Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 14.05.2009

4 B 2.09

Normen:
VwVfG § 35
BauO NRW,NW § 77 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 14.05.2009 - Aktenzeichen 4 B 2.09

DRsp Nr. 2009/13248

Voraussetzungen für die Ansehung eines behördlichen Schreibens als Verwaltungsakt gemäß § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz ( VwVfG ); Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

VwVfG § 35 ; BauO NRW ,NW § 77 Abs. 1 ;

Gründe:

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1.

Mit der - sinngemäßen - Frage, unter welchen Voraussetzungen ein behördliches Schreiben als Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG anzusehen ist (Beschwerdebegründung S. 4 - 9), wendet sich die Klägerin ungeachtet der allgemein gehaltenen Formulierung gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe mit dem Schreiben vom 16. Juli 2002 keine Stilllegung oder Untersagung der Bauarbeiten ausgesprochen, sondern lediglich auf die Rechtslage hingewiesen, die sich ohne Umsetzungsakt aus § 77 Abs. 1 BauO NRW ergebe (UA S. 18). Rechtsfragen zu § 35 Satz 1 VwVfG , insbesondere zu dem Tatbestandsmerkmal der Regelung, die allgemeiner, fallübergreifender Klärung bedürften, wirft sie indes nicht auf, sondern beschränkt sich auf ein einzelfallbezogene Kritik an der vorinstanzlichen Auslegung des umstrittenen Schreibens. Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt.

2.

Die weitere Grundsatzrüge, mit der die Klägerin unter Berufung auf den bundesrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine "grundsätzliche Klarstellung der Notwendigkeit einer Anhörung" vor Erlass einer Baustilllegungsverfügung fordert (Beschwerdebegründung S. 9 - 11), führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Die von der Klägerin angegriffene Stilllegung erfolgte durch unmittelbaren Zwang in Form der Versiegelung auf der Grundlage des landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (UA S. 10). Dessen Vorschriften sind irrevisibel (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO ). Irrevisibel ist damit auch der bei ihrer Anwendung zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dass sich der im Landesrecht Geltung beanspruchende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit dem bundesrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit deckt, ändert daran nichts. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die bloße Übereinstimmung einer Vorschrift oder eines Grundsatzes des irrevisiblen Rechts mit einer Vorschrift oder einem Grundsatz des revisiblen Rechts nicht zur Revisibilität führt (vgl. Beschluss vom 22. März 1991 - BVerwG 7 B 30.91 - NVwZ 1991, 681 ).

3.

Die Verfahrensrügen, die die Klägerin mit der Notwendigkeit einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung durch externen Sachverstand, unzureichender Sachverhaltskenntnis und mangelnder Sachkunde des Berufungsgerichts begründet, bleiben ebenfalls erfolglos.

Die behaupteten Aufklärungsmängel hat die Beschwerde nicht hinreichend gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet. Hierfür hätte sie substantiiert darlegen müssen, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328 ). Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen den letztgenannten Anforderungen nicht. Die von der Klägerin genannten schriftsätzlichen Hinweise auf entsprechende Sachverständigengutachten als Beweismittel (Beschwerdebegründung S. 18) sind lediglich Beweisangebote. Auch soweit die Klägerin rügt, beim Ortstermin sei das Dachgeschoss nicht besichtigt worden (Beschwerdebegründung S. 18), legt sie nicht dar, welche entscheidungserheblichen Erkenntnisse ein Augenschein erbracht hätte.

Dem Berufungsgericht musste sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht aufdrängen. Die Klägerin meint, es habe sachverständig geklärt werden müssen, welche Unterfangungsarbeiten zur Errichtung des Bauvorhabens aus statischen Gründen notwendig seien und gegebenenfalls nachgenehmigt worden wären, weil es sich um eine einheitliche Baumaßnahme handele, die den Neubau und den Umbau des Bestandsgebäudes umfasse; wobei die Klägerin selbst einräumt, dass zum Teil Unterfangungsarbeiten noch nicht in den Bauausführungsunterlagen waren (Beschwerdebegründung S. 14). Auf die Notwendigkeit von Unterfangungsarbeiten unter dem Gesichtspunkt der Statik kommt es jedoch nach der bei der Beurteilung eines Verfahrensfehlers zugrunde zu legenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht an. Denn selbst wenn die Notwendigkeit der Arbeiten bejaht würde, wäre eine bautechnische Abweichung von den genehmigten Entwurfsplänen nicht von der Baugenehmigung gedeckt (UA S. 14). Maßgeblich ist danach nur die Baugenehmigung mit den dazugehörigen Bauvorlagen, denen das Berufungsgericht entnommen hat, dass darin nur der Bestand des Altbaus eingezeichnet ist (UA S. 13). Dass das Berufungsgericht der sachverständigen Unterstützung beim "Lesen" der Bauvorlagen bedurft hätte, behauptet auch die Klägerin nicht; sie wendet sich letztlich nur gegen die Schlussfolgerung des Gerichts, dass die streitigen Unterfangungsarbeiten am Altbau daher - weil nur der Bestand des Altbaus eingezeichnet sei - keine Maßnahmen waren, die der Ausführung der hier maßgeblichen Baugenehmigung dienten. Auch soweit die Klägerin auf Arbeiten im Dachgeschoss verweist und geltend macht, es handele sich um eine einheitliche Maßnahme (Beschwerdebegründung S. 17), bzw. hinsichtlich der Entwässerungsanlage meint, die neue Anlage sei notwendiger Bestandteil des geplanten Vorhabens (Beschwerdebegründung S. 16), wendet sie sich nur gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass allein die Bauvorlagen maßgeblich sind.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 16.10.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 7 A 696/07