten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsrechtszüge, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 102.258,38 €.

Normenkette:

ZPO § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Der Kläger zu 6 zeichnete am 4. November 2000 - unter Einschaltung der D. GmbH, der früheren Beklagten zu 6, als Treuhänderin - eine Kommanditeinlage von 200.000 DM an dem Filmfonds V.

Dritte KG, der früheren Beklagten zu 1 (im Folgenden Fondsgesellschaft). Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der T. GmbH, der Produktionsdienstleisterin der V. und V. -Fondsgesellschaften, in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren. In der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Fondsgesellschaft vom 5. September 2002 stimmten die Gesellschafter für ein Vergleichsangebot des britischen Versicherungsunternehmens R. , das eine Freistellung des Versicherers von allen tatsächlich und möglicherweise bestehenden Ansprüchen gegen Zahlung von 6,171 Mio. € für vier verschiedene Fonds, darunter die Fondsgesellschaft, vorsah. Im Zuge der genannten Schwierigkeiten wurde in die Fondsgesellschaft anstelle der Beklagten zu 2 eine neue Komplementärin, die V. GmbH, aufgenommen.

Wegen behaupteter Mängel des Prospekts begehrten in der ersten Instanz insgesamt 17 Kläger Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus ihrer Beteiligung Rückzahlung der von ihnen eingezahlten Beträge nebst Zinsen. Insoweit nahmen sie die Herausgeberin des Prospekts, die Beklagte zu 7, die Fondsgesellschaft (Beklagte zu 1), deren frühere Komplementärin (Beklagte zu 2) und den Beklagten zu 3 als Gründungskommanditisten der Beklagten zu 1 und geschäftsführenden Gesellschafter der Beklagten zu 2 in Anspruch. Sie hielten auch den Beklagten zu 4, Geschäftsführer der Prospektherausgeberin, aufgrund seiner im Prospekt herausgestellten Sachkenntnis und die Beklagte zu 5 - Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank - als (Mit-)Initiatorin und Hintermann für prospektverantwortlich. Diese war von der Fondsgesellschaft mit der Beratung bei der Auswahl und Heranziehung potentieller Vertragspartner und der Optimierung des gesamten Vertragswerks sowie der gesamten Koordination des Eigenkapitalvertriebs und von der Beklagten zu 7, der Herausgeberin des Prospekts, mit der Erstellung eines Prospektentwurfs beauftragt worden und nahm als Einzahlungstreuhänderin für die Fondsgesellschaft die Gelder der Anleger entgegen. Schließlich hielten die Kläger die Beklagte zu 6 als Treuhandkommanditistin aufgrund eigener Prüfungspflicht für die Abläufe in der Fondsgesellschaft für verantwortlich.

Das Landgericht hat die Klagen insgesamt abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben nur noch der Kläger zu 6 gegen die Beklagten zu 2 bis 5 und 7 und der Kläger zu 8 gegen die Beklagte zu 5 ihre Klagen weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die Berufungen zurückgewiesen. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision des Klägers zu 6 durch Urteil vom 22. November 2007 ( III ZR 210/06 - [...] und BeckRS 2008, 00230) aufgehoben, soweit die Klage des Klägers zu 6 gegen die Beklagten zu 2 bis 5 und 7 abgewiesen worden ist. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht der Klage des Klägers zu 6 (im Folgenden: Kläger) auf Zahlung von 102.258,38 € nebst Zinsen entsprochen. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Beklagte zu 5 (im Folgenden: Beklagte) die Zulassung der Revision.

II.

Die Beschwerde der Beklagten ist begründet. Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen.

1.

Das Berufungsgericht, das gegenüber der Beklagten nach Lage der Akten entschieden hat, ist der Auffassung, dass die Beklagte als (Mit-)Initiator beziehungsweise Hintermann für den im laufenden Verfahren festgestellten Prospektfehler (vgl. Senatsurteil vom 22. November 2007 aaO Rn. 8; eingehend hierzu Senatsurteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - WM 2007, 1503 , 1504 f Rn. 14 f) verantwortlich sei. Zwar reichten die Prospektangaben für die Annahme einer solchen Haftung nicht aus. Sie ergebe sich aber aus weiteren Umständen, die der Beklagten zuzurechnen seien. Der Kläger habe vorgetragen, vor seiner Beteiligung über seinen Steuerberater ein Anschreiben des Bankhauses L. erhalten zu haben, in dem es bezogen auf den Filmproduktionsfonds heiße, das Konzept zeichne sich durch eine "hervorragende Bonität des Initiators (die I. ist eine der weltweit führenden Banken- und Versicherungsgruppen)" aus, und dem eine von der Beklagten herrührende Kurzübersicht ü-ber die Beteiligung beigefügt gewesen sei. Angesichts der Schreiben der Beklagten vom 29. Juni 2000 und 3. Juli 2000, in denen von dem "von uns aufgelegte(n) Filmfonds" die Rede sei, sei für die Entscheidung zugrunde zu legen, dass auch das Anschreiben des Bankhauses L. mit Wissen und Wollen der Beklagten geschehen sei. Nach allem habe sich die Beklagte als "Initiator" des Fonds bezeichnet und Aktivitäten entfaltet, die ihre Prospektverantwortlichkeit begründeten. Der Kläger habe seine Anlageentscheidung getroffen, nachdem ihm zuvor die "hervorragende Bonität" der Beklagten als "Initiator des Konzepts" zur Kenntnis gebracht worden sei. Dass die Beklagte den Erhalt des Anschreibens des Bankhauses L. mit Schriftsatz vom 30. Juni 2009 bestritten habe, sei nach §§ 530 , 296 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen, da sie die ihr mit Beschluss vom 5. November 2008 gesetzte Frist nicht beachtet habe.

2.

Diese Beurteilung hält den Rügen der Beschwerde nicht stand und verletzt in einem entscheidenden Punkt die Rechte der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG .

a)

In seinem ersten Revisionsurteil (III ZR 210/06 aaO Rn. 11) hat der Senat wegen der in den Vorinstanzen noch nicht behandelten Frage einer möglichen Prospektverantwortlichkeit der Beklagten als (Mit-)Initiator oder Hintermann auf seine Urteile vom 14. Juni 2007 ( III ZR 125/06 aaO S. 1505 f Rn. 17-22; III ZR 185/05 - NJW-RR 2007, 1479 f Rn. 9-13) Bezug genommen. In diesen und weiteren Urteilen hat der Senat zum einen befunden, dass die Beklagte im Rahmen dieser Fondsbeteiligung mit verschiedenen Aufgaben betraut gewesen sei, die auf eine erhebliche Einwirkung in tatsächlicher Hinsicht hinwiesen, dass zum anderen aber aus der Schilderung der Einbindung der Beklagten in das Projekt kein Vertrauen der Anleger begründet werde, sie stünde für die Richtigkeit aller oder auch nur bestimmter Prospektaussagen ein. Da es im Prospekt an eigenen Erklärungen der Beklagten fehle, komme ihre Prospektverantwortlichkeit nur in Betracht, wenn sie in eigener Verantwortlichkeit wichtige Schlüsselfunktionen bei der Gestaltung des konkreten Projekts wahrgenommen habe (Urteile vom 28. Februar 2008 - III ZR 149/07 - [...] und BeckRS 2008, 04773 Rn. 15 f; vom 6. März 2008 - III ZR 298/05 - NJW-RR 2008, 1365, 1367 f Rn. 17, 19; III ZR 256/06 - [...] und BeckRS 2008, 05037 Rn. 15 f). In jüngeren Entscheidungen hat er es revisionsrechtlich gebilligt, wenn der Tatrichter den vom Senat für eine Stellung und Verantwortung als (Mit-)Initiator erforderlich gehaltenen bestimmenden Einfluss auf die Initiierung des Projekts in einem maßgeblichen Einfluss auf die Erstellung des Prospektinhalts gesehen hat (vgl. Beschlüsse vom 19. Februar 2009 - III ZR 154/08 - [...] und BeckRS 2009, 08039 Rn. 2; vom 20. Mai 2010 - III ZR 137/09 - [...] und BeckRS 2010, 14038 Rn. 1, 6).

b)

Das Berufungsgericht geht im Anschluss an die Senatsurteile vom 14. Juni 2007 im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass den Prospektangaben für sich genommen keine Prospektverantwortlichkeit der Beklagten zu entnehmen ist. Es ist daher der Auffassung, dass weitere Gesichtspunkte für eine solche Haftung hinzukommen müssen. Soweit es sich dabei auf eigene Erklärungen oder Aktivitäten der Beklagten als (Mit-)Initiator oder Hintermann beziehungsweise auf Kenntnisse des Anlegers bezieht, sind seine Ausführungen jedoch von Rechtsfehlern beeinflusst. Zudem setzt sich das Berufungsgericht bei seiner Würdigung über das Vorbringen der Beklagten in einer deren Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzenden Weise hinweg.

aa)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haften als so genannte Hintermänner alle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Modells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen. Dabei kommt es bei der sog. Prospekthaftung im engeren Sinne - um die es hier allein geht - nicht darauf an, ob sie in dieser Einflussnahme nach außen in Erscheinung getreten sind oder nicht. Anknüpfungspunkt für die Haftung ist, da vertragliche oder persönliche vorvertragliche Beziehungen zur Anbahnung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anleger und diesem Personenkreis nicht zustande kommen, dessen Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des in Frage stehenden Projekts (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - aaO S. 1505 Rn. 19 m.w.N.). Ebenso wenig kommt es, was das Berufungsgericht verkannt hat, darauf an, ob der Anleger um die Initiatoreneigenschaft der in Anspruch genommenen Person wusste und ob diese Initiatoreneigenschaft bei seiner Anlageentscheidung irgendeine Rolle spielte. Kausalitätserwägungen sind nur hinsichtlich der Frage anzustellen, ob der vorliegende Prospektfehler, für den der Initiator oder Hintermann einzustehen hat, die Anlageentscheidung beeinflusst hat.

bb)

Ungeachtet dessen ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass bei der Beurteilung, ob die Beklagte Initiator des Fonds sei, dem Schreiben des Bankhauses L. eine wesentliche Indizwirkung zukommen könnte. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht näher begründet, weshalb seiner Entscheidung "zugrunde zu legen" ist, dass die Versendung dieses Anschreibens mit Wissen und Wollen der Beklagten geschehen sei. Soweit es sich dabei auf die Schreiben der Beklagten vom 29. Juni 2000 und 3. Juli 2000 bezieht, ist ein Zusammenhang mit dem Anschreiben des Bankhauses Lampe nicht ersichtlich. Denn die Schreiben sind an den Beklagten zu 4 als Geschäftsführer der S. GmbH und zugleich der Beklagten zu 7, der eigentlichen Prospektherausgeberin, gerichtet und müssten daher zunächst einmal aus der Sicht des Adressaten interpretiert werden. Mit der vom Beklagten zu 4 vertretenen Beklagten zu 7 bestand aber gerade ein Vertragsverhältnis, nach welchem die Beklagte nur einen Prospektentwurf zu erstellen hatte, so dass der Bedeutungsinhalt dieser Schreiben entsprechend zu relativieren wäre. Bezogen auf das Schreiben des Bankhauses L. hatte die Beklagte in erster und zweiter Instanz unter Beweisantritt vorgetragen, es sei ohne Kenntnis und Zustimmung der Beklagten versandt worden und das Bankhaus sei nicht bevollmächtigt gewesen, Erklärungen für die Beklagte abzugeben. Dieses Vorbringen und den damit verbundenen - bloß vorsorglichen, weil die Beweislast für Umstände, aus denen sich eine Prospekthaftung der Beklagten ergeben soll, der Kläger trägt -Beweisantritt hat das Berufungsgericht ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen.

c)

Zur Aktenlageentscheidung rügt die Beschwerde mit Recht, dass das Berufungsgericht auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten vom 22. September 2009 verpflichtet war, nach § 251a Abs. 2 Satz 4 ZPO einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen. Denn der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat durch seine anwaltliche Versicherung, die das Berufungsgericht gänzlich unerwähnt lässt, glaubhaft gemacht, dass er den am 1. Juli 2009 anberaumten Termin wegen einer Überbuchung des Flugzeugs und eines Fieberanfalls auf dem Flughafen, der ihn außer Stande setzte, eine Flugmöglichkeit bei einer anderen Fluggesellschaft zu buchen, ohne sein Verschulden nicht wahrnehmen konnte. Die Beschwerde rügt weiter mit Recht, dass das Vorbringen der Beklagten nicht nach § 530 in Verbindung mit § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden durfte. Das Berufungsgericht hatte zwar mit Beschluss vom 5. November 2008 Gelegenheit gegeben, zu dem neuen Vorbringen des Klägers bis zum 5. Dezember 2008 Stellung zu nehmen, dieser mit Empfangsbekenntnis zugestellte Beschluss ist der Beklagten jedoch nicht zugegangen, so dass es an einer wirksamen Fristsetzung im Sinne des § 521 Abs. 2 ZPO fehlt. Vielmehr sind die Prozessbevollmächtigten mehrerer Parteien, die am Verfahren nicht mehr beteiligt waren, nicht aber der Prozessbevollmächtigte der Beklagten von diesem Beschluss in Kenntnis gesetzt worden.

Ob in dieser prozessordnungswidrigen Verfahrensweise ein (weiterer) entscheidungserheblicher Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu sehen ist, kann offen bleiben, da das Berufungsgericht bereits dadurch das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt hat, dass es das unter b, bb angeführte Vorbringen unberücksichtigt gelassen hat.

d)

Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, mit der Zulassung der Revision zugleich das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO ).

Vorinstanz: LG Potsdam, vom 02.09.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 728/02
Vorinstanz: OLG Brandenburg, vom 07.10.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 7 U 176/05