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BVerwG - Entscheidung vom 26.05.2009

3 B 29.09

Normen:
FeV § 28 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 26.05.2009 - Aktenzeichen 3 B 29.09

DRsp Nr. 2009/14034

Ungültigkeit einer Fahrerlaubnis vom Tag der Ausstellung an bei Eintragung eines deutschen Wohnsitzes in dem in der Tschechischen Republik ausgestellten Führerschein; Vereinbarkeit der Überprüfung der Eignungsvoraussetzungen mit dem Territorialitätsprinzip und dem Gesichtspunkt des gegenseitigen Vertrauens innerhalb der Europäischen Union; Rückschluss auf die mangelnde Eignung des Inhabers einer in der Tschechischen Republik unter offensichtlichem Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erteilten Fahrerlaubnis aus der Nichtvorlage eines angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

FeV § 28 Abs. 1 ;

Gründe:

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ( § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) gestützte Beschwerde des Klägers, der von einer ihm in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch machen will, bleibt ohne Erfolg. Die erforderlichen Zulassungsvoraussetzungen werden nicht entsprechend den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargetan oder sie liegen nicht vor.

Dem Kläger, dem bereits zweimal die Fahrerlaubnis entzogen worden war, wurde aufgrund eines negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens deren Neuerteilung im Bundesgebiet versagt. Von 1991 bis 1995 wurde er mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Im Januar 2005 erwarb der Kläger in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis der Klasse B; im dort ausgestellten Führerschein ist sein Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland angegeben. Im Dezember 2006 erkannte der Beklagte dem Kläger nach Aufhebung einer ersten Aberkennungsentscheidung vom Januar 2006 erneut das Recht ab, von dieser Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Seine Klage und seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil blieben insoweit ohne Erfolg.

1.

Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Kläger zum einen die Frage, ob die Eintragung eines deutschen Wohnsitzes in dem in der Tschechischen Republik ausgestellten Führerschein zur Ungültigkeit der Fahrerlaubnis vom Tag der Ausstellung an führe oder ob es einer Einzelfallprüfung bedürfe. Diese Frage würde sich in dieser Form in einem Revisionsverfahren jedoch nicht stellen, soweit sie sich stellt, ist sie revisionsgerichtlich bereits beantwortet. Die Frage zielt auf die Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 22. Dezember 2006, soweit der Beklagte dem Kläger damit das Recht aberkannt hat, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Diese Entscheidung legt sich aber, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, Wirkung erst ab dem Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe bei. Insoweit stellt sich die Frage einer Rückwirkung bis zum Tage der Ausstellung des Führerscheins nicht. Im Übrigen hat der Senat mit seinen Urteilen vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 3 C 26.07 (DAR 2009, 212 ) und BVerwG 3 C 38.07 (ZfSch 2009, 233) - geklärt, dass einer solchen Aberkennungsentscheidung und einer ihr vorgelagerten Eignungsüberprüfung nicht entgegensteht, dass die in einem anderen Mitgliedstaat unter offensichtlichem Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erteilte Fahrerlaubnis im Bundesgebiet möglicherweise nach § 28 Abs. 4 FeV ohnehin nicht galt. Hierzu hat der Senat ausgeführt (vgl. a.a.O. Rn. 23 ff. bzw. Rn. 20 ff.):

"Der Beklagte war an einer förmlichen Aberkennung des Rechts, von der EU-Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, nicht dadurch gehindert, dass im Falle des Klägers deren Geltung im Inland möglicherweise bereits nach § 28 Abs. 4 FeV ausgeschlossen war.

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 in der Bundesrepublik Deutschland haben, - vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 - im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Gemäß Absatz 4 Nr. 2 gilt die Berechtigung nach Absatz 1 nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Nach Absatz 4 Nr. 3 gilt die Berechtigung nach Absatz 1 ferner nicht für Fahrerlaubnisinhaber, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben.

Im Hinblick auf die Auslegung, die der gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsgrundsatz bis dahin in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gefunden hatte (vgl. unten, Abschnitt d), konnte der Beklagte nicht mit Gewissheit davon ausgehen, dass er dem Kläger die in § 28 Abs. 4 FeV geregelten Ausnahmen von der Geltung einer EU-Fahrerlaubnis entgegenhalten durfte. Gleichwohl musste er sicherstellen, dass der Kläger, sollte sich seine fehlende Eignung erweisen, in Deutschland kein Kraftfahrzeug würde führen dürfen. Ausgehend davon war es dem Beklagten nicht verwehrt, in Übereinstimmung mit dem Kläger die Geltung der tschechischen Fahrerlaubnis im Inland zu unterstellen und ein förmliches Aberkennungsverfahren durchzuführen. Dabei war er an die rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Verfahrens gebunden, zu denen insbesondere der Nachweis fehlender Eignung gehört. Demgegenüber kann der Kläger sich nicht darauf berufen, dass die Klärung von Eignungszweifeln mit von ihm zu tragenden Kosten verbunden ist; denn er ist es, der sich der Geltung seiner tschechischen Fahrerlaubnis auch im Inland berühmt."

Weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf ( § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ). Soweit der Kläger geltend macht, die Verwaltungsbehörde habe ihr "Zugriffsrecht" ermessensfehlerfrei auszuüben, ergibt sich aus § 3 Abs. 1 und 2 StVG sowie § 46 Abs. 1 und 5 FeV eindeutig, dass der Fahrerlaubnisbehörde insoweit gerade kein Ermessen zusteht. Dem Betroffenen ist hiernach bei fehlender Eignung das Recht zum Gebrauchmachen von der ausländischen Fahrerlaubnis zwingend abzuerkennen.

2.

Darüber hinaus stellt sich aus Sicht des Klägers die Frage, wie die Überprüfung der Eignungsvoraussetzungen mit dem Territorialitätsprinzip und dem Gesichtspunkt des gegenseitigen Vertrauens innerhalb der Europäischen Union in Einklang zu bringen sei. Auch diese Frage wurde in den genannten Urteilen des Senats vom 11. Dezember 2008 aber bereits geklärt; sie rechtfertigt die begehrte Revisionszulassung daher nicht. In den damaligen Fällen hatte die Fahrerlaubnisbehörde aus der Nichtvorlage des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens jeweils auf die mangelnde Eignung des Inhabers einer in der Tschechischen Republik unter offensichtlichem Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erteilten Fahrerlaubnis geschlossen und dem Betroffenen deshalb das Recht aberkannt, im Bundesgebiet von dieser Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Der Senat hat hierzu klargestellt, dass der gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsgrundsatz dieser Fahrerlaubnisentziehung und der ihr vorangegangenen Eignungsüberprüfung nicht entgegenstand, nachdem die Voraussetzungen vorlagen, unter denen der Aufnahmemitgliedstaat nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ( Urteile vom 26. Juni 2008 - Rs. C-329/06 und C-343/06, Wiedemann u.a. - NJW 2008, 2403, Rn. 52 f. und - Rs. C-334/06 bis C-336/06, Zerche u.a., Rn. 49 f.) berechtigt ist, die Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis zu verweigern. Genauso liegt es im Fall des Klägers, in dessen in der Tschechischen Republik ausgestellten Führerschein ebenfalls ein Wohnsitz in Deutschland eingetragen ist. Soweit der Kläger seine Zweifel auf das Territorialitätsprinzip und den Gesichtspunkt des gegenseitigen Vertrauens stützt, kann sich daraus schon deshalb nichts anderes ergeben, weil der gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsgrundsatz an diese Grundsätze gerade anknüpft.

3.

Schließlich stellt der Kläger darauf ab, dass der Beklagte seine erste Aberkennungsentscheidung vom 18. Januar 2006 nachträglich wieder aufgehoben habe, womit er die Fahrerlaubnis konkludent anerkannt habe und woraus wiederum auf die Anwendbarkeit der Rücknahmevoraussetzungen zu schließen sei. Doch greift er damit lediglich spezifische Besonderheiten des konkreten Einzelfalles auf. Dagegen wird eine grundsätzliche, also über den Einzelfall gerade hinausreichende Rechtsfrage nicht herausgearbeitet ( § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO ; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 16.02.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 16 A 1397/08