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BFH - Entscheidung vom 02.11.2010

VII R 7/10

Normen:
EGV 1255/96
EGV 1897/2006

BFH, Urteil vom 02.11.2010 - Aktenzeichen VII R 7/10

DRsp Nr. 2011/1282

Anmeldung von Lithium-Ionen-Akkumulatoren zur Überführung in den freien Verkehr unter gleichzeitiger Gewährung einer Zollaussetzung unter besonderer Verwendung; Heranziehung des gemessenen Maximalwerts als entscheidendes Messverfahren i.R.d. Prüfung der Beschaffenheitsmerkmale eines für die Herstellung wiederaufladbarer Batterien verwendeten bestimmten Typ von Akkumulator

NV: Nach Sinn und Zweck der für bestimmte Lithium-Ionen-Akkumulatoren gewährten Zollaussetzung spricht nichts dafür, dass der festgelegte Mindestdurchmesser von 18,1 mm im Fall einer Zollbeschau mit Messinstrumenten zu prüfen ist, die im visuell nicht mehr wahrnehmbaren Bereich eines 1/100 mm oder gar eines 1/1000 mm zu messen imstande sind, und dass ein Akkumulator, dessen Maße im vorgenannten Bereich von der Vorgabe abweichen, nicht mehr dem Typ von Akkumulator entspricht, für den die Zollaussetzung vorgesehen ist.

Normenkette:

EGV 1255/96; EGV 1897/2006;

Gründe

I.

Die Klägerin meldete im August 2007 Lithium-Ionen-Akkumulatoren unter dem Taric-Code 8507 80 30 30 zur Überführung in den freien Verkehr an und beantragte die Gewährung einer Zollaussetzung unter besonderer Verwendung. Seinerzeit beschrieb der Taric-Code 8507 80 30 30 Lithium-Ionen-Akkumulatoren, in zylindrischer Form, mit einer Länge von 64,6 mm oder mehr, einem Durchmesser von 18,1 mm oder mehr, mit einer Nennkapazität von 1 200 mA/Stunden oder mehr, zum Herstellen wieder aufladbarer Batterien. Für Waren dieser Art waren nach der Verordnung (EG) Nr. 1255/96 des Rates vom 27. Juni 1996 zur zeitweiligen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte gewerbliche und landwirtschaftliche Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. 1 158/1) in der Fassung der (Änderungs-)Verordnung (EG) Nr. 1897/2006 (VO Nr. 1897/2006) des Rates vom 19. Dezember 2006 (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. 1 395/1) die Zölle in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2008 ausgesetzt.

Das HZA nahm die Zollanmeldung an und entnahm der Warensendung zwei Muster als Probe und zwei weitere Muster als Rückstellprobe. Die Untersuchung der Probe durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) führte mit Einreihungsgutachten vom 11. Februar 2008 zur Einreihung beider Muster in den Taric-Code 8507 80 30 90, da Durchmesser der Akkumulatoren von weniger als 18,1 mm, nämlich 18,08 mm bzw. 18,06 mm gemessen worden waren. Das HZA erhob daraufhin den für Waren dieses Taric-Codes nicht ausgesetzten Zoll nach. Den hiergegen erhobenen Einspruch der Klägerin wies das HZA zurück, nachdem auch eine Vermessung der Rückstellprobe durch die ZPLA Durchmesser von weniger als 18,1 mm ergeben hatte.

Nach Klageerhebung ergab eine nochmalige Vermessung der Proben für zwei Warenmuster Durchmesser von 18,1 mm oder mehr, für die beiden anderen Muster dagegen Durchmesser von weniger als 18,1 mm (nämlich 18,09 mm). Das HZA reduzierte daraufhin mit Einfuhrabgabenbescheid vom 23. Februar 2009 den nacherhobenen Zollbetrag auf die Hälfte.

Die hinsichtlich des Änderungsbescheids aufrechterhaltene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es urteilte, dass die Ergebnisse der Teilbeschau für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren gälten, das HZA somit zu Recht die Hälfte der eingeführten Akkumulatoren als Waren des Taric-Codes 8507 80 30 90 angesehen habe, für welche die Zölle nicht ausgesetzt gewesen seien. Das angewandte Messverfahren sei nicht zu beanstanden. Anders als die Klägerin meine, sei nicht der gemessene Maximalwert, sondern der aus den Ergebnissen einer Messreihe ermittelte arithmetische Mittelwert maßgeblich.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass zum einen der jeweils gemessene Maximalwert maßgeblich sei und zum anderen die im Streitfall durchgeführten Messungen jedenfalls nicht verwertbar seien, weil sie bei einer falschen Umgebungstemperatur vorgenommen worden seien und es an einer exakten Beschreibung der Messmethode sowie der Messumgebung fehle.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Einfuhrabgabenbescheids vom 23. Februar 2009 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Dieser Bescheid, der gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO ).

Wie sich aus der vom FG sinngemäß in Bezug genommenen Anlage zum Einfuhrabgabenbescheid vom 23. Februar 2009 ergibt, hat das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung (vormals ZPLA) die vier der Einfuhrsendung entnommenen Proben hinsichtlich des für die Zollaussetzung vorgeschriebenen Mindestdurchmessers von 18,1 mm mit Hilfe eines Instruments vermessen, welches das ermittelte Maß mit noch zwei weiteren Dezimalstellen anzeigt, es also auf den 1/1000 mm genau angibt. Da anschließend dieser Wert zur nächst höheren Dezimalstelle gerundet wurde, hat das HZA im Ergebnis für die Frage, ob die Proben der Lithium-Ionen-Akkumulatoren die Voraussetzungen der Zollaussetzung erfüllten oder nicht, Abweichungen ihres Durchmessers im Bereich von 1/1000 mm für entscheidend gehalten. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.

Der Senat geht vielmehr --ebenso wie der Gerichtshof der Europäischen Union (Urteil vom 1. Juni 1995 C-467/93 --Analog Devices--, Slg. 1995, I-1403, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1995, 549 )-- davon aus, dass die nach den Zollvorschriften unter Umständen nicht eindeutig zu beantwortende Frage, inwieweit eine Ware mit den in einer Zollaussetzungsvorschrift beschriebenen Beschaffenheitsmerkmalen übereinstimmen muss, um in den Genuss der Zollaussetzung zu kommen, nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Aussetzungsvorschrift zu beantworten und deshalb zu prüfen ist, ob eine festgestellte Abweichung Einfluss auf die Funktion der Ware hat, die Gegenstand eines besonderen Schutzes im Hinblick auf die Gemeinschaftsproduktion sein soll.

Hinsichtlich der in der VO Nr. 1897/2006 mit (u.a.) bestimmten Mindestmaßen beschriebenen Lithium-Ionen-Akkumulatoren ex Unterpos. 8507 80 30 der Kombinierten Nomenklatur, für welche mit dieser Verordnung der Zoll zeitweise ausgesetzt wurde, gibt es keine Vorschriften über das bei der Prüfung der Beschaffenheitsmerkmale anzuwendende Messverfahren, die Auskunft geben, mit welchem Grad der Genauigkeit die Einhaltung der vorgeschriebenen Abmessungen festzustellen ist.

Auch aus dem Sinn und Zweck der mit der VO Nr. 1897/2006 für bestimmte Lithium-Ionen-Akkumulatoren gewährten Zollaussetzung lässt sich nicht folgern, dass der festgelegte Mindestdurchmesser von 18,1 mm im Fall einer Zollbeschau mit Messinstrumenten zu prüfen ist, die im visuell nicht mehr wahrnehmbaren Bereich eines 1/100 mm oder gar eines 1/1000 mm zu messen imstande sind. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es für die in der Union mit Hilfe der Zollaussetzung zu schützende bzw. zu fördernde Herstellung wieder aufladbarer Batterien gerade darauf ankommt, dass die hierfür verwendeten Lithium-Ionen-Akkumulatoren nicht um 1/100 mm oder 1/1000 mm von dem in der Verordnung angegebenen Durchmesser abweichen.

In Anbetracht des Zustandekommens von Zollaussetzungen geht der Senat davon aus, dass die Wirtschaftsbeteiligten, die für Lithium-Ionen-Akkumulatoren eine entsprechende Eingabe an die zuständige Stelle ihres Mitgliedstaats gemacht haben, einen für die Herstellung wieder aufladbarer Batterien verwendeten bestimmten Typ von Akkumulator vermessen und diese Maße weitergegeben haben, ohne dass insoweit --wie bereits ausgeführt-- Anhaltspunkte erkennbar sind, dass bei Abweichungen von dem gemessenen Durchmesser, die im Bereich von 1/100 mm oder 1/1000 mm liegen, der betreffende Akkumulator dem für die Herstellung wieder aufladbarer Batterien verwendeten Typ nicht mehr entspricht.

Wäre es hingegen darauf angekommen, dass die zu begünstigenden Akkumulatoren auch und gerade in dem Bereich unterhalb eines 1/10 mm nicht von der Vorgabe abweichen dürfen, hätte es nahe gelegen, dies durch die Maßangabe 18,10 mm auszudrücken sowie Vorschriften über die anzuwendende Messmethode und die bei Anwendung dieser Methode zu gewährleistenden Messbedingungen zu erlassen. Denn im Bereich von 1/100 mm oder 1/1000 mm können die Messergebisse durch verschiedene Faktoren wie z.B. die bei der Vermessung herrschenden Laborbedingungen beeinflusst werden, was auch das HZA einräumt und was im Streitfall die unterschiedlichen Ergebnisse der ersten Messung und der nach Klageerhebung vorgenommenen Nachvermessung erklären kann.

Vorinstanz: FG Hamburg, vom 18.12.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 202/08