Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BAG - Entscheidung vom 11.11.2010

8 AZR 185/09

Normen:
BGB § 186
BGB § 242
BGB § 613a
BGB § 186
BGB § 242
BGB § 613a

BAG, Urteil vom 11.11.2010 - Aktenzeichen 8 AZR 185/09

DRsp Nr. 2011/2869

Umfang der Unterrichtungspflicht bei Betriebsübergang; Verwirkung des Widerspruchsrechts

1. a) Die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 wird nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung in Gang gesetzt. b) Die Unterrichtungspflicht des § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Betriebsinhaber. c) Hat einer der beiden möglichen Adressaten eines Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB Kenntnis von Umständen, die zur Verwirkung des Rechts auf Widerspruch führen, so kann sich der andere Widerspruchsadressat hierauf berufen, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber insoweit als Einheit behandelt werden. 2. a) Das Recht zum Widerspruch kann verwirkt werden. b) Bezüglich des Zeitmoments kann nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Maßgeblich sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles, wobei die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment nicht erst mit der umfassenden und inhaltlich richtigen Unterrichtung eines Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen zu laufen beginnt. c) Das für die Verwirkung des Widerspruchsrechts erforderliche Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses disponiert hat, so dass der frühere Arbeitgeber auf die Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB vertrauen durfte etwa, wenn der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag mit dem Betriebserwerber schließt.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. Februar 2009 - 6 Sa 872/07 - aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 2. August 2007 - 11 Ca 1302/07 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Normenkette:

BGB § 186 ; BGB § 242 ; BGB § 613a;

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren darüber, ob zwischen ihnen über den 30. September 2005 hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Die Klägerin war bei der Beklagten in deren Werk in U als "Teamassistentin/Sekretärin" im Geschäftsbereich "Com MD (Mobile Devices)", der Mobilfunksparte der Beklagten, tätig.

Mit Vertrag vom 6. Juni 2005 verkaufte die Beklagte ihren Geschäftsbereich "Com MD (Mobile Devices)" an die BenQ Corporation mit Sitz in Taiwan. Dazu schlossen die Beklagte und die BenQ Corporation einen als "Master Sale and Purchase Agreement" (im Folgenden: MSPA) bezeichneten Vertrag. Dieser sah vor, dass die Vermögensgegenstände Land für Land im Wege der Einzelrechtsübertragung durch die Beklagte auf verschiedene Landesgesellschaften der BenQ-Gruppe übertragen werden sollten. Vollzogen wurde der jeweilige Verkauf zum 30. September 2005. Dazu wurde in Deutschland die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG (im Folgenden: BenQ Mobile) gegründet. Diese wurde am 16. September 2005 in das Handelsregister beim Amtsgericht München eingetragen. Deren persönlich haftende Gesellschafterinnen waren die BenQ Mobile Management GmbH und die BenQ Wireless GmbH, mit einem Stammkapital von jeweils 25.000,00 Euro. Deren Obergesellschafterin, die BenQ Corporation in Taiwan, war Alleingesellschafterin der BenQ Mobile Holding B.V. mit Sitz in den Niederlanden, welche die jeweils alleinige Gesellschafterin der beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen der BenQ Mobile war.

Im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung zahlte die Beklagte an die BenQ Corporation in Taiwan als Anschubfinanzierung einen dreistelligen Millionenbetrag.

Am 30. September 2005 wurde der wirtschaftliche Teilbetrieb Mobile Devices der Beklagten unter Wahrung seiner organisatorischen Identität mit den Mitarbeitern und wesentlichen Teilen der Betriebsmittel nebst den in Deutschland gelegenen Gegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens auf die BenQ Mobile übertragen.

Mit Schreiben vom 29. August 2005 hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass der Geschäftsbereich Com MD (Mobile Devices) zum 1. Oktober 2005 an die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG übertragen werde. Dieses Schreiben lautet:

"Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses

Sehr geehrte Frau ...

wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes Com MD (Mobile Devices) zum 01.10.2005 in die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG (im Folgenden: BenQ Mobile) übertragen.

BenQ ist ein weltweit führender Anbieter von Consumer-Electronic-Produkten, wie beispielsweise LCD-Bildschirmen, Notebook-Computern, Kameras und Scannern. Und im Handygeschäft wird BenQ Mobile in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.

In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt BenQ schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im Handysegment. Durch den Zusammenschluss mit Siemens kann BenQ seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. Siemens bietet BenQ eine globale Organisation mit führenden Marktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält BenQ durch den Kauf einen starken, weltweit bekannten Markennamen, Mobiltelefontechnologie und Softwarekompetenz sowie globalen Zugang zu der breiten Kundenbasis von Siemens. Daneben bekommt BenQ einen auf drei Kontinenten hervorragend etablierten Fertigungsverbund von Siemens.

Die Übertragung des Geschäftsgebietes erfolgt auf Grund eines Kaufvertrags im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf BenQ Mobile. Mit diesem Betriebsübergang wird gem. § 613a BGB BenQ Mobile Ihr neuer Arbeitgeber, der in alle Rechte und Pflichten Ihres Arbeitsverhältnisses mit der Siemens AG eintritt. Es wird also anlässlich des Betriebsübergangs - sofern nicht in der Überleitungsvereinbarung andere Regelungen getroffen sind - unverändert mit BenQ Mobile fortgeführt (insbesondere keine Veränderungen bei dem jeweiligen Einkommenssystem, Altersversorgung, Jubiläumsregelung, Dienstzeitregelung). Ebenso gelten die jeweiligen Tarifverträge (einschließlich des Ergänzungstarifvertrags B/K) gem. § 613a BGB weiter.

Die Höhe und Zusammensetzung des bisherigen Einkommens bleibt ebenso wie eine bestehende freiwillige, widerrufliche Sonderzulage anlässlich des Betriebsübergangs unverändert.

Im Einzelnen gilt für Sie die beiliegende, mit dem Gesamtbetriebsrat der Siemens AG vereinbarte Regelung zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen (Überleitungsvereinbarung), die Bestandteil dieses Schreibens ist.

Die bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarungen und örtlichen Betriebsvereinbarungen gelten bis zu einer eventuellen Neuregelung weiter, sofern in der Überleitungsvereinbarung nichts Abweichendes geregelt ist. BenQ Mobile haftet ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs unbeschränkt für alle, auch die rückständigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

Zusätzlich haftet die Siemens AG für solche Verpflichtungen, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind und spätestens ein Jahr danach fällig werden; soweit sie nach dem 1.10.2005 fällig werden, haftet sie nur zeitanteilig.

Eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ist gesetzlich gem. § 613a Abs. 4 BGB ausgeschlossen; das Recht zu Kündigungen aus anderen Gründen bleibt unberührt.

Sie werden auch nach dem 1.10.2005 durch Ihren bisherigen Betriebsrat weiter betreut; an den Standorten in U, B und M / G Strasse gilt dies solange, bis durch Neuwahlen eigene Betriebsratsgremien gewählt sind, längstens bis zum 31.1.2006.

Für den Standort K wurde der örtliche Betriebsrat informiert, dass an diesem Standort aufgrund von Produktivitätssteigerungen in der Fertigung der Abbau von ca. 340 Mitarbeitern im Bereich der Lohngruppen 2 bis 7 geplant ist.

Dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf BenQ Mobile können Sie nach § 613 a Abs. 6 BGB schriftlich widersprechen. Ihr Widerspruch hätte zur Folge, dass Ihr Arbeitsverhältnis nicht auf BenQ Mobile übergeht. Wir möchten Sie jedoch bitten, von diesem Recht nur nach sorgfältiger Abwägung Gebrauch zu machen, denn Ihr Widerspruch sichert Ihnen keinen Arbeitsplatz bei der Siemens AG, da die Com MD - Aktivitäten vollständig auf BenQ Mobile übertragen werden und damit diese Arbeitsplätze bei der Siemens AG entfallen, so dass es letztlich zu betriebsbedingten Beendigungen des Arbeitsverhältnisses kommen kann.

Sollten Sie trotz dieser Überlegungen dennoch widersprechen wollen, bitten wir darum, Ihren etwaigen Widerspruch unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von 1 Monat nach Zugang dieses Schreibens schriftlich an

Herrn R B, Com HR CG, M

oder an

Herrn Dr. V E, M

zu richten.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Personalorganisation gerne zur Verfügung.

Wir würden uns freuen, wenn Sie mit gleichem Arbeitseinsatz und hoher Motivation Ihre Arbeit bei BenQ Mobile weiterführen und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen

Siemens Aktiengesellschaft

gez. G  gez. M 

Anlage

Überleitungsvereinbarung Tarifkreis

Ab 1. Oktober 2005 erbrachte die Klägerin ihre Arbeitsleistung für die BenQ Mobile. Am 10. August 2006 schloss sie mit der BenQ Mobile einen Aufhebungsvertrag, der unter anderem folgende Vereinbarungen enthält:

"1. Das Arbeitsverhältnis wird wegen dringender betrieblicher Gründe auf Veranlassung von BenQ Mobile GmbH & Co. OHG mit Ablauf des 31.03.2007 enden.

...

2. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält Frau F eine Abfindung in Höhe von 55.100,00 brutto. Die Abfindung wird mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.

...

11. Mit Erfüllung dieser Regelung sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung abgegolten."

Auf den Antrag der BenQ Mobile vom 29. September 2006 wurde am 1. Januar 2007 über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 28. September 2006 widersprach die Klägerin gegenüber der Beklagten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die BenQ Mobile und verlangte ua. ihre Weiterbeschäftigung bei der Beklagten.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses im September 2006 noch mit Erfolg widersprechen können, weil sie nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang durch das Schreiben vom 29. August 2005 unterrichtet worden sei und deshalb die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht in Lauf gesetzt worden sei. Insbesondere rügt sie, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei, über die wirtschaftliche Situation der Betriebserwerberin vollständig zu informieren. Auch fehle es an einer zutreffenden Unterrichtung über den Grund des Betriebsübergangs. Das Widerspruchsrecht sei bei seiner Ausübung auch nicht verwirkt gewesen.

Die Klägerin hat nach teilweiser Klagerücknahme zuletzt noch beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten aufgrund des Widerspruchs vom 28. September 2006 nicht zum 1. Oktober 2005 auf die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG übergegangen ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie meint, die Unterrichtung über den Betriebsübergang mit Schreiben vom 29. August 2005 sei ordnungsgemäß gewesen. Insbesondere sei die Klägerin über die Identität der Betriebserwerberin und ausreichend über den Grund des Betriebsübergangs informiert worden. Jedenfalls sei der Widerspruch der Klägerin als kollektiver Massenwiderspruch unzulässig. Auch sei das Widerspruchsrecht der Klägerin verwirkt, weil sie mit der BenQ Mobile einen Aufhebungsvertrag zum 31. März 2007 geschlossen habe. Außerdem habe sie durch diese Vereinbarung auf ein etwa noch bestehendes Widerspruchsrecht verzichtet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin dem Feststellungsantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist begründet. Zwischen den Parteien besteht über den 30. September 2005 hinaus kein Arbeitsverhältnis mehr. Dieses war ab 1. Oktober 2005 auf die BenQ Mobile übergegangen. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die BenQ Mobile nicht wirksam widersprochen. Ihr Widerspruchsrecht war zum Zeitpunkt seiner Ausübung am 28. September 2006 verwirkt.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Trotz eines Betriebsübergangs bezüglich der Mobilfunksparte Com MD (Mobile Devices) auf die BenQ Mobile bestehe das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fort, weil die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen habe. Der schriftliche Widerspruch stelle keinen unzulässigen Massenwiderspruch dar. Die Klägerin habe dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses rechtzeitig und wirksam gem. § 613a Abs. 6 BGB widersprochen, weil das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom 29. August 2005 nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB genüge. Insbesondere sei keine hinreichende Unterrichtung über die wirtschaftlichen Folgen des Betriebsübergangs erfolgt. Darüber hinaus habe die Beklagte in dem Schreiben auch die Gründe für den Übergang (§ 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB ) und die Anschrift des Betriebserwerbers nicht ausreichend bezeichnet. Auch fehle es an der Angabe der näheren Ausgestaltung des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts.

Im Zeitpunkt der Erklärung des Widerspruchs sei das Widerspruchsrecht der Klägerin auch nicht verwirkt gewesen. Es fehle an einem Umstandsmoment, welches eine Verwirkung begründen könnte. Allein die Weiterarbeit der Klägerin bei BenQ Mobile stellten kein solches dar. Insbesondere habe auch der Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht zum Vorliegen des für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Umstandsmoments geführt. Ein solches könnte nur angenommen werden, wenn die Beklagte vom Abschluss desselben vor der Ausübung des Widerspruchsrechts Kenntnis erhalten hätte. Im Übrigen scheitere ein Vertrauensschutz für die Beklagte auch daran, dass ihr Unterrichtungsschreiben nicht "lediglich marginal unvollständig" gewesen sei.

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Feststellungsklage ist nicht begründet.

1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Unterrichtung der Klägerin mit Schreiben vom 29. August 2005 über den beabsichtigten Betriebsteilübergang nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprochen hat. Die Unterrichtung setzte damit die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB für die Klägerin nicht in Gang. Dies hat der Senat bereits in einer Reihe gleichgelagerter Fälle entschieden (vgl. zB 20. Mai 2010 - 8 AZR 977/08 -; 25. Februar 2010 - 8 AZR 740/08 -; 23. Juli 2009 - 8 AZR 539/08 -; 23. Juli 2009 - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113 und 23. Juli 2009 - 8 AZR 538/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114). Aus diesem Grunde hatte die Widerspruchsfrist mit dem Zugang des Unterrichtungsschreibens vom 29. August 2005 an die Klägerin nicht zu laufen begonnen, so dass ihr Widerspruch mit Schreiben vom 28. September 2006 nicht verspätet war (st. Rspr., vgl. Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 808/07 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 105).

2. Das Recht der Klägerin zum Widerspruch war zum Zeitpunkt seiner Ausübung jedoch verwirkt.

a) Der Senat hat bereits mehrmals entschieden, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers verwirken kann (vgl. zB 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB ). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

Angesichts der gesetzlichen Regelung ist hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abzustellen. Vielmehr kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an (Senat 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64). Dabei ist davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können (Senat 23. Juli 2009 - 8 AZR 538/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114). Außerdem ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - mwN, aaO.).

b) Die Voraussetzungen für eine Verwirkung liegen im Streitfall vor.

aa) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt zwar grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben (vgl. BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 23/06 - EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 116). Vom Revisionsgericht ist das Berufungsurteil jedoch darauf zu überprüfen, ob das Tatsachengericht die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 9 AZR 747/06 - mwN, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr. 1).

bb) Vorliegend ist dem Landesarbeitsgericht ein - auch revisionsrechtlich zu beachtender - Rechtsfehler unterlaufen. Es hat nämlich die Voraussetzungen für das Vorliegen des Umstandsmoments verkannt.

cc) Das Zeitmoment ist erfüllt.

Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment beginnt nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen zu laufen. Damit setzt auch nicht erst die Kenntnis des Arbeitnehmers von der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung die Frist für die Beurteilung des Vorliegens des Zeitmoments in Lauf. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei der das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind (vgl. Senat 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106).

Erfolgt die Prüfung entsprechend diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das so genannte Zeitmoment einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufes, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalles, zu denen auch der jeweilige Informationsstand des Berechtigten gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Grundsätzlich ist der gesamte Zeitablauf seit der Rechtsentstehung von Bedeutung, im Falle der Beklagten jedenfalls der Zeitraum ab Ende September 2005, weil zu diesem Zeitpunkt die aus ihrer Sicht durch ihr Unterrichtungsschreiben vom 29. August 2005 in Gang gesetzte gesetzliche einmonatige Widerspruchsfrist (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB ) für die Klägerin ablief.

Die Klägerin hat ihr Widerspruchsrecht erst fast ein Jahr nach dem am 1. Oktober 2005 vollzogenen Betriebsübergang ausgeübt, nämlich mit Schreiben vom 28. September 2006. Vor Ablauf eines Monats nach der Unterrichtung in Schriftform muss der Arbeitgeber wegen der in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normierten Monatsfrist mit einem Widerspruch des Arbeitnehmers rechnen. Durch die Unterrichtung über den Betriebsübergang gibt der Arbeitgeber grundsätzlich zu erkennen, dass er mit dieser die Widerspruchsfrist von einem Monat in Gang setzen will und nach Fristablauf die Erklärung von Widersprüchen nicht mehr erwartet (Senat 23. Juli 2009 - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).

Dies gilt auch, wenn die Unterrichtung unvollständig oder fehlerhaft war. Der Zeitraum von über einem Jahr zwischen der Unterrichtung über den Betriebsübergang und der Erklärung des Widerspruchs und von fast einem Jahr nach dem fiktiven Ablauf der gesetzlichen Widerspruchsfrist ist nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich geeignet, das Vorliegen des Zeitmoments zu bejahen. Er erfüllt im Streitfall insbesondere auch deshalb das Zeitmoment, weil die Klägerin durch den Abschluss ihres Aufhebungsvertrages mit der BenQ Mobile ein besonders gewichtiges Umstandsmoment gesetzt hatte (vgl. 25. Februar 2010 - 8 AZR 740/08 - und 2. April 2009 - 8 AZR 220/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 6; 20. Mai 2010 - 8 AZR 739/08 -).

dd) Die Klägerin hat durch ihr Verhalten, insbesondere durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 10. August 2006 mit der BenQ Mobile das Umstandsmoment verwirklicht.

Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Dies ist dann der Fall, wenn er aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers annehmen durfte, dieser habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert. Dies ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat (vgl. Senat 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106; 20. März 2008 - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354 ).

Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer (zunächst) widerspruchslos beim Betriebserwerber weiterarbeitet und von diesem die Arbeitsvergütung entgegennimmt, stellt ebenso wenig eine Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses dar (vgl. Senat 27. November 2008 - 8 AZR 225/07 -; 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347) wie Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber, durch welche einzelne Arbeitsbedingungen, zB Art und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung, Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden. Als Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses stellen sich nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers dar, durch welche es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, zB Abschluss eines Aufhebungsvertrages (Senat 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106) bzw. die Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung (Senat 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - aaO.), oder durch welche das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt wird (zB die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses; Senat 23. Juli 2009 - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).

Aufgrund des Abschlusses des Aufhebungsvertrages zwischen der Klägerin und der BenQ Mobile am 10. August 2006 durfte die Beklagte davon ausgehen, die Klägerin werde ihr Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben (Erfüllung des Umstandsmoments).

ee) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist es unerheblich, ob und gegebenenfalls ab wann die Beklagte von dem Abschluss dieses Vertrages Kenntnis hatte.

Auf die Verwirkung darf sich die Beklagte berufen, unabhängig davon, ob ihr alle von der Klägerin verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat.

Neuer und alter Arbeitgeber dürfen sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (st. Rspr., vgl. Senat 23. Juli 2009 - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).

c) Eine Berufung der Beklagten auf die Verwirkung des Widerspruchsrechts könnte allerdings dann gegen Treu und Glauben verstoßen und damit unzulässig sein, wenn die BenQ Mobile sich ihrerseits deshalb nicht mit Erfolg auf die Verwirkung berufen könnte, weil sie die Klägerin treuwidrig zum Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 10. August 2006 veranlasst und damit das Umstandsmoment unter Verstoß gegen § 242 BGB herbeigeführt hätte. Für das Vorliegen eines solchen Verstoßes trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast, wenn er sich auf die Nichtverwirklichung des Umstandsmoments berufen will (Senat 25. Februar 2010 - 8 AZR 740/08 -).

Für eine solche Darlegung wäre es erforderlich, dass die Klägerin vorgetragen hätte, die für die BenQ Mobile handelnden Personen, welche sie zum Abschluss des Aufhebungsvertrages veranlasst hatten, hätten bei Abschluss desselben gewusst, dass die BenQ Mobile wegen der sich abzeichnenden Insolvenz ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen werde. Das hat die Klägerin aber weder konkret dargelegt noch ist solches aus dem Akteninhalt erkennbar. Auch betrachtet die Klägerin selbst den Aufhebungsvertrag offensichtlich nach wie vor als wirksam. Insbesondere hat sie ihre auf Abschluss dieses Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten.

III. Die Klägerin hat nach §§ 91 , 97 ZPO auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Hinweis des Senats:

weitgehend Parallelsachen: 20. Mai 2010 - 8 AZR 977/08 -, - 8 AZR 585/08 -, - 8 AZR 739/08 -

Vorinstanz: LAG München, vom 10.02.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 6 Sa 872/07
Vorinstanz: ArbG München, vom 02.08.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 11 Ca 1302/07