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BFH - Entscheidung vom 20.04.2010

VI B 150/09

Normen:
§ 4 Abs 5 S 1 Nr 6b S 3 EStG 2002
§ 76 Abs 1 S 1 FGO
§ 81 Abs 1 S 2 FGO
§ 115 Abs 2 Nr 3 FGO
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b
FGO § 76 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2010, 1434

BFH, Beschluss vom 20.04.2010 - Aktenzeichen VI B 150/09

DRsp Nr. 2010/9594

Geltendmachung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer durch einen Betriebsprüfer i.R.e. Einkommensteuererklärung; Maßgeblichkeit des zeitlichen Anteils einer in einem häuslichen Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeit für die Beurteilung des Mittelpunkts einer beruflichen Betätigung

NV: Es ist nicht allein der zeitliche Anteil der Tätigkeit dafür entscheidend, unter welchen Voraussetzungen ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet. Maßgeblich ist vielmehr der inhaltliche (qualitative)  Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt lediglich eine indizielle Bedeutung.

Normenkette:

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b ; FGO § 76 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Im finanzgerichtlichen Ausgangsverfahren war streitig, ob ein Betriebsprüfer Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einkommensteuerrechtlich geltend machen kann.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war als Betriebsprüfer bei einem Finanzamt für Großbetriebsprüfung nichtselbständig tätig. Im Streitjahr (2003) machte er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.835 EUR als Werbungskosten geltend. Er vertrat die Auffassung, dass der Schwerpunkt seiner Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer liege.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) ließ die geltend gemachten Aufwendungen im streitigen Einkommensteuerbescheid unberücksichtigt. In dem nach erfolglosem Einspruchsverfahren danach betriebenen Klageverfahren legte der Kläger nach Aufforderung des Finanzgerichts (FG) ein Schreiben seiner Beschäftigungsbehörde vor. Danach war ihm auf Antrag ein mobiler Arbeitsplatz genehmigt worden. Es wurde allerdings nicht bescheinigt, dass vor Ort ein geeigneter Arbeitsplatz nicht vorhanden sei. Für Prüfer, die den mobilen Arbeitsplatz nicht nutzen wollten, seien an der Dienststelle Arbeitsräume mit allen erforderlichen Arbeitsmitteln bereitgehalten.

Das FG wies die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der inhaltlich qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bei einem Betriebsprüfer nicht im häuslichen Arbeitszimmer, sondern in den zu prüfenden Betrieben liege. Ein der Höhe nach unbegrenzter Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer scheide daher aus. Auch ein beschränkter Abzug der Aufwendungen komme nicht in Betracht, weil dem Kläger vor Ort ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. Dies habe der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Unerheblich sei, dass der Steuerpflichtige sich dafür entscheide, bestimmte Arbeiten vorzugsweise am häuslichen Arbeitsplatz zu erledigen.

Nachdem das FG die Revision nicht zugelassen hatte, wendet sich der Kläger mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und macht als Revisionszulassungsgrund einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die Entscheidung beruhe (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Im Streitfall bilde das häusliche Arbeitszimmer des Klägers den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit. Er führe dort die wesentlichen Vor- und Nacharbeiten einer Betriebsprüfung durch, bewahre dort Arbeitsmittel, Gesetzesmaterialien und Verwaltungsanweisungen auf. Außerhalb des Arbeitszimmers gebe es keinen Mittelpunkt der Tätigkeit. Überdies habe dem Kläger kein anderes Arbeitszimmer im Streitjahr zur Verfügung gestanden. Diesen Sachverhalt hätte das FG hinreichend aufklären müssen. Hätte das FG das getan, wäre es zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger mehr als 50% seiner Arbeitszeit im Arbeitszimmer abgeleistet habe.

II.

Die Beschwerde ist ungeachtet der Frage, ob sie den Begründungs- und Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, jedenfalls unbegründet. Denn der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.

1.

Der Kläger beruft sich zu Unrecht darauf, dass das FG den Sachverhalt nicht umfassend aufgeklärt habe.

a)

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 FGO die erforderlichen Beweise zu erheben. Dabei hat es den entscheidungserheblichen Sachverhalt so vollständig wie möglich und bis zur Grenze des Zumutbaren, d.h. unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel aufzuklären. Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (vgl. Senatsentscheidungen vom 30. April 2008 VI B 131/07, BFH/NV 2008, 1475 , m.w.N.; vom 13. November 2007 VI B 100/07, BFH/NV 2008, 219 ).

b)

Diesen Anforderungen entspricht die Entscheidung des FG. Der Kläger hat insbesondere nichts dazu vorgetragen, inwieweit der Sachverhalt noch weiter hätte aufgeklärt werden können und müssen, und hat auch nicht dargelegt, dass etwa ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag, der auch eine entscheidungserhebliche Tatsache betrifft, unberücksichtigt geblieben wäre. Das Vorbringen des Klägers erschöpft sich insoweit im Wesentlichen in der Wiedergabe des Sachverhalts und in seiner eigenen, vom FG abweichenden Würdigung. Allein mit dem Vorbringen, dass ihm entgegen den Feststellungen des FG im Finanzamt kein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe, kann eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG nicht formgerecht gerügt werden. Hierzu hätte der Kläger insbesondere dartun müssen, welche weiteren Sachverhaltserforschungen und Beweiserhebungen sich dem FG hätten aufdrängen müssen.

c)

Soweit der Kläger darüber hinaus vorbringt, dass die weitere Sachverhaltserforschung ergeben hätte, dass der Kläger zu mehr als 50% seiner Arbeitszeit in seinem Arbeitszimmer tätig gewesen sei, verkennt der Kläger überdies den rechtlichen Maßstab, nach dem zu beurteilen ist, ob der Schwerpunkt der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Denn insoweit ist nicht allein der zeitliche Anteil der Tätigkeit dafür entscheidend, unter welchen Voraussetzungen ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet. Maßgeblich ist vielmehr der inhaltliche (qualitative) Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt lediglich eine indizielle Bedeutung zu (vgl. Senatsurteil vom 15. März 2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133 , m.w.N.). Diese Grundsätze wurden vom FG auch zutreffend in seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

2.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO abgesehen.

Vorinstanz: FG Niedersachsen, vom 01.10.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 11449/05
Fundstellen
BFH/NV 2010, 1434