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BVerwG - Entscheidung vom 19.05.2009

4 BN 1.09

Normen:
BauGB § 136 Abs. 1
BauGB § 142 Abs. 4

BVerwG, Beschluss vom 19.05.2009 - Aktenzeichen 4 BN 1.09

DRsp Nr. 2009/14029

Voraussetzungen der Einbeziehung eines Grundstücks in eine sog. Funktionsschwächesanierung; Verpflichtung der Stadt als Sanierungsträgerin zur Erhebung von Ausgleichsbeträgen zur Abschöpfung der erwarteten erheblichen sanierungsbedingten Werterhöhungen auf einzelne Grundstücke; Voraussetzungen für den Erlass einer Sanierungssatzung

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

BauGB § 136 Abs. 1 ; BauGB § 142 Abs. 4 ;

Gründe:

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

1.

Die Beschwerde wirft zur Abgrenzung des Sanierungsgebiets die Fragen auf:

"Gilt der von der Rechtsprechung anerkannte weite Gestaltungsspielraum nur für die Einbeziehung einzelner Grundstücke, auch einer Vielzahl einzelner Grundstücke in den Geltungsbereich einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme, oder gilt sie auch für Einbeziehung eines gesamten Gebietes, in dem die Gemeinde keine Maßnahmen der städtebaulichen Sanierung in Betracht zieht?

Unterstellt, die Einbeziehung nicht nur einzelner Grundstücke, sondern eines abgrenzbaren Gebietes, in dem die Gemeinde keine Sanierungsmaßnahmen durchführen will, wäre zulässig, reicht es dann für die Bejahung der Zweckmäßigkeit aus, dass mit der Einbeziehung des Gebietes in den Geltungsbereich der Sanierungssatzung bereits bauleitplanerisch ausgeschlossene Einzelhandelsentwicklung zusätzlich auch mit dem Mittel der Versagung der sanierungsrechtlichen Genehmigung unterbunden werden kann?"

Aus diesen Fragestellungen ergeben sich keine Gründe für die Zulassung der Revision. Denn die Beschwerde legt eine Prämisse zugrunde, die mit den tatsächlichen Feststellungen des Normenkontrollgerichts nicht im Einklang steht und daher auch in einem Revisionsverfahren nicht zugrunde zu legen wäre.

Entgegen der Annahme der Beschwerde ist das Oberverwaltungsgericht nicht davon ausgegangen, dass von der Antragsgegnerin für das betroffene Gebiet Auelsweg Süd, in dem u.a. die Grundstücke der Antragstellerin liegen, keine Maßnahmen der städtebaulichen Sanierung in Betracht gezogen werden. Das Oberverwaltungsgericht verneint zwar für den Bereich Auelsweg Süd städtebauliche Missstände hinsichtlich der Substanz, bejaht jedoch Missstände hinsichtlich der Funktionsfähigkeit (UA S. 29, 40). Diese Feststellung bezieht sich nicht nur auf den Bereich Auelsweg Nord, sondern auf das gesamte Gebiet; maßgeblich sei nach den Vorstellungen der Antragsgegnerin für die dem Gebiet zugedachte Funktion, dass das gesamte Areal zu einem Dienstleistungs- und Technologiegebiet entwickelt werden soll (UA S. 29 f.). Der Missstand im Bereich Auelsweg Süd bestehe in der von der Machbarkeitsstudie und dem Einzelhandelsgutachten belegten und sich ohnehin aufdrängenden Gefahr einer weiteren ungeordneten Entwicklung des Einzelhandels (UA S. 40). Zur Behebung dieser Funktionsschwäche strebt die Antragsgegnerin eine Verlagerung von Einzelhandelsbetrieben aus dem Bereich Auelsweg Süd in den näher zur Innenstadt liegenden und durch die Aufgabe von Betrieben und die vorzunehmende Veränderung zur Verfügung stehenden Bereich Auelsweg Nord an (UA S. 6). Das Oberverwaltungsgericht kommt ferner zu dem Ergebnis, dass auch, wenn dieses Ziel nicht erreichbar sein sollte, das mit der Sanierung verfolgte Konzept schon dann gewährleistet sei, wenn sich der zentrenrelevante Einzelhandel im Bereich Auelsweg Süd nicht (wesentlich) über den Bestand hinaus entwickele (UA S. 32). Dass es sich bei diesem Ziel um Veränderungen handelt, die - wie häufig bei einer städtebaulichen Sanierung - ein Zusammenwirken mit den Grundstückseigentümern voraussetzen, ändert nichts daran, dass es sich um Maßnahmen zur Behebung der Funktionsschwäche dieses Gebietes handelt.

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich das Oberverwaltungsgericht stützt und auf die auch die Beschwerde Bezug nimmt, geklärt, dass ein Grundstück auch dann in ein förmlich festgelegtes Sanierungsgebiet einbezogen werden kann, wenn auf ihm selbst keine Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Das ist insbesondere bei der sog. Funktionsschwächesanierung (vgl. § 136 Abs. 3 Nr. 3 BauGB ) der Fall ( Beschluss vom 16. Januar 1996 - BVerwG 4 B 69.95 - BRS 58 Nr. 243). Wie viele Grundstücke zur Verwirklichung der Funktionsschwächesanierung in den Geltungsbereich der Satzung einzubeziehen sind, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und entzieht sich rechtsgrundsätzlicher Klärung.

Soweit die Beschwerde im Rahmen ihrer Fragestellung darauf hinweist, dass durch den Erlass einer Sanierungssatzung das Erfordernis einer sanierungsrechtlichen Genehmigung zu demjenigen einer Baugenehmigung hinzutreten kann, ist zur Klarstellung hervorzuheben, dass der Erlass einer Sanierungssatzung und eines Bebauungsplans für dasselbe Gebiet vom Gesetzgeber als der Regelfall und nicht als für sich genommen besonderer Rechtfertigung bedürftig angesehen wird (vgl. u.a. § 140 Nr. 4 BauGB ). Entscheidend ist vielmehr, ob die besonderen Voraussetzungen für den Erlass einer Sanierungssatzung vorliegen; dies hat das Oberverwaltungsgericht eingehend begründet (vgl. insbesondere u.a. S. 28 zu den Voraussetzungen sowie u.a. S. 32 - 35 zum qualifizierten öffentlichen Interesse i.S.v. § 136 Abs. 1 BauGB ). Wenn diese vorliegen, können die Bestimmungen des städtebaulichen Sanierungsrechts nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zu denjenigen des allgemeinen Bauplanungsrechts hinzutreten; beide stellen sich jeweils ergänzende Regelungen von Inhalt und Schranken des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.

2.

Auch die Frage,

"ob in Fällen erwarteter erheblicher sanierungsbedingter Werterhöhungen auf einzelnen Grundstücken und gleichzeitiger unterschiedlicher sanierungsbedingter Bodenwertentwicklungen im Sanierungsgebiet oder ggf. auch unabhängig hiervon die Stadt als Sanierungsträgerin nicht regelmäßig verpflichtet ist, Ausgleichsbeträge zu erheben um diese ausschließlich auf der Aussicht auf die Sanierung beruhenden Wertentwicklungen abzuschöpfen,"

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Beschwerde strebt ersichtlich die rechtsgrundsätzliche Aussage an, Gemeinden seien regelmäßig verpflichtet, die Anwendung der Vorschriften des Dritten Abschnitts nicht nach § 142 Abs. 4 BauGB auszuschließen. Sie legt jedoch nicht dar, inwiefern es in einem Revisionsverfahren auf eine derartige allgemeine Aussage ankäme, insbesondere welche Schlussfolgerungen sich daraus für den vorliegenden Fall ziehen ließen. Hinzu kommt, dass im Revisionsverfahren von den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszugehen wäre, wonach die Antragsgegnerin hinsichtlich des nach Größe und Lage bedeutendsten Teils des Geltungsbereichs der Satzung davon ausgehen durfte, sie könne die dortigen Flächen auf freiwilliger Basis erwerben. Im Übrigen spricht bereits der Gesetzeswortlaut dagegen, eine derartige allgemeine Aussage aufzustellen. Denn nach § 142 Abs. 4 BauGB ist die Anwendung der Vorschriften des Dritten Abschnitts auszuschließen, wenn sie für die Durchführung der Sanierung nicht erforderlich ist und die Durchführung hierdurch voraussichtlich nicht erschwert wird. Die somit maßgeblichen Kriterien der Erforderlichkeit sowie der fehlenden Erschwernis entziehen sich der von der Antragstellerin angestrebten Verallgemeinerung.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 23.10.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 7 D 37/07