Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 21.09.2010

VIII ZR 275/09

Normen:
BGB § 541
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2
GG Art. 14 Abs. 1 S. 1
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1
ZPO § 552a S. 1

BGH, Beschluss vom 21.09.2010 - Aktenzeichen VIII ZR 275/09

DRsp Nr. 2010/19626

Anspruch eines Vermieters gegen den Mieter auf Entfernung einer auf dem Balkon der Mietwohnung angebrachten Parabolantenne

1. Die Maßstäbe, nach denen zu beurteilen ist, ob einem Mieter gegen den Vermieter ein Anspruch auf Genehmigung der Installation einer Parabolantenne zum Empfang von Fernseh- und Hörfunkprogramme zustehen kann, auch wenn das Haus mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestattet ist, sind durch die Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Dies gilt auch im Hinblick auf den von einem Mieter zur Begründung der Anbringung der Parabolantenne angeführten Wunsch, Fernsehprogramme in HD-Qualität empfangen zu wollen. 2. Nach dieser Rechtsprechung ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 I S. 1 Halbs. 2 GG , sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilgerichtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das - gleichrangige - Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 I S. 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Die erforderliche Abwägung, ob das Informationsrecht des Mieters aus Art. 5 I S. 1 Halbs. 2 GG im konkreten Fall das Eigentumsrecht des Vermieters aus Art. 14 I S. 1 GG überwiegt, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar. 3. Dem durch Art. 5 I S. 1 Halbs. 2 GG grundrechtlich geschützten Informationsbedürfnis eines Mieters wird in der Regel hinreichend Rechnung getragen, wenn der Vermieter einen Breitbandkabelanschluss bereitstellt, der den Empfang von Programmen in genügender Zahl und Qualität gewährleistet.

Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision der Beklagten durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Normenkette:

BGB § 541 ; GG Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2; GG Art. 14 Abs. 1 S. 1; ZPO § 543 Abs. 2 S. 1; ZPO § 552a S. 1;

Gründe

1.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Das Berufungsgericht hat die Revision "im Hinblick auf die erforderliche Interessenabwägung der Parteien bei Anbringung einer Parabolantenne" zugelassen. Diese Erwägung trägt indessen keinen der im Gesetz genannten Zulassungsgründe.

Die Maßstäbe, nach denen zu beurteilen ist, ob einem Mieter gegen den Vermieter ein Anspruch auf Genehmigung der Installation einer Parabolantenne zum Empfang von Fernseh- und Hörfunkprogramme zustehen kann, auch wenn das Haus mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestattet ist, sind durch die Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts geklärt (Senatsbeschluss vom 16. September 2009 - VIII ZR 67/08, NJW 2010, 436 ; Senatsurteile vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 260/06, NJW 2008, 216 ; vom 16. Mai 2007 - VIII ZR 207/04, NJW-RR 2007, 1243 ; Senatsbeschluss vom 17. April 2007 - VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380 ; Senatsurteile vom 16. November 2005 - VIII ZR 5/05, NJW 2006, 1062 ; vom 2. März 2005 - VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596 ; BVerfGE 90, 27 , 32 ff.; BVerfG, NJW-RR 2005, 661 ; BVerfG, GE 2007, 902). Dies gilt auch im Hinblick auf den von der Beklagten zur Begründung der Anbringung der Parabolantenne angeführten Wunsch, Fernsehprogramme in HD-Qualität empfangen zu wollen.

2.

Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Klägerin gemäß § 541 BGB ein Anspruch auf Entfernung der auf dem Balkon der Mietwohnung der Beklagten angebrachten Parabolantenne zusteht, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Gleiches gilt für die zugesprochene Nebenforderung (Verzugskosten).

Nach der oben (unter 1) aufgeführten Rechtsprechung ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG , sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilgerichtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das - gleichrangige - Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Die erforderliche Abwägung, ob das Informationsrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG im konkreten Fall das Eigentumsrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG überwiegt, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar (Senatsurteile vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 260/06, aaO Rn. 14; vom 16. November 2005 - VIII ZR 5/05, aaO Rn. 27; vom 2. März 2005 - VIII ZR 118/04, aaO unter II 2 b; Senatsbeschlüsse vom 16. September 2009 - VIII ZR 67/08, aaO Rn. 5; vom 17. April 2007 - VIII ZR 63/04, aaO Rn. 3). Das Berufungsgericht hat diese Abwägung in tatrichterlicher Würdigung aller Umstände ohne Rechtsfehler zu Lasten der Beklagten vorgenommen.

Dabei ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG grundrechtlich geschützten Informationsbedürfnis des Mieters in der Regel hinreichend Rechnung getragen wird, wenn der Vermieter - wie hier - einen Breitbandkabelanschluss bereitstellt, der den Empfang von Programmen in genügender Zahl und Qualität gewährleistet.

3.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 3. November 2010 erledigt worden.

Vorinstanz: AG Chemnitz, vom 22.01.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 12 C 3269/08
Vorinstanz: LG Chemnitz, vom 23.09.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 6 S 70/09