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BGH - Entscheidung vom 04.03.2010

3 StR 559/09

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 357 S. 1

Fundstellen:
NStZ-RR 2013, 103

BGH, Beschluss vom 04.03.2010 - Aktenzeichen 3 StR 559/09

DRsp Nr. 2010/6277

Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei Transportbegleitung und Übergabe des Rauschgifts ohne weiteren Einfluss auf die Abwicklung des eigentlichen Umsatzgeschäftes; Feststellung des Wirkstoffgehalts von Kokain zur Bestimmung der Grenze der nicht geringen Menge

1. Ein Kurier, dessen Tätigkeit sich in dem Transport bzw. der Transportbegleitung und der Übergabe des Rauschgifts erschöpft und ohne weiteren Einfluss auf die Abwicklung des eigentlichen Umsatzgeschäftes bleibt, ist bei der erforderlichen Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe nach den allgemeinen Grundsätzen lediglich der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig.2. Bei der Zumessung der Strafe für eine Betäubungsmittelstraftat ist der Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel regelmäßig von erheblicher Bedeutung; er ist deshalb notfalls im Wege der Schätzung unter Berücksichtigung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten" festzustellen.

1. Auf die Revision des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 4. August 2009 wird hinsichtlich beider Angeklagter

a) das Urteil im Fall II. 12. der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) der Schuldspruch im Fall II. 2. der Urteilsgründe und

c) der Strafausspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafenausspruch mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StPO § 357 S. 1;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B. unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung mehrerer Mobiltelefone mit Zubehör sowie den Verfall von Wertersatz i. H. v. 11.000 EUR angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte B. mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision.

Das Rechtsmittel führt im Fall II. 12. der Urteilsgründe zur Einstellung des Verfahrens, im Fall II. 2. der Urteilsgründe zur Aufhebung des Schuldspruchs, im Fall II. 1. der Urteilsgründe zur Aufhebung des Strafausspruchs und zur Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen zu Gunsten sowohl des Revisionsführers als auch des Nichtrevidenten N. (§ 357 Satz 1 StPO ). Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten B. ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO ).

I.

Im Fall II. 12. der Urteilsgründe (Fall II. 11. der Anklage) ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen, weil es sich insoweit um eine Tat handelt, die nicht von der Anklage sowie dem Eröffnungsbeschluss umfasst ist und deshalb von der Strafkammer ohne eine Nachtragsanklage nicht hätte abgeurteilt werden dürfen. Da das festgestellte Tatgeschehen hinsichtlich der Tatzeit von der angeklagten Tat abweicht und mit dieser auch im Übrigen keine Übereinstimmung anhand individueller Merkmale aufweist, ist von zwei unterschiedlichen prozessualen Taten i. S. d. § 264 Abs. 1 StPO auszugehen. Wegen der Einzelheiten wird auf das in dieser Sache auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin ergangene Urteil des Senats vom 4. März 2010 Bezug genommen.

II.

Bei dem zum Fall II. 2. der Urteilsgründe festgestellten Tatgeschehen haben sich die Angeklagten lediglich wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge strafbar gemacht. Ein Kurier, dessen Tätigkeit sich in dem Transport bzw. der Transportbegleitung und der Übergabe des Rauschgifts erschöpft und ohne weiteren Einfluss auf die Abwicklung des eigentlichen Umsatzgeschäftes bleibt, ist bei der erforderlichen Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe nach den allgemeinen Grundsätzen lediglich der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig (BGH NStZ 2007, 338 und 531; Winkler NStZ 2008, 444 f.). Der Senat hat von einer entsprechenden Änderung des Schuldspruchs abgesehen, weil mit Urteil vom 4. März 2010 auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin der Schuldspruch wegen eines durchgreifenden Rechtsfehlers bei der Ablehnung bandenmäßiger Begehungsweise durch das Landgericht aufgehoben worden ist.

III.

Bei der Strafzumessung hat die Strafkammer zu Lasten der Angeklagten gewertet, dass die Grenze der nicht geringen Menge deutlich überschritten wurde, ohne den Wirkstoffgehalt des Kokains - notfalls im Wege der Schätzung unter Berücksichtigung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten" -festzustellen. Damit hat es einen für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlichen Umstand (Weber, BtMG 3. Aufl. Vor §§ 29 ff. Rdn. 799 ff., 804 ff. m. w. N.) offen gelassen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass im Fall II. 1. der Urteilsgründe der Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht. Gleiches gilt im Fall II. 2. der Urteilsgründe, wo die verhängten Einzelstrafen indes bereits wegen der Aufhebung des jeweiligen Schuldspruchs keinen Bestand haben. In den übrigen Fällen, in denen die Angeklagten den Verkaufspreis für geliefertes Kokain transportierten, ist wegen der verhängten Freiheitsstrafen von jeweils lediglich neun Monaten ausgeschlossen, dass das Landgericht bei genauer Feststellung der Wirkstoffmengen noch mildere Strafen verhängt hätte, sodass sich der Rechtsfehler nicht zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt hat.

Vorinstanz: LG Oldenburg, vom 04.08.2009
Fundstellen
NStZ-RR 2013, 103