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BGH - Entscheidung vom 22.04.2010

I ZR 74/08

Normen:
HGB § 419 Abs. 4
HGB § 418 Abs. 2 S. 3
HGB § 419 Abs. 4
HGB § 421 Abs. 1 S. 1
HGB § 625 S. 1
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1
EGBGB Art. 28 Abs. 4 S. 1

Fundstellen:
VersR 2011, 140

BGH, Urteil vom 22.04.2010 - Aktenzeichen I ZR 74/08

DRsp Nr. 2010/18319

Anspruch einer Linienreederei auf Zahlung von Containerstandgeld und Ersatz von Einlagerungskosten gegen den Empfänger eines Frachtvertrages; Absender als Schuldner des Aufwendungsersatzanspruchs eines Frachtführers; Inanspruchnahme des Empfängers eines Frachtvertrags bei einer Weisung durch diesen oder Verlangen der Ablieferung des Frachtgutes gegen Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Frachtvertrag durch den Frachtführer

Schuldner des Aufwendungsersatzanspruchs des Frachtführers aus § 419 Abs. 4 HGB ist - sofern keine Weisung erteilt wurde - grundsätzlich der Absender. Der Empfänger kann nur in Anspruch genommen werden, wenn er entweder eine Weisung erteilt (§ 418 Abs. 2 Satz 3 HGB ) oder vom Frachtführer verlangt hat, ihm das Gut gegen Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Frachtvertrag abzuliefern (§ 421 Abs. 1 Satz 1 HGB ).

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 10. April 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

HGB § 418 Abs. 2 S. 3; HGB § 419 Abs. 4 ; HGB § 421 Abs. 1 S. 1; HGB § 625 S. 1; BGB § 307 Abs. 1 ; BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1 ; EGBGB Art. 28 Abs. 4 S. 1;

Tatbestand

Die Klägerin, eine Linienreederei, nimmt die Beklagten hauptsächlich auf Zahlung von Containerstandgeld und Ersatz von Einlagerungskosten in Anspruch.

Die Beklagte zu 1, ein Speditionsunternehmen (im Weiteren: Beklagte), erhielt von der früheren Beklagten zu 2 den Auftrag, die Beförderung von Autoteilen von Aachen nach Alexandria/Ägypten zu besorgen. Mit der Durchführung des Transports, der von Aachen nach Antwerpen/Belgien per Lkw und von dort aus auf dem Seeweg erfolgen sollte, beauftragte die Beklagte im August 2004 die Klägerin, die der Beklagten für die Beförderung des Gutes einen 20-Fuß-Container zur Verfügung stellte.

Die Klägerin stellte für den Transport unter dem 27. August 2004 eine Bill of Lading aus, in der die Beklagte zu 2 als "Shipper/Exporter" sowie ein T. M. A. als "Consignee" bezeichnet wurden. Ferner enthielt das Dokument auf der Vorderseite neben einem "freight prepaid"-Vermerk folgende Eintragung mit dem Zusatz "see attached rider":

A period of 10 calendar days - commencing at 08.00 hrs a.m. on day after discharge re(s)pectively of day of manifest registration at customs - is allowed for stripping and redelivery of empty container to ships terminal.

Die Bedingungen der Bill of Lading sahen in Nummer 18 unter anderem folgende Regelungen vor:

18. Freight and Charges

(1) The Merchant is obliged to pay the freight and charges due to the carrier under the contract evidenced by this bill of lading, including i.a., but not exclusively, container demurrage, detention, storage expenses, taxes and fines costs of the disposal for cargo, the delivery of which is delayed for whatever reason or which the person entitled to the goods has not taken delivery of.

...

(6) The shipper and the contracting shipper are liable for Charges accrued after shipment if the consignee/receiver for whatever reason fails to pay them.

Zu den "Merchants" zählen gemäß Nummer 1 der Bedingungen der Bill of Lading die Ladungsinteressenten, insbesondere der Ablader, der Auftraggeber und der Endempfänger.

Auf einer gesonderten Seite enthielt der auf der Vorderseite der Bill of Lading erwähnte "attached rider" in der linken Spalte folgende Eintragung:

Empty container(s) have to be returned to the line's terminal at receiver's account in clean and cargoworthy condition. Cleaning expenses, if any, will have to be paid by receivers.

Should the receiver not take delivery of the goods stuffed into the container within two weeks after discharge from the vessel, the contents of the containers will be unstuffed by the port authority in compliance with the administration decret No. 20/1976. The goods will be stored in the port area in warehouse or moved to customs storage areas outside of Alexandria Port at the sole risk and expenses of the receiver.

In der rechten Spalte des "attached rider" fanden sich unter anderem folgende Eintragungen:

For any period in excess of 10 calendar days demurrage will be payable by consignees as follows: 11th to 20th day: 20ft dry cont. USD 17,87/day ... as of 21th day: 20ft dry cont. USD 35,75/day.

Der mit dem Frachtgut beladene Container wurde in Antwerpen auf die MS Kairo verladen und am 5. September 2004 im Hafen von Alexandria vom Schiff gelöscht. Der von der Ankunft des Containers benachrichtigte Empfänger verweigerte die Annahme des Gutes.

Die Klägerin hat behauptet, nach der Annahmeverweigerung des Empfängers hätten die ägyptischen Zollbehörden den Container beschlagnahmt und seinen Inhalt in Augenschein genommen. Eine Versteigerung des darin befindlichen Gutes sei wegen des zu geringen Wertes der Waren unterblieben. Der Container samt Ladung befinde sich seitdem eingelagert unter Zollverschluss. Dafür fielen täglich Lagerkosten in Höhe von 12 US-Dollar an, die von den Beklagten ersetzt werden müssten. Darüber hinaus beansprucht die Klägerin Containerstandgeld, das sie bis zur Einreichung der Klage am 16. September 2005 auf 12.798,45 US-Dollar beziffert hat, sowie Erstattung von 178,33 US-Dollar für das vom Zoll veranlasste Auspacken des Containers in Alexandria. Den von ihr geltend gemachten Erstattungsbetrag von insgesamt 17.353,78 US-Dollar hat die Klägerin auf 14.069,14 € umgerechnet.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 14.069,14 € nebst Zinsen zu zahlen;

2.

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, zukünftig anfallendes Containerstandgeld zu zahlen sowie der Klägerin sämtliche weiteren Schäden, Kosten und Gebühren, insbesondere Lagerkosten, zu ersetzen, die durch die unterbliebene Abnahme des Containers Nr. H. , verschifft unter dem Konnossement Nr. A. auf dem MS "Kairo", zukünftig entstehen.

Die Beklagte hat demgegenüber vor allem geltend gemacht, dass die Regelungen im "attached rider", bei denen es sich um Individualvereinbarungen handele, ihre auf die Konnossementsbedingungen gestützte Inanspruchnahme ausschlössen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Klage gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, nach den in den Frachtvertrag der Parteien einbezogenen Bedingungen des "attached rider" hafte allein der Empfänger für die in Alexandria angefallenen Containerstandgelder sowie etwaige aufgrund einer Zollbeschlagnahme entstandene Kosten. Dazu hat es ausgeführt:

Zwischen den Parteien stehe außer Streit, dass die Klägerin für den Transport von Aachen nach Alexandria ein wirksames Konnossement ausgestellt habe und die darin enthaltenen Bedingungen zwischen der Beklagten und der Klägerin vereinbart worden seien. Die konkreten Regelungen hinsichtlich des Containerstandgeldes beträfen nur den Empfänger. Die Beklagte habe daher aufgrund der Vereinbarung über das Containerstandgeld auf der Vorderseite der Bill of Lading mit der ausdrücklichen Verweisung auf den "attached rider" davon ausgehen dürfen, dass das Containerstandgeld unter Ausschluss der übrigen Ladungsbeteiligten nur vom Empfänger (Consignee) zu zahlen sei.

Allerdings ordne Nummer 18 der Bill of Lading in Absatz 6 an, dass der "contracting shipper" (Auftraggeber des Verfrachters) für alle nach der Verschiffung entstandenen Kosten und Gebühren verantwortlich sei, sofern und soweit der Empfänger sie nicht bezahle. Diese am deutschen Seefrachtrecht - das im Streitfall jedenfalls nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB zur Anwendung komme - zu messende Klausel sei jedoch gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB nichtig. Sie missachte die Vorschrift des § 625 Satz 1 HGB , wonach der Verfrachter sich nach Auslieferung der Güter wegen der ihm gegen den Empfänger zustehenden Forderungen bei dem Befrachter nicht erholen dürfe. Ein Rückgriff finde nach § 625 Satz 2 HGB nur insoweit statt, als sich der Befrachter mit dem Schaden des Verfrachters bereichern würde. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor.

Auf die Regelung in Nummer 18 Absatz 1 der Bill of Lading könne die Klägerin den Anspruch auf Containerstandgeld ebenfalls nicht stützen, da auch diese Klausel nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB nichtig sei. Sie nehme jeden Ladungsbeteiligten für alle nach dem Vertrag dem Verfrachter von einem Ladungsbeteiligten geschuldeten Entgelte in die Haftung und missachte damit ebenfalls die Regelung in § 625 Satz 1 HGB .

Die von der Klägerin für das Auspacken des Frachtgutes und das Einlagern des Containers geltend gemachten Kosten seien unbegründet, da sich auch insoweit aus den Regelungen im "attached rider" ergebe, dass die Beklagte hierfür nicht einzustehen brauche.

II.

Die Revision hat Erfolg. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte aus § 419 Abs. 4 , § 421 Abs. 4 HGB i.V. mit Nummer 18 Abs. 6 der Bedingungen der Bill of Lading Ansprüche auf Zahlung von Containerstandgeld und Einlagerungskosten sowie Erstattung der für das Auspacken des Containers aufgewendeten Kosten zu. Da das Berufungsgericht zur umstrittenen Höhe der bis zum 16. September 2005 angefallenen Kosten bislang keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

1.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der zwischen den Parteien geschlossene multimodale Frachtvertrag jedenfalls gemäß Art. 28 Abs. 4 Satz 1 EGBGB dem deutschen Recht unterliegt. Denn sowohl die Klägerin als Verfrachter als auch die Beklagte als Befrachter haben ihren Sitz in Deutschland, wo auch das Frachtgut zur Beförderung übernommen wurde. Darüber hinaus ergibt sich die Anwendung deutschen Rechts aus Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB , da die Parteien durchweg auf der Grundlage deutscher Rechtsvorschriften vorgetragen haben (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2008 - I ZR 12/06, TranspR 2009, 130 Tz. 19 = VersR 2009, 1141 m.w.N.).

2.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin über den Transport von Aachen nach Alexandria ein wirksames Konnossement (Bill of Lading) ausgestellt hat und dass dessen Bedingungen einschließlich der Zusatzregelungen im "attached rider" Inhalt des streitgegenständlichen Frachtvertrags geworden sind.

Gemäß Nummer 18 Abs. 6 der Bedingungen der Bill of Lading ist der Auftraggeber des Verfrachters für diejenigen Gebühren haftbar, die nach der Verschiffung entstehen, wenn und soweit der Empfänger es - gleich aus welchem Grund - unterlässt, diese zu bezahlen. Nach Nummer 18 Abs. 1 der Bedingungen zählen zu den Gebühren, die der Auftraggeber dem Verfrachter schuldet, insbesondere Containerstandgelder und Lagergelder.

Danach ist die Beklagte grundsätzlich verpflichtet, an die Klägerin das von ihr verlangte Containerstandgeld zu zahlen und der Klägerin auch die für das Auspacken und das Einlagern des Containers aufgewendeten Kosten zu erstatten.

3.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Kostentragungsregelung in Nummer 18 Abs. 6 der Billof-Lading-Bedingungen nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

a)

Auf einen multimodalen Frachtvertrag - um einen solchen handelt es sich hier, da die Beförderung des Gutes vereinbarungsgemäß mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln (Lkw und Schiff) durchgeführt werden sollte - sind auch dann grundsätzlich §§ 407 bis 450 HGB uneingeschränkt anzuwenden, wenn dieser eine Seestrecke einschließt (§ 452 Satz 2 HGB ). Daran ändert sich nichts, wenn die Seestrecke - wie häufig - die bedeutendste Teilstrecke ist, die lediglich durch einen verhältnismäßig kurzen Vor- bzw. Nachlauf auf der Straße oder Schiene im Abgangs- oder Ankunftsland ergänzt wird. Ebenso wenig steht der Anwendung des Landfrachtrechts entgegen, dass für die gesamte Beförderung ein "Seekonnossement" ausgestellt wurde, da dieses beim Multimodaltransport rechtlich nur die Bedeutung eines Ladescheins i.S. von § 444 HGB hat (MünchKomm.HGB/Herber, 2. Aufl., § 452 Rdn. 61).

b)

Bei einem Ablieferungshindernis, das auch in der Verweigerung der Annahme des Gutes seitens des Empfängers bestehen kann (Münch-Komm.HGB/Czerwenka, aaO, § 419 Rdn. 13), hat der Frachtführer gemäß § 419 Abs. 2 Satz 3 HGB das Recht, das Gut für Rechnung des nach § 418 Abs. 1 bis 4 HGB Verfügungsberechtigten einem Dritten zur Verwahrung anzuvertrauen. Seine dafür erforderlichen Aufwendungen kann er nach § 419 Abs. 4 HGB ersetzt verlangen, wenn das Hindernis nicht seinem Risikobereich zuzurechnen ist. Sofern eine Weisung - wie im vorliegenden Fall - nicht erteilt wurde, ist Schuldner des Aufwendungsersatzanspruchs grundsätzlich der Absender. Der Empfänger kann nur in Anspruch genommen werden, wenn er entweder eine Weisung erteilt (§ 418 Abs. 2 Satz 3 HGB ) oder vom Frachtführer verlangt hat, das Gut gegen Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Frachtvertrag abzuliefern (§ 421 Abs. 1 Satz 1 HGB ). Andernfalls käme dem Frachtvertrag der Charakter eines Vertrags zu Lasten Dritter zu (Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 419 HGB Rdn. 49; MünchKomm.HGB/Czerwenka, aaO, § 419 Rdn. 47).

Gemäß § 421 Abs. 4 HGB bleibt der Absender neben dem Empfänger, der die Ablieferung des Gutes verlangt hat (§ 421 Abs. 1 Satz 1 HGB ), zur Zahlung der nach dem Vertrag geschuldeten Beträge verpflichtet.

Zu diesen gesetzlichen Bestimmungen des Landfrachtrechts stehen die Regelungen in Nummer 18 Abs. 1 und Abs. 6 der Bill-of-Lading-Bedingungen nicht in Widerspruch. Der Landfrachtführer ist bei einer Annahmeverweigerung des Empfängers grundsätzlich berechtigt, das Gut einzulagern. Seine aufgrund einer Nichtannahme des Gutes entstandenen Aufwendungen kann er - neben einer angemessenen Vergütung (§ 419 Abs. 4 HGB ) - jedenfalls auch vom Absender ersetzt verlangen. Dies ist auch der wesentliche Regelungsgehalt der genannten Bill-of-Lading-Bedingungen.

c)

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klausel in Nummer 18 Abs. 6 der Bill-of-Lading-Bedingungen nicht an den gesetzlichen Bestimmungen des Landfrachtrechts, sondern an den Vorschriften des Seefrachtrechts zu messen sei, weil es sich bei den Konnossementsbedingungen um speziell auf Seetransporte zugeschnittene Geschäftsbedingungen handele. Es hat angenommen, die genannte Klausel missachte die Vorschrift des § 625 HGB , die es dem Verfrachter verwehre, sich wegen der ihm gegen den Empfänger zustehenden Forderungen aus § 614 HGB bei dem Befrachter zu erholen, wenn er die Güter ausgeliefert habe, es sei denn, der Befrachter würde sich mit dem Schaden des Verfrachters bereichern. Die Bestimmung berücksichtige, dass der Verfrachter seine Zahlungsansprüche gegen den Empfänger durch Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts nach § 614 Abs. 2 HGB durchsetzen könne. Die Regelung in der Klausel Nummer 18 Abs. 6 eröffne demgegenüber ausnahmslos den Rückgriff auf den Befrachter und widerspreche damit Inhalt und Intention des § 625 HGB . Soweit darauf verwiesen werde, dass der Wegfall des Anspruchs gegen den Befrachter nach dem Grundgedanken des § 625 HGB von der Möglichkeit abhänge, dass der Verfrachter die Sicherungsrechte gegen den Empfänger durchsetzen könne, rechtfertige dies keine Allgemeine Geschäftsbedingung, die uneingeschränkt die Haftung des Befrachters bestehen lasse, auch wenn der Verfrachter auf ihm mögliche Sicherungsmittel verzichtet habe. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

d)

Das Berufungsgericht hat bei seiner Annahme, die in Rede stehende Klausel sei gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB nichtig, außer Acht gelassen, dass auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien deutsches Landfrachtrecht zur Anwendung kommt. Dementsprechend beurteilt sich die Frage der Wirksamkeit der Klausel nach den Vorschriften dieses Vertragsregimes, mit dem die vom Berufungsgericht für unwirksam erachteten Regelungen in Einklang stehen. Eine Allgemeine Geschäftsbedingung kann nicht aufgrund von Bestimmungen, die auf den konkreten Vertrag keine Anwendung finden, nichtig sein.

Die Revision macht zudem mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat, dass § 625 HGB allein den Fall regelt, dass der Verfrachter das Frachtgut an den Empfänger ausgeliefert hat. Der Empfänger wird allein durch die Annahme der Güter verpflichtet, die Fracht und die weiteren in § 614 Abs. 1 HGB genannten Vergütungen an den Verfrachter zu zahlen. Nur wenn der Empfänger das Frachtgut annimmt, hat sich der Verfrachter grundsätzlich an diesen zu halten.

Im vorliegenden Fall hat der Empfänger die Annahme des Gutes unstreitig verweigert. Für diesen Fall bestimmt § 627 Abs. 1 HGB , dass der Befrachter den Verfrachter weiterhin wegen der Fracht und der übrigen Forderungen aus dem Frachtvertrag zu befriedigen hat. Der Grundsatz, dass der Befrachter als Vertragspartner dem Verfrachter für dessen Forderungen aus dem Frachtvertrag weiterhin haftet, findet sich auch in § 626 HGB . Hat der Verfrachter die Güter nicht ausgeliefert, sondern von seinem Pfandverkaufsrecht Gebrauch gemacht, bleibt der Befrachter zum Ersatz der durch diesen Verkauf nicht gedeckten Forderungen aus dem Frachtvertrag verpflichtet. Mit diesen gesetzlichen Regelungen stimmt der Inhalt der in Rede stehenden Klausel ebenfalls überein. Der Verfrachter kann den Befrachter nur dann auf Zahlung der nach der Verschiffung entstandenen Gebühren in Anspruch nehmen, wenn der Empfänger oder Endempfänger es unterlässt, diese zu zahlen. Der Verfrachter ist mithin gehalten, in erster Linie bei dem Empfänger Befriedigung wegen seiner offenen Forderungen zu suchen. Hat der Empfänger die Annahme des Frachtguts verweigert, bestehen gegen ihn keinerlei Ansprüche. In einem solchen Fall ist allein der Befrachter dem Verfrachter gemäß § 627 Abs. 1 HGB verpflichtet (Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., Vor § 614 Rdn. 2).

4.

Die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Containerstandgeld und Einlagerungskosten scheitern entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht daran, dass hierfür nach den Zusatzregelungen in der Bill of Lading und im "attached rider" allein der Empfänger des Frachtguts aufzukommen hat.

a)

Das Berufungsgericht hat angenommen, die konkreten Regelungen über das Containerstandgeld und die Lagerkosten in der Bill of Lading und im "attached rider" beträfen nur den Empfänger. Die Beklagte als Befrachterin habe demzufolge davon ausgehen können, dass sie von diesen Regelungen nicht unmittelbar betroffen sei. Der "attached rider" gebe zudem eine Erklärung dafür, warum das Containerstandgeld auch bei einer Abnahmeverweigerung nur vom Empfänger zu zahlen sei. In der linken Spalte des "attached rider" verweise die Klägerin auf das "administration decrete No. 20/1976", welches anordne, dass die Ware "at the sole risk and expences of the receiver" in Alexandria eingelagert werde, wenn der Empfänger nicht binnen zwei Wochen nach Löschung des Containers die darin befindliche Ware entgegengenommen habe. Hiernach trage allein der Empfänger die durch die Annahmeverweigerung der Ware in Alexandria entstehenden Einlagerungskosten. Die Bedeutung des Verweises auf die ägyptischen Vorschriften erschöpfe sich für den Vertragspartner der Klägerin nicht nur in einem Hinweis auf die Rechtslage in Ägypten; vielmehr hätten die Ladungsbeteiligten diese Kostenzuweisung in den Konnossementsbedingungen auch als eine im Verhältnis zur Klägerin maßgebliche Regelung verstehen dürfen. Die nur den (End-)Empfänger treffenden Regelungen über das Containerstandgeld und die bei einer Abnahmeverweigerung entstehenden und gleichfalls - nur - vom Empfänger zu tragenden Folgekosten ergäben damit ein in sich geschlossenes Haftungssystem. Auch diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

b)

Der Revision ist allerdings nicht darin beizutreten, dass im "attached rider" keine Haftung des Empfängers für Containerstandgeld geregelt sei. In der rechten Spalte des "attached rider" ist bestimmt, dass der "consignee" im Falle einer Überschreitung der standgeldfreien Zeit "demurrage" zu zahlen hat.

Als Auftraggeberin und Vertragspartnerin der Klägerin haftet die Beklagte aus dem Frachtvertrag auf Zahlung der Fracht und der sich aus den Bedingungen der Bill of Lading ergebenden Gebühren (Containerstandgeld und Einlagerungskosten). An dieser grundsätzlichen Haftung der Beklagten hat sich durch die Regelungen im "attached rider" nichts geändert. Ein Haftungsverzicht der Klägerin gegenüber der Beklagten ergibt sich insbesondere nicht aus der Formulierung "for any period in excess of 10 calendar days demurrage will be payable by consignee as follows: ..." im "attached rider". Zum einen sieht diese Passage schon ihrem Wortlaut nach keine ausschließliche Haftung des Empfängers unter Verzicht auf einen an sich bestehenden Anspruch gegenüber dem Befrachter vor. Zum anderen geht die Regelung in der rechten Spalte des "attached rider" davon aus, dass der Container erst nach Ablauf der standgeldfreien Zeit an die Klägerin zurückgegeben wird. Das setzt aber voraus, dass der Empfänger den Container zuvor entgegengenommen hatte. Der Fall, dass der Empfänger das Frachtgut nicht abnimmt, wird von den Regelungen betreffend das Containerstandgeld nicht erfasst. Die ausschließliche Haftung des Empfängers unter Befreiung des Befrachters widerspräche im hier vorliegenden Fall der Annahmeverweigerung des Gutes seitens des Empfängers auch der gesetzlichen Regelung des § 627 Abs. 1 HGB und stellte zudem einen Vertrag zu Lasten Dritter dar. Dass dies mit den Regelungen im "attached rider" von der Klägerin nicht beabsichtigt war, musste auch die Beklagte, bei der es sich um ein Speditionsunternehmen handelt, ohne weiteres erkennen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass ein Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB einen unmissverständlichen rechtsgeschäftlichen Willen voraussetzt. An die Feststellung eines solchen Willens, der nicht vermutet werden darf, sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urt. v. 3.6.2008 - XI ZR 353/07, NJW 2008, 2842 Tz. 20). Danach kann von einem Willen der Klägerin, die Beklagte einschränkungslos aus einer an sich bestehenden Haftung zu entlassen und nur noch den ihr unbekannten Empfänger in Anspruch nehmen zu wollen, nicht ausgegangen werden.

III.

Das Berufungsgericht hat bislang - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, ob die von der Klägerin für die Zeit vom 16. September 2004 bis 15. September 2005 geltend gemachten Forderungen der Höhe nach berechtigt sind, was die Beklagte in Abrede gestellt hat. Der Rechtsstreit ist daher noch nicht zur Endentscheidung reif.

Dementsprechend ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache gemäß § 563 Abs. 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 22. April 2010

Vorinstanz: LG Bremen, vom 10.10.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 11 O 381/05
Vorinstanz: OLG Bremen, vom 10.04.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U 108/07
Fundstellen
VersR 2011, 140