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BVerwG - Entscheidung vom 30.06.2009

4 BN 18.09

Normen:
VwGO § 47 Abs. 2

BVerwG, Beschluss vom 30.06.2009 - Aktenzeichen 4 BN 18.09

DRsp Nr. 2009/16451

Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wegen Versäumung der Antragsfrist

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. März 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 Euro festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 47 Abs. 2 ;

Gründe:

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag des Antragstellers wegen Versäumung der Antragsfrist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig verworfen. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 Abs. 1 VwGO ) hat es zum einen unter Hinweis darauf abgelehnt, dass die Antragsfrist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Ausschlussfrist sei, hinsichtlich derer eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht komme. Zum anderen hat es - "unabhängig davon" - auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 VwGO verneint. Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Hieran fehlt es.

1.

Hinsichtlich des zweiten Begründungselements beruft sich der Antragsteller auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO . Einen Verfahrensmangel macht er aber nicht substantiiert geltend. Eine verfahrensfehlerhafte Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags ist auch sonst nicht ersichtlich.

Hat die Vorinstanz das Vorliegen einer Sachurteilsvoraussetzung in fehlerhafter Weise verneint, so begründet dies einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO , auf dem das Urteil beruht (vgl. Beschlüsse vom 4. Juli 1968 - BVerwG 8 B 110.67 - BVerwGE 30, 111 <113> und vom 30. Dezember 1997 -BVerwG 8 B 240.97 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 18; stRspr). Den Inhalt und die rechtliche Bedeutung einer Prozesshandlung hat das Revisionsgericht dabei ohne Bindung an tatrichterliche Auslegung selbständig festzustellen (Beschluss vom 30. Dezember 1997 a.a.O.). Das entbindet die Beschwerde freilich nicht davon, das Vorliegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers entsprechend den Begründungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzulegen (Beschluss vom 31. August 1999 - BVerwG 3 B 57.99 - NVwZ-RR 2000, 259 <zitiert nach [...] Rn. 3>). Diesen Begründungsanforderungen genügt die Beschwerde des Antragstellers nicht.

Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, das Oberverwaltungsgericht habe die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags damit begründet, dass der Antragsteller nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO einzuhalten. Demgegenüber sei das Wiedereinsetzungsgesuch in "zutreffender Weise" (gemeint ist wohl: in einer den Anforderungen des § 60 Abs. 1 VwGO genügenden Weise) damit begründet worden, dass eine langjährige, als zuverlässig bekannte Mitarbeiterin den Normenkontrollantrag entgegen seiner ausdrücklichen Anweisung nicht an das Gericht gefaxt habe. Diese Mitarbeiterin sei über die Bedeutung von Fristsachen unterrichtet, führe den Fristenkalender, notiere die Fristen und bearbeite die Eingangspost. Eine Fehlhandlung dieser Mitarbeiterin sei ihm - dem Antragsteller - auch nicht erinnerlich. Er habe sich deshalb auf diese Mitarbeiterin verlassen dürfen. Diese Begründung geht am Kern der Argumentation vorbei, mit der das Oberverwaltungsgericht eine unverschuldete Fristversäumnis verneint hat.

Das Oberverwaltungsgericht hat nämlich darauf abgestellt, dass der Vortrag des Antragstellers sein eigenes Verschulden nicht ausschließe. Zwar dürfe ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine zuverlässige Angestellte eine konkrete Einzelanweisung befolge. Dieser Grundsatz gelte jedoch nicht ausnahmslos. Insbesondere bei einem so wichtigen Vorgang wie die Wahrung einer Rechtsmittelfrist müssten in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass eine solche Anordnung in Vergessenheit gerate und dadurch die Frist versäumt werde, zumal dann, wenn - wie hier - ein Frist wahrender Schriftsatz erst am letzten Tag der Frist eingereicht werde. Hierzu gehöre eine wirksame Ausgangskontrolle. Dabei sei vor Anbringen des Ausgangsvermerks zu überprüfen, welche fristgebundenen Schriftsätze hergestellt, versandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit dem im Postausgangsbuch oder im Fristenkalender vermerkten Streitsachen übereinstimmen. Darüber hinaus sei der Versand des Frist gebundenen Schriftsatzes nicht nur durch Streichung der eingetragenen Streitsache, sondern zusätzlich durch Eintragung des Datums der Versendung zu dokumentieren. Schließlich gehöre zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch, dass die Erledigung der Frist gebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft werde. Dass eine solche Ausgangskontrolle in der Kanzlei des Antragstellers gewährleistet sei, lasse sich weder dessen Vorbringen noch der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten entnehmen. Im Gegenteil bestätige der Vortrag des Antragstellers, durch eine Recherche habe nicht einmal festgestellt werden können, ob das betreffende Schreiben überhaupt per Fax herausgegangen sei, dass eine wirksame Ausgangskontrolle nicht stattgefunden habe.

Hierzu enthält die Beschwerde keine substantiierten Rügen. Zum einen trägt der Antragsteller vor, die vom Oberverwaltungsgericht postulierten Kontrollerfordernisse seien zu streng, weil sie dazu führten, dass der Rechtsanwalt in jedem Fall den Ausgang sämtlicher Schreiben an jedem Tag (selbst) kontrollieren müsse und überhaupt nichts mehr delegieren dürfe. Dieser Vortrag geht von vornherein an den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts vorbei, das - wie dargestellt - lediglich verlangt hat, dass die Erledigung der Frist gebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft anhand des Fristenkalenders überprüft werde. Zum anderen bemerkt der Antragsteller, die Führung eines Postausgangsbuches würde, wenn - wie hier - die Anweisung gegeben werde, ein Schreiben per Telefax zu übersenden, ohnehin nicht helfen. Damit bestätigt er abermals die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass eine wirksame Ausgangskontrolle insoweit nicht stattgefunden habe.

Ein Verfahrensfehler ist aber auch unabhängig von den Begründungsanforderungen nicht erkennbar. Das Oberverwaltungsgericht stützt sich bei der Formulierung der Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle ausnahmslos auf höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung.

2.

Da somit jedenfalls hinsichtlich des zweiten Begründungselements ein Revisionszulassungsgrund schon nicht aufgezeigt worden ist und im Übrigen auch nicht vorliegt, bleibt die Beschwerde insgesamt ohne Erfolg, weil das erste Begründungselement, hinsichtlich dessen der Antragsteller Grundsatzbedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) geltend macht, hinweggedacht werden kann, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 02.03.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 7 D 13/08