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BVerwG - Entscheidung vom 09.03.2009

3 B 8.09

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2

Fundstellen:
DVBl 2009, 795
DÖV 2009, 547
NVwZ-RR 2009, 611

BVerwG, Beschluss vom 09.03.2009 - Aktenzeichen 3 B 8.09

DRsp Nr. 2009/8165

Vermögenszuordnungsrecht: Beendigung der Existenz der Gemeinden in der DDR spätestens mit Inkrafttreten des Gesetzes über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Juli 1952; Restitution eines Grundstücks nach den Vorschriften des Einigungsvertrags; "Wegfall der Privatautonomie einer kommunalen Gebietskörperschaft"

Die Existenz der Gemeinden in der DDR als selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts endete spätestens mit Inkrafttreten des Gesetzes über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Juli 1952 (GBl DDR S. 613).

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. November 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 ;

Gründe:

Die klagende Stadt begehrt die Restitution eines Grundstücks nach den Vorschriften des Einigungsvertrags. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil sie keine Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei, bevor es in Volkseigentum überführt worden sei; auf der Grundlage des am 27. Januar 1953 abgeschlossenen Vertrages, mit der sie das Grundstück eingetauscht habe, habe sie kein Eigentum mehr erwerben können, weil sie zu diesem Zeitpunkt als eigenständige juristische Person nicht mehr existent gewesen sei.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, noch liegt die behauptete Abweichung des angegriffenen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor.

1.

Die Klägerin hält für klärungsbedürftig,

wann der "Wegfall der Privatautonomie einer kommunalen Gebietskörperschaft" aufgrund des Gesetzes über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Juli 1952 erfolgt ist,

und trägt dazu vor, dass - anders als bezüglich der Bezirke und Kreise - eine Umsetzung des Gesetzes auf kommunaler Ebene erst Jahre später und daher erst nach dem maßgeblichen Tauschvertrag stattgefunden habe.

Der geltend gemachte Klärungsbedarf besteht nicht. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Gemeinden in der DDR mit Inkrafttreten des Gesetzes vom 23. Juli 1952 (GBl DDR S. 613) als selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts zu existieren aufgehört haben (Urteil vom 13. März 1997 - BVerwG 3 C 14.96 - Buchholz 428.2 § 1a VZOG Nr. 6; Urteil vom 15. Juli 1999 - BVerwG 3 C 12.98 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 23; Urteil vom 30. September 1999 - BVerwG 3 C 35.98 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 24; Beschluss vom 21. November 2002 - BVerwG 3 B 120.02 - Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 46). Diese Annahme wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht ernstlich in Frage gestellt, so dass offenbleiben kann, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie überhaupt einer auf Fragen des revisiblen Rechts beschränkten Grundsatzrüge zugänglich ist.

Zwar trifft es zu, dass das Gesetz vom 23. Juli 1952 förmlich zunächst nur hinsichtlich der Bezirke und Kreise umgesetzt wurde (vgl. Ordnung für den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Bezirke vom 24. Juli 1952 <GBl DDR S. 621> sowie Ordnung für den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Kreise vom 24. Juli 1952 <GBl DDR S. 623>), während das Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht, mit dem diese Entwicklung in den Gemeinden förmlich abgeschlossen wurde, erst vom 17. Januar 1957 (GBl DDR I S. 65) datiert. Es ist jedoch verfehlt, daraus den Schluss zu ziehen, die Gemeinden seien bis zu diesem Zeitpunkt noch selbständige Verwaltungsträger gewesen; denn eine solche, allein an den seinerzeitigen Normbestand anknüpfende Sichtweise unterstellt rechtsstaatliche Verhältnisse und wird damit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht annähernd gerecht. Betrachtet man die Rechtswirklichkeit, so besteht Einigkeit darüber, dass spätestens mit Erlass des Gesetzes vom 23. Juli 1952 die Gemeinden nicht mehr als selbständige Gebietskörperschaften, sondern nur noch als Territorien des Einheitsstaates angesehen wurden (vgl. Mampel, Die Verfassung der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, 2. Auflage, Art. 139 Erläuterungen 2 und 3; Bernet, Zur landes- und kommunalrechtlichen Entwicklung in der DDR, S. 16; Brunner, Einführung in das Recht der DDR, 2. Auflage, S. 21), und zwar "spätestens" deswegen, weil die Aushöhlung der Selbstverwaltung der Gemeinden und Kreise bereits in der Besatzungszeit eingesetzt hatte und trotz der in Art. 139 der DDR-Verfassung des Jahres 1949 aufgenommenen Selbstverwaltungsgarantie ungehindert ihren Fortgang nahm (vgl. Mampel a.a.O., m.w.N.). Gleichzeitig mit dem Gesetz vom 23. Juli 1952, mit dem in Anlehnung an das sowjetische Führungsmodell ein zentralistischer Staats- und Verwaltungsapparat geschaffen wurde, wurden die Restbestände der kommunalen Selbstverwaltung abgeschafft (vgl. Brunner a.a.O.); die Gemeinden wurden entsprechend den Organisationsprinzipien des demokratischen Sozialismus zu Grundeinheiten der einheitlichen Staatsmacht. Die im deutschen öffentlichen Recht vorgenommene Unterscheidung von Staats- und Selbstverwaltungsorganen entfiel; die Kommunen bildeten ebenso wie die Bezirke und Kreise Organe, die seit 1952 durchgängig als örtliche Staatsorgane bezeichnet wurden (vgl. Bernet a.a.O.). Von einer Eigenständigkeit der Gemeinden konnte - ungeachtet der erst späteren formalrechtlichen Umsetzung des "demokratischen Zentralismus" auf Gemeindeebene - jedenfalls zu dieser Zeit keine Rede mehr sein.

2.

Die von der Klägerin gerügte Abweichung des angegriffenen Urteils von dem Urteil des Senats vom 13. März 1997 (a.a.O.) liegt nicht vor. Die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe den in der Entscheidung des Senats aufgestellten Rechtssatz, auch ein durch einen Eintragungsantrag beim Grundbuchamt entstandenes Anwartschaftsrecht sei restituierbar, missachtet. Dies trifft nicht zu. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht sich auf den Standpunkt gestellt, die Gemeinde sei bereits vor Abschluss des Tauschvertrages nicht mehr als eigenständige Person existent gewesen, so dass sie bei dem notwendigerweise nachgelagerten Vollzug dieses Vertrages kein Eigentum mehr habe erwerben können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.

Vorinstanz: VG Berlin, vom 12.11.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 27 A 391/01
Fundstellen
DVBl 2009, 795
DÖV 2009, 547
NVwZ-RR 2009, 611