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BFH - Entscheidung vom 20.09.2010

V R 2/09

Normen:
§ 107 FGO
§ 136 Abs 1 FGO
§ 17 UStG 1999
§ 12 Abs 1 UStG 1999

BFH, Beschluss vom 20.09.2010 - Aktenzeichen V R 2/09

DRsp Nr. 2010/22607

Berichtigung des Urteilstenors bei "ähnlicher offenbarer Unrichtigkeit"Kostenentscheidung

1. NV: Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Sinne des § 107 FGO sind Erklärungsmängel, die zu dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar im Widerspruch stehen; sie sind offenbar, wenn sie augenfällig auf der Hand liegen, durchschaubar und eindeutig sind. 2. NV: Die "Berichtigung" der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG richtet sich offenkundig nach dem materiellen Umsatzsteuerrecht des Zeitpunkts, in dem der Umsatz getätigt wurde. 3. NV: Gibt das Gericht einer Klage auf "Berichtigung" der Bemessungsgrundlage in der unzutreffenden Annahme statt, der Klageantrag berücksichtige den zum Zeitpunkt der Erbringung des Umsatzes geltenden Steuersatz, liegt eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit vor.

Normenkette:

§ 107 FGO ; § 136 Abs 1 FGO ; § 17 UStG 1999; § 12 Abs 1 UStG 1999;

Gründe

I.

Mit Urteil vom 11. Februar 2010 V R 2/09 hat der Senat entschieden, dass die Zahlung der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in Höhe von 605.000 EUR an die Beigeladene zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage für den 1987 erfolgten Verkauf eines Grundstücks an die Beigeladene führt. Im Tenor hat der Senat den bezifferten Antrag der Klägerin auf Herabsetzung der Steuer auf ... EUR übernommen in der irrtümlichen Annahme, die Klägerin habe den zutreffenden Steuersatz für die Berichtigung der Bemessungsgrundlage für den 1987 ausgeführten Umsatz (14%) und nicht --wie geschehen-- einen Steuersatz von 15% zugrunde gelegt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt

eine Berichtigung des Urteils dahingehend, dass die Umsatzsteuer auf ... EUR festgesetzt wird.

Da der Verkauf des Grundstücks in 1987 erfolgte, sei die Umsatzsteuer aus dem Bruttobetrag von 605.000 EUR mit dem damals geltenden Steuersatz von 14% herauszurechnen. Die Beigeladene tritt dem Antrag bei. Nach Auffassung der Klägerin liegen die Voraussetzungen des § 107 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) nicht vor.

II.

Der Antrag des FA auf Urteilsberichtigung ist begründet.

1.

Nach § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Als Berichtigungsgegenstand erfasst § 107 FGO alle Bestandteile des Urteils. "Ähnliche" offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 107 FGO sind Erklärungsmängel, die zu dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar im Widerspruch stehen; sie sind "offenbar", wenn sie augenfällig auf der Hand liegen, durchschaubar und eindeutig sind (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Juli 2005 V B 84/02, V K 1/05, BFH/NV 2005, 2218 ).

2.

Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Urteilstenors vor. Die Minderung der Bemessungsgrundlage wurde in offenbar unrichtiger Weise mit 15% statt 14% berücksichtigt.

a)

Die zur Änderung der Bemessungsgrundlage führende Zahlung von 605.000 EUR erfolgte zwar im Streitjahr 2004, der steuerpflichtige Verkauf des Grundstücks geschah jedoch bereits im Jahre 1987. Der Regelsteuersatz des § 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes betrug seinerzeit 14%. Es liegt auf der Hand, dass sich die "Berichtigung" der Bemessungsgrundlage nach dem materiellen Umsatzsteuerrecht des Zeitpunkts richtete, in dem der Umsatz getätigt wurde (1987) und daher mit 14% zu berücksichtigen war (vgl. z.B. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 207 Rz 211; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz , § 17 Rz 76; Schlosser-Zeuner in Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz , 9. Aufl., § 17 Rz 55; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. August 2006, BStBl I 2006, 477 Rz 26). Dementsprechend bestand auch über die Höhe des anzuwendenden Steuersatzes zwischen den Beteiligten kein Streit. Die von der Klägerin vermisste Diskrepanz zwischen erklärtem und gewolltem Urteilsinhalt liegt darin, dass der Senat der Klage auf Berichtigung der Bemessungsgrundlage entsprechen wollte und dabei offensichtlich unzutreffend davon ausging, dass dies mit der von der Klägerin beantragten Herabsetzung der Umsatzsteuer 2004 auf ... EUR erfolgt sei.

b)

Aus dem Bruttobetrag von 605.000 EUR ist die zu berichtigende Umsatzsteuer somit nicht mit 15% (78.913 EUR), sondern mit 74.298 EUR herauszurechnen. Zuzüglich unstrittiger Vorsteuern von ... EUR ergibt sich damit eine Herabsetzung der Umsatzsteuer 2004 auf ... EUR.

3.

Die Berichtigung der Umsatzsteuerfestsetzung führt zu einer Folgeänderung hinsichtlich der Kostenentscheidung. Diese beruht nunmehr auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO . Da die Klägerin eine Herabsetzung der Umsatzsteuer 2004 auf ... EUR beantragt hatte, ist sie in Höhe von 4.614 EUR unterlegen. Bei einem Streitwert von 78.913 EUR und einer Unterliegensquote von ca. 6% ist die Klägerin nicht i.S. von § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO "nur zu einem geringen Teil" unterlegen. Die Urteilsformel kann auch hinsichtlich der Kosten berichtigt werden (z.B. BFH-Beschluss vom 29. Mai 2009 XI R 31/06, [...]).

4.

Der Tenor des Urteils wird daher mit der Maßgabe berichtigt, dass die Umsatzsteuer 2004 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheids vom 22. Dezember 2005 auf ... EUR festgesetzt wird und die Kosten des Verfahrens der Beklagte zu 94% und die Klägerin zu 6% zu tragen haben.

5.

Die Kostenfreiheit der Entscheidung ergibt sich aus ihrer Zugehörigkeit zur abgeschlossenen Instanz (BFH-Beschluss vom 12. Februar 1987 VIII S 14/86, BFH/NV 1987, 786 ).