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BGH - Entscheidung vom 21.05.2010

V ZR 207/09

Normen:
BGB § 125
BGB § 311b

BGH, Urteil vom 21.05.2010 - Aktenzeichen V ZR 207/09

DRsp Nr. 2010/11247

Formerfordernis eines Vorvertrags für die schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung einer Dienstbarkeit an einem Grundstück

Auf die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 21. Oktober 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 125 ; BGB § 311b;

Tatbestand

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Das Grundstück der Klägerin verfügt über keine eigene Anbindung zu einer öffentlichen Straße. Vielmehr verläuft die Zuwegung seit vielen Jahren über die mittlerweile im Eigentum der Beklagten stehenden Flurstücke 179 und 178/10. Auf diesen - auch von den Beklagten selbst benutzten - Weg angewiesen sind auch die Familien B. , C. und D. . In an diese und an die "Familie Di. " (Familie der Klägerin) gerichteten gleichlautenden Schreiben der Beklagten vom 30. Oktober 2004 heißt es u.a.:

"... zur dauerhaften Lösung der Zufahrt zu Ihren Grundstücken gilt folgendes als Grundlage der Eintragung des Wegerechts in das Grundbuch zu Ihren Grundstücken als verbindlich: Es erfolgt der dauerhafte Ausbau des Weges ... Die Kosten für den Ausbau übernehmen die Familien B. , C. , Di. und D. . Die Parteien sind sich einig, dass nur eine dauerhafte Lösung geschaffen wird, wenn der Unterbau erneuert wird ... Die Grundbucheintragung des Wegerechts zu den Grundstücken der beteiligten Parteien erfolgt nach Beendigung der Bauarbeiten. In der Grundbucheintragung wird das jeweilige Grundstück als Berechtigter genannt ... In der Grundbucheintragung sind Rechte und Pflichten festgeschrieben, die auch bei einer Veräußerung Grundlage des Wegerechts für den Nachfolger bedeuten ... Rechte und Pflichten bedeuten z.B. Beteiligung aller am Winterdienst (Streuplan), Instandhaltung und Pflege des Weges."

Das an die Familie der Klägerin gerichtete Exemplar ist von den Beklagten und von dem Ehemann der Klägerin unterschrieben worden.

Gestützt auf diese Erklärung verlangt die Klägerin von den Beklagten die Eintragung eines Wegerechts. Der Weg sei entsprechend der Vereinbarung der Parteien angelegt worden. Damit lägen die Voraussetzungen für die Eintragung der Grunddienstbarkeit vor. Dem treten die Beklagten entgegen und machen die Bewilligung des Wegerechts von dem Abschluss eines Vertrages abhängig, in dem u.a. von einer Übernahme der Verkehrssicherungspflichten unter Freistellung der Beklagten im Innenverhältnis die Rede ist.

Das Amtsgericht hat die - auf Bewilligung eines Wegerechts zugunsten des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks gerichtete - Klage abgewiesen. Auf den Hilfsantrag der Klägerin hat es ein Notwegerecht Zug um Zug gegen Zahlung einer jährlichen Rente von 70 € fällig jeweils bis zum 20. September des laufenden Jahres zugesprochen. Dagegen haben beide Parteien erfolglos Berufung eingelegt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Hauptantrag weiter. Hilfsweise möchte sie einen Wegfall der Zug um-Zug-Einschränkung erreichen. Die Beklagten haben Anschlussrevision mit dem Ziel einer Erhöhung der Notwegerente eingelegt.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Vereinbarung vom 30. Oktober 2004 für formunwirksam. Es liege ein Vorvertrag vor, bei dem grundsätzlich die Formerfordernisse des Hauptvertrages gewahrt sein müssten. Eine Heilung des Formverstoßes scheide mangels Grundbucheintragung aus. Der Klägerin stehe allerdings ein Notwegerecht zu. Die Bemessung der Notwegerente sei nicht zu beanstanden. Zwar sei die Rente nach § 913 Abs. 2 i.V.m. § 917 Abs. 2 BGB jährlich im Voraus zu entrichten. Das Amtsgericht sei dadurch jedoch nicht gehindert gewesen, einen anderen Fälligkeitszeitpunkt festzusetzen.

II.

1.

Die Revision ist zulässig. Insbesondere ist das Rechtsmittel statthaft, weil der Senat an die Revisionszulassung durch das Berufungsgericht gebunden ist (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO ). Es besteht allerdings Veranlassung zu dem Hinweis, dass für die Revisionszulassung nicht ein Antrag der Parteien maßgebend ist, es vielmehr allein auf das Vorliegen von Zulassungsgründen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ankommt. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat das Berufungsgericht sorgfältig zu prüfen. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Eine Divergenz zeigt das Berufungsgericht nicht auf. Schließlich ist auch nicht davon auszugehen, dass es die Revision sehenden Auges wegen eigener zulassungsrelevanter Rechtsfehler unter dem Blickwinkel der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. dazu MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 543 Rdn. 17 ff.) zugelassen hat.

2.

In der Sache hält das angefochtene Urteil einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a)

Die Revision der Klägerin ist begründet.

aa)

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht abweisungsreif.

(1)

Die schlicht in den Raum gestellte - nicht an gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen ausgerichtete - Erwägung, die Vereinbarung der Parteien vom 30. Oktober 2004 sei formunwirksam, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Die Voraussetzungen des § 125 BGB liegen nicht vor. Eine bestimmte Form haben die Parteien nicht vereinbart. Für Rechtsgeschäfte der vorliegenden Art sieht das Gesetz keine besondere Form vor. § 311b BGB ist ersichtlich nicht einschlägig. Die schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung einer Dienstbarkeit kann formfrei begründet werden (vgl. nur Palandt/Bassenge, BGB , 69. Aufl., § 1018 Rdn. 33 m.w.N.). Für einen Vorvertrag, der in den Abschluss einer solchen Vereinbarung einmünden soll, gilt nichts anderes.

(2)

Ebenfalls keinen Bestand haben kann die Erwägung des Berufungsgerichts, die Parteien hätten nur einen Vorvertrag geschlossen. Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich zwar nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. nur Zöller/Heßler, ZPO , 28. Aufl., § 546 Rdn. 9 m.w.N.), in diesem Rahmen aber zu beanstanden.

(a)

Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht seine Erwägungen schon nicht nachvollziehbar darlegt und wesentliche Auslegungsgesichtpunkte - etwa den Wortlaut der Vereinbarung - nicht gewürdigt hat. Auch insoweit kommt das Berufungsgericht über die lapidare Behauptung, es liege ein Vorvertrag vor, kaum hinaus. Es nimmt zwar Bezug auf das erstinstanzliche Urteil, in dem es heißt, aus der Vereinbarung ergebe sich nicht zwingend die Verpflichtung zur Bestellung eines Wegerechts, es liege allenfalls eine Absichtserklärung dazu vor, wie in der weiteren Abfolge ein noch im Grundbuch einzutragendes Wegerecht ausgestaltet werden sollte. Nachvollziehbar ausgeführt wird jedoch auch dies nicht. Vor allem aber bleibt dabei außer Acht, dass bei Zweifeln darüber, ob ein Vorvertrag oder schon ein Hauptvertrag geschlossen wurde, in der Regel nicht von dem Abschluss eines Vorvertrages ausgegangen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 1989, VIII ZR 62/88, NJW-RR 1989, 800 , 801 m.w.N.).

(b)

Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat die gebotene Auslegung selbst vornehmen (vgl. BGHZ 21, 284, 289; 65, 107, 112; 109, 19, 22). Diese führt zu dem Ergebnis, dass bereits mit dem Abschluss der Vereinbarung eine - allerdings an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen geknüpfte - Verpflichtung zur Bewilligung der Grunddienstbarkeit gewollt war.

Ein Vorvertrag liegt nicht vor, wenn die Vertragsbedingungen bereits festgelegt worden sind. So liegt es hier. Die Parteien wollten eine dauerhafte Lösung der Zuwegungsproblematik erreichen. Dazu sollten auch die Verkehrssicherung und die Kosten für die Instandsetzung und Instandhaltung des Weges geklärt werden. Zu all diesen Punkten enthält die Vereinbarung der Parteien Regelungen. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung sollte das Wegerecht nach der Beendigung der Bauarbeiten an dem Weg in das Grundbuch eingetragen werden. Die Kosten für den Ausbau sollten von den in der Abrede näher bezeichneten Personen getragen werden. Die Eintragung des Wegerechts sollte zugunsten des jeweiligen Berechtigten des (herrschenden) Grundstücks erfolgen. Auch die Rechte und Pflichten (insbesondere Beteiligung am Winterdienst, Instandhaltung und Pflege des Weges) sollten möglichst grundbuchmäßig festgeschrieben werden. All dies sollte die "verbindliche Grundlage" zur dauerhaften Lösung der Zufahrtsproblematik sein. Die Beklagten verweisen auf kein tatsächliches Vorbringen, auf dessen Grundlage davon auszugehen wäre, die Parteien hätten sich Detailregelungen in einem erst noch zu schließenden Hauptvertrag vorbehalten. Gegen eine solche Annahme spricht im Übrigen auch, dass mit der Umsetzung des Wegeausbaus nach Abschluss der Vereinbarung begonnen wurde und keine der Parteien in diesem Stadium geltend gemacht hat, es müsse erst noch ein Hauptvertrag abgeschlossen werden.

Vor diesem Hintergrund hängt die grundbuchmäßige Umsetzung des Vertrages nur noch von der ordnungsgemäßen Herrichtung des Weges ab. Feststellungen über die - zumindest von den Vorinstanzen als streitig dargestellte - Behauptung der Klägerin, der Weg sei von den Mitbenutzern ordnungsgemäß hergestellt worden, hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunktkonsequent - nicht getroffen.

(3)

Die Abweisung der mit dem Hauptantrag verfolgten Klage ist auch nicht aus anderen Gründen richtig. Insbesondere steht einem Anspruch der Klägerin auf Einräumung der Dienstbarkeit nicht von vornherein entgegen, dass der Vertrag nur von ihrem Ehemann unterzeichnet worden ist. Denn nach den Umständen liegt es nahe, dass der Ehemann von der Klägerin bevollmächtigt worden ist und den Vertrag jedenfalls auch namens der Klägerin geschlossen hat (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB ). Die Beklagten selbst richteten das der Erklärung zugrunde liegende Schreiben an die Familie der Klägerin. Vor diesem Hintergrund war es alles andere als fernliegend, dass der Vertrag zumindest auch mit der Person abgeschlossen werden sollte, die Eigentümerin des Grundstücks war, das mit der Grundbucheintragung zum herrschenden werden sollte. Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht jedoch - ebenfalls folgerichtig - noch nicht getroffen. Das wird nachzuholen sein.

bb)

Auch mit Blick auf den Hilfsantrag ist die Revision begründet. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das Rechtsmittelgericht im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung wegen des Hauptantrages auch über das Rechtsmittel wegen des Hilfsantrages befinden muss (vgl. BGHZ 120, 96 ff.; ebenso MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 528 Rdn. 42). Die Entscheidung über den Hilfsantrag steht allerdings unter der auflösenden Bedingung, dass dem Hauptantrag nicht stattgegeben wird (vgl. BGHZ 106, 219 , 221; 112, 229, 232; Senat, Beschl. v. 11. Februar 2010, V ZR 161/09, Rdn. 7, [...]).

(1)

Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die Beklagten hätten auf eine Notwegrente verzichtet. Zwar ist die Vereinbarung vom 30. Oktober 2004 unter Berücksichtigung der Interessenlage verständigerweise dahin auszulegen, dass die Klägerin und die übrigen Mitbenutzer insbesondere vor dem Hintergrund der von ihnen zu tragenden erheblichen Herstellungskosten kein Entgelt für die Mitbenutzung und die Eintragung der Grunddienstbarkeiten zahlen sollten. Ist diese Vereinbarung jedoch nicht zustande gekommen, fehlt es von vornherein an einer die gesetzlichen Bestimmungen verdrängenden Abrede. Das gilt umso mehr, als für die Annahme eines stillschweigenden Verzichtsvertrages Zurückhaltung geboten ist (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO, § 397 Rdn. 6 m.w.N.), zumal die Klägerin bei fehlender vertraglicher Grundlage den durch den Ausbau des Weges herbeigeführten Wertzuwachs jedenfalls unter den Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 BGB herausverlangen kann, soweit er auf ihre Kosten herbeigeführt worden ist.

(2)

Dagegen greift die Rüge zur Bemessung der Notwegerente durch. Ob dem Sachverständigengutachten zu folgen ist, lässt das Berufungsgericht mit der Begründung offen, bei einer Schätzung nach § 287 ZPO ergebe sich "keine höhere" Rente. Das ist rechtsfehlerhaft, weil dem Berufungsgericht offenbar aus dem Blick geraten ist, dass die erstinstanzliche Entscheidung zur Notwegerente auch von der Klägerin mit der Berufung angegriffen worden ist. Die Ergebnisrelevanz dieses Rechtsfehlers folgt jedenfalls daraus, dass die Ausführungen des Sachverständigen - was die Klägerin ebenfalls zu Recht moniert - widersprüchlich sind. Heißt es in dem Gutachten zunächst, bei "mittlerer Intensität" der Beanspruchung sei eine "Wertminderung von 21 bis 40 %" anzunehmen, wird die sodann zugrunde gelegte 50 %ige Wertminderung auf eine "maximale mittlere Intensität" gestützt.

b)

Die Anschlussrevision der Beklagten hat ebenfalls Erfolg.

aa)

Zu Recht rügen die Beklagten, das Berufungsgericht habe außer Acht gelassen, dass bei der Bemessung des Wertverlustes des gesamten Grundstücks auch bestehende Notwegerechte anderer Nachbarn zu berücksichtigen sind (vgl. Senat, BGHZ 113, 32 , 35 f.). Ob daraus jedoch eine höhere Wertminderung des dienenden Grundstücks folgt, ist zweifelhaft. Denn die aus den übrigen Notwegerechten resultierende Wertminderung kann nicht der Klägerin angelastet werden; die verschiedenen Notwegeberechtigten sind nicht Gesamtschuldner der rechtlich selbständigen Verpflichtungen zur Zahlung der Notwegerente. Feststellungen zu den Auswirkungen auf die Wertminderung zu treffen, ist jedoch Sache des Tatrichters.

bb)

Schließlich verkennt das Berufungsgericht, dass die Festlegung des Zahlungszeitpunkts für den Anspruch auf Vorauszahlung der Notwegerente (§§ 917 Abs. 2 i.V.m. § 913 Abs. 2 BGB ) nicht in richterlichem Ermessen steht. Allerdings steht es den Parteien frei, eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung zu treffen (vgl. nur MünchKomm-BGB/Säcker, 5. Aufl., § 913 Rdn. 3; Palandt/Bassenge, aaO, § 913 Rdn. 3). Das ist hier jedoch nicht geschehen.

III.

1.

Nach allem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§§ 562 Abs. 1 , 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO ). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

2.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass der duldungspflichtige Eigentümer zur Unterhaltung des Notwegs zwar nicht verpflichtet ist, etwas anderes jedoch dann gilt, wenn der Notweg - wie hier - auch von ihm benutzt wird. Dann sind die Unterhaltungskosten anteilig zu tragen (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2008, V ZR 106/07, NJW-RR 2009, 515, 517 m.w.N.).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 21. Mai 2010

Vorinstanz: AG Hainichen, vom 06.02.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 1 C 404/08
Vorinstanz: LG Chemnitz, vom 21.10.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 6 S 119/09