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BGH - Entscheidung vom 20.04.2010

KZR 25/07

Normen:
TKG 1996 § 12
BGB § 134
BGB § 812

BGH, Urteil vom 20.04.2010 - Aktenzeichen KZR 25/07

DRsp Nr. 2010/10986

Geltendmachung eines abgetretenen Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereichung gegenüber der Deutsche Telekom AG wegen zu hoher Zahlungen für die Übergabe von gespeicherten Teilnehmerdaten; Anspruch wegen zu viel erhobener Beiträge aus einem Datenüberlassungsvertrag mit der Deutschen Telekom AG bei Regelung der Entgelte nach den jeweiligen Kosten für die Deutsche Telekom AG

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. Mai 2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Juni 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

TKG 1996 § 12 ; BGB § 134 ; BGB § 812 ;

Tatbestand

Die beklagte Deutsche Telekom AG (DTAG) ist der in Deutschland führende Anbieter von öffentlich zugänglichen Telefondiensten. Sie schloss mit der Buhl Data Service GmbH (im Folgenden: Buhl) am 8. September 2000 einen Vertrag, aufgrund dessen DTAG für die Zeit bis 2003 verpflichtet war, die in ihrer Datenbank "DaRed" (Datenredaktion) gespeicherten Teilnehmerdaten an Buhl herauszugeben, damit Buhl Telefondienst-Teilnehmerverzeichnisse auf CD-ROM herstellen konnte. Nach dem Vertrag hatte Buhl ein Entgelt zu entrichten, dessen Höhe sich einerseits nach dem Umfang der Nutzung, andererseits nach den Kosten der Datenbank DaRed und der Pflege der darin gespeicherten Daten sowie der Datenübermittlung richtete.

DTAG speichert die Daten ihrer Kunden einschließlich vertrags- und abrechnungstechnischer Informationen in einer Datenbank "Andi" (Anmeldedienst). Von dort werden diejenigen Daten, die in Auskunftsdienste oder Teilnehmerverzeichnisse aufgenommen werden sollen, in die Datenbank DaRed übertragen und entsprechend aufbereitet. In diese Datenbank werden auch Teilnehmerdaten übernommen, die DTAG von Wettbewerbern zum Zwecke der Bereitstellung eines Telefonauskunftsdienstes und von Teilnehmerverzeichnissen überlassen werden (sog. Carrierdaten).

Buhl berühmt sich eines Rückzahlungsanspruchs gegen DTAG, weil DTAG zu hohe Entgelte verlangt habe. Bezüglich eines Teils dieses Anspruchs schloss Buhl, die den anderen Teil des Anspruchs in dem Parallelverfahren KZR 52/07 geltend macht, mit der klickTel AG im Oktober 2004 folgende Vereinbarung:

Hiermit tritt Buhl an klickTel sämtliche Ansprüche ab, die Buhl gegen die DTAG wegen unterlassener Weitergabe von Preissenkungen betreffend die Mindestentgelte für Datennutzungen besitzt. Es handelt sich dabei um Preissenkungen, die zwischen der DTAG, dem Bundeskartellamt und der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post im Jahre 2003 (rückwirkend) für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 vereinbart wurden.

klickTel nimmt die Abtretung an.

Aufgrund dieser Abtretung verlangt klickTel von DTAG - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - Zahlung von 111.688,62 € nebst Zinsen.

Das Berufungsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt DTAG ihren Klageabweisungsantrag weiter. klickTel hat eine ebenfalls eingelegte Revision zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

DTAG habe von Buhl für das Vertragsjahr 2002/2003 gemäß Rechnung vom 25. September 2002 eine Vergütung in Höhe von 375.513,48 € zuzüglich 16% Mehrwertsteuer erhalten. Diese Zahlung sei in Höhe von 96.283,30 € zuzüglich Mehrwertsteuer, zusammen also 111.688,62 €, ohne Rechtsgrund erfolgt. Die Vergütungsvereinbarung in dem Datenüberlassungsvertrag vom 8. September 2000 verstoße jedenfalls insoweit gegen § 12 TKG vom 25. Juli 1996 (im Folgenden: TKG 1996) und sei daher nach § 134 BGB nichtig. Bei einer Auslegung, die sich an der Richtlinie 98/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (ONP II-RL) orientiere, dürfe DTAG für die nach § 12 TKG 1996 zu überlassenden Teilnehmerdaten nur ein Entgelt in Höhe der Kosten der effizienten Bereitstellung verlangen. Das gelte unabhängig davon, ob Buhl ein Lizenznehmer i.S. des § 12 Abs. 1 TKG 1996 sei, der Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbiete, oder ein Dritter i.S. des § 12 Abs. 2 TKG 1996. Unter Kosten der effizienten Bereitstellung seien bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 12 TKG 1996 die Kosten der Datenübermittlung zu verstehen. Tatsächlich habe DTAG jedoch neben diesen Kosten auch die Kosten für den Aufbau und die Unterhaltung ihrer Datenbank DaRed anteilig ersetzt verlangt. Ob von § 12 TKG 1996 nur die Basisdaten der eigenen Kunden von DTAG erfasst seien oder auch deren Zusatzdaten und die Teilnehmerdaten, die DTAG von anderen Telefondienstanbietern überlassen worden seien, könne offenbleiben. Denn jedenfalls seien auch eigene Basisdaten überlassen worden. Der Preisregulierung durch § 12 TKG 1996 könne sich DTAG aber nicht dadurch entziehen, dass sie neben den davon erfassten Teilnehmerdaten auch andere, nicht der Preisgrenze unterfallende Leistungen anbiete.

Für den Anspruch aus § 812 BGB sei klickTel auch aktivlegitimiert. Die Abtretungsvereinbarung zwischen ihr und Buhl erfasse nicht nur vertragliche, sondern auch gesetzliche Ansprüche.

II.

Das hält revisionsgerichtlicher Kontrolle nicht in allen Punkten stand.

1.

Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Abtretungsvereinbarung zwischen klickTel und Buhl vom 14./18. Oktober 2004 nicht nur vertragliche, sondern auch gesetzliche und insbesondere Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung umfasst, und zwar bezogen auf die Zeit ab dem 1. Januar 2003.

Die Auslegung eines Individualvertrags ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2004 - II ZR 300/02, ZIP 2005, 82 , 83). Das ist hier nicht der Fall. Die Auslegung ist im Gegenteil sogar nahe liegend.

Danach ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Abtretungsvereinbarung nicht nur Rückzahlungsansprüche bezüglich solcher Zahlungen erfasst, die nach dem 31. Dezember 2002 für einen am 1. Januar 2003 oder später beginnenden Vertragszeitraum von Buhl geleistet worden sind. Vielmehr sind auch Rückzahlungsansprüche bezüglich der Zahlungen abgetreten worden, die aufgrund einer vor dem 1. Januar 2003 erteilten Rechnung geleistet worden sind, soweit sie sich auf einen Vertragszeitraum nach dem 31. Dezember 2002 bezogen.

2.

Weiter ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass DTAG gemäß § 12 TKG 1996 von Buhl für die Überlassung der Teilnehmerdaten nur ein begrenztes Entgelt verlangen durfte, dass die Entgeltvereinbarung in dem Datenüberlassungsvertrag vom 8. September 2000, soweit sie ein höheres Entgelt zulässt, nach § 134 BGB nichtig ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2009 - KZR 34/06 Tz. 10 ff. - Teilnehmerdaten I und KZR 41/07 Tz. 63 f. - Teilnehmerdaten II, [...]) und dass DTAG damit zuviel erhobene Beträge für den Zeitraum ab 1. Januar 2003 nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückzuzahlen hat.

Im Ergebnis richtig ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, das nach § 12 TKG 1996 geschuldete Entgelt sei geringer als der Betrag, der sich aus der Zusage von DTAG in dem Preismissbrauchsverfahren ergebe. Dieses Verfahren war mit Verfügung vom 18. September 2003 eingestellt worden, nachdem sich DTAG bereit erklärt hatte, bei der Berechnung der Entgelte für die Überlassung von Teilnehmerdaten ab dem 1. Januar 2003 nur noch Kosten in Höhe von nicht mehr als 49 Mio. € zugrunde zu legen. Dabei waren das Bundeskartellamt und DTAG davon ausgegangen, dass nach § 12 TKG 1996 nicht nur die Kosten der Datenüberlassung, sondern auch die Kosten der zur Speicherung der Teilnehmerdaten vorgehaltenen Datenbank DaRed und der Pflege des Datenbestandes umlagefähig seien. Das ist bezüglich der sogenannten Basisdaten (Name, Anschrift, Rufnummer) der eigenen Kunden von DTAG nicht der Fall, wie der Senat in seinen Urteilen "Teilnehmerdaten I" und "Teilnehmerdaten II" (aaO, Tz. 14 ff. bzw. 16 ff.) näher ausgeführt hat.

3.

Auf die Frage, ob die Summe der gesetzlich zulässigen Entgelte geringer ist als die von DTAG in dem Preismissbrauchsverfahren als Höchstbetrag anerkannten 49 Mio. € und in welcher Höhe DTAG insgesamt zur Rückzahlung nach § 812 BGB - und möglicherweise zum Schadensersatz nach §§ 33 , 19 GWB - verpflichtet ist, kommt es nicht an. Denn der abgetretene Rückgewähranspruch ist der Höhe nach auf den Betrag begrenzt, der sich aus der Differenz zwischen dem gezahlten Entgelt und dem Entgelt ergibt, das sich auf der Grundlage der Unterwerfungserklärung von DTAG in dem Preismissbrauchsverfahren errechnet. Nur dieser (Teil-)Anspruch ist von dem klaren Wortlaut der Abtretungserklärung erfasst. Ein darüber hinausgehender Rückzahlungsanspruch ist dagegen nicht abgetreten worden.

Das Berufungsgericht hat - wie die Revision zu Recht rügt - nicht dargelegt, wie sich dieser abgetretene Teilanspruch berechnet. Dazu heißt es in dem Berufungsurteil lediglich: Da die Entgeltvereinbarung teilweise nichtig sei, habe Buhl einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe von 111.688,62 € gehabt. Dabei könne offenbleiben, welches Entgelt Buhl für die Überlassung der Daten im Vertragsjahr 2002/2003 habe zahlen müssen. DTAG sei bereits dann um 111.688,62 € rechtsgrundlos bereichert, wenn sie ihr Entgelt - so wie gegenüber dem Bundeskartellamt zugesagt - auf der Grundlage der Gesamtkosten in Höhe von 49 Mio. € pro Jahr berechnet hätte. Da das Bundeskartellamt die Kosten der Datenbank DaRed aber insgesamt für umlagefähig gehalten habe, sei DTAG erst Recht in der genannten Höhe ungerechtfertigt bereichert.

Das reicht als Begründung für die Höhe der zugesprochenen Forderung nicht aus. Es fehlen Feststellungen dazu, ob sich das vorläufige Mindestentgelt in Höhe von 375.513,48 € zuzüglich Mehrwertsteuer, das Buhl auf die Rechnung vom 25. September 2002 gezahlt hat, entgegen der Auffassung des Landgerichts - teilweise - auf einen Abrechnungszeitraum im Jahr 2003 bezieht, wie hoch dieser Anteil gegebenenfalls ist und in welchem Umfang DTAG insoweit die gegenüber dem Bundeskartellamt zugesagte Preissenkung - unter Berücksichtigung der nach dem zugrunde liegenden Datenüberlassungsvertrag nachträglich abzurechnenden Endpreise - nicht an Buhl weitergegeben hat.

III.

Damit ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch fehlenden Feststellungen getroffen werden können.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 20. April 2010

Vorinstanz: LG Köln, vom 28.06.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 28 O (Kart) 292/05
Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 02.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen VI-U (Kart) 31/06