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BGH - Entscheidung vom 22.01.2010

V ZR 75/09

Normen:
WEG § 5 Abs. 1
WEG § 18 Abs. 1
WEG § 18 Abs. 3
WEG § 22 Abs. 1

BGH, Urteil vom 22.01.2010 - Aktenzeichen V ZR 75/09

DRsp Nr. 2010/3215

Anspruch auf Veräußerung des Teileigentums nach § 18 WEG ; Isolierte Betrachtung eines Störerverhaltens i.R.e. Anspruchs auf Veräußerung des Wohnungseigentums

Der Veräußerungsanspruch aus § 18 WEG scheidet aus, wenn der anspruchstellende Wohnungseigentümer ebenso gegen seine Pflichten verstößt oder wenn dieser das dem Anspruchsgegner vorgeworfene Verhalten provoziert hat.

Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 1. April 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

WEG § 5 Abs. 1 ; WEG § 18 Abs. 1 ; WEG § 18 Abs. 3 ; WEG § 22 Abs. 1 ;

Tatbestand:

Das Grundstück B. straße 30 in B. ist mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Es ist nach dem Wohnungseigentumsgesetz in vier Einheiten geteilt. Der Klägerin gehören die Wohnungen Nr. 2 bis 4, der Beklagten die Teileigentumseinheit Nr. 1. Zu dieser gehört das Sondereigentum an Ladenräumen im Erdgeschoß und weiteren Räumen im ersten Obergeschoss des Gebäudes, die über eine Außentreppe zu erreichen waren. Nach der Teilungserklärung stehen der Klägerin in der Wohnungseigentümerversammlung drei Stimmen, der Beklagten zwei Stimmen zu.

Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft war zunächst der Ehemann der Beklagten. Später wurde es die Klägerin. Um das Jahr 1997 riss der Ehemann der Beklagten die Außentreppe ab, weil diese, wie die Beklagte behauptet, baufällig war. Seither sind die Räume im Obergeschoss der Teileigentumseinheit der Beklagten nur noch mit Hilfe eines von dem Nachbarhaus, das dem Ehemann der Beklagten gehört, geschaffenen Durchbruchs erreichbar. Anträge der Beklagten, die Neuerrichtung der Treppe auf die Tagesordnung der Eigentümerversammlung zu setzen oder die Neuerrichtung zu beschließen, blieben ohne Erfolg.

Mit der Zahlung des laufenden Hausgelds geriet die Beklagte bis zum Frühjahr 2007 mit einem Betrag von 5.631,05 € in Rückstand. Die rückständigen Beträge sind in Höhe von 5.092,81 € tituliert. Der titulierte Betrag übersteigt 3 % des Einheitswerts des Teileigentums der Beklagten. Vollstreckungsversuche verliefen erfolglos. Mit Schreiben vom 24. März 2007 drohte die Klägerin der Beklagten an, in der Eigentümerversammlung den Ausschluss der Beklagten aus der Gemeinschaft gemäß § 18 WEG zu beantragen. Am 26. Juni 2007 beschlossen die Wohnungseigentümer mit den drei Stimmen der Klägerin gegen die beiden Stimmen der Beklagten, der Beklagten ihr Teileigentum wegen der Rückstände auf das Hausgeld zu entziehen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr Teileigentum zu veräußern. Die Beklagte hat eingewandt, auch die Klägerin verstoße gegen ihre Pflichten als Wohnungseigentümerin. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Veräußerung des Teileigentums der Beklagten nach § 18 Abs. 1 WEG seien grundsätzlich gegeben. Trotzdem könne die Klägerin die Veräußerung nicht verlangen, weil auch sie gegen ihre Pflichten als Wohnungseigentümerin grob verstoßen habe. Zur Wiederherstellung der Treppe zu den Räumen der Beklagten im Obergeschoß bedürfe es eines Beschlusses der Wohnungseigentümer. Diesen habe die Klägerin pflichtwidrig verhindert, indem sie einen entsprechenden Antrag der Beklagten zunächst nicht in die Tagesordnung der Wohnungseigentümerversammlung aufgenommen und später einen entsprechenden Beschlussantrag mit der Mehrheit ihrer Stimmen abgelehnt habe.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Ein durchsetzbarer Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Veräußerung ihres Teilseigentums gemäß § 18 WEG besteht derzeit nicht.

1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte auf Veräußerung deren Teileigentums nach § 18 Abs. 1 , Abs. 2 WEG sind gegeben. Eines wirksamen Beschlusses gemäß § 18 Abs. 3 WEG bedarf es bei einer aus nur zwei Mitgliedern bestehenden Eigentümergemeinschaft nicht, weil die für einen solchen Beschluss erforderliche, nach Köpfen zu bestimmende absolute Mehrheit nicht erreicht werden kann. An die Stelle des Beschlusses tritt gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 WEG die Klage des anderen Wohnungseigentümers gegen den Störer auf Veräußerung (LG Aachen ZMR 1993, 233; LG Köln ZMR 2002, 227; Jennißen/Heinemann, WEG , Rdn. 5; Riecke in Riecke/ Schmid, WEG , 2. Aufl., § 18 Rdn. 39).

2. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Pflichtverletzung des Störers zu einem Anspruch auf Veräußerung des Wohnungseigentums führt, darf das Verhalten des Störers nicht isoliert bewertet werden. Es sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und die Interessen der Beteiligten insgesamt gegeneinander abzuwägen (Jennißen/Heinemann, aaO., Rdn. 13; Riecke, aaO., Rdn. 25 f.). Danach scheidet ein Anspruch auf Veräußerung aus, wenn der klagende Wohnungseigentümer ebenso gegen seine Pflichten wie der beklagte Eigentümer verstößt und der Anspruch auf Veräußerung mit umgekehrten Parteirollen rechtshängig gemacht werden könnte (Kreuzer in Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Teil 10 Rdn. 15).

So liegt es, soweit die Beklagte behauptet, auch die Klägerin habe das von ihr der Wohnungseigentümergemeinschaft geschuldete Hausgeld in erheblichem Maße nicht geleistet oder veruntreut. Feststellungen hierzu sind indessen nicht getroffen.

3. Die Veräußerungsklage scheitert aber auch dann, wenn das dem beklagten Wohnungseigentümer vorgeworfene Verhalten von dem Kläger provoziert ist (Kreuzer, aaO.) oder sich sonst als treuwidrig darstellt (Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG , 8. Aufl., § 18 Rdn. 22).

So liegt der Fall hier. Die Klägerin verhindert durch ihr Verhalten die Wie- derherstellung der zur ordnungsmäßigen Nutzung der im Eigentum der Beklagten stehenden Räume im Obergeschoss des Hauses notwendigen Treppe und verstößt so in grober Weise gegen ihre Pflichten als Wohnungseigentümerin. Auch wenn die Treppe nur dazu dient, das Sondereigentum der Beklagten zu erreichen und, wie die Klägerin behauptet, in der Teilungserklärung dem Eigentum der Beklagten zugewiesen ist, handelt es sich bei der Treppe nach § 5 Abs. 1 letzte Alternative WEG zwingend um gemeinschaftliches Eigentum. Gleichgültig aus welchem Grund die Treppe abgerissen worden ist und ob die Räume im Obergeschoss derzeit von dem Nachbarhaus aus betreten werden können, gehört es zur ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, die Treppe wiederherzustellen. Hierzu bedarf es nach § 22 Abs. 1 WEG eines entsprechenden Beschlusses der Wohnungseigentümer. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO .

Verkündet am 22. Januar 2010

Vorinstanz: LG Dresden, vom 01.04.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 2 S 173/08
Vorinstanz: AG Borna, vom 29.02.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 3 C 1319/07