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BVerwG - Entscheidung vom 13.05.2009

4 B 6.09

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2
LuftVG § 27d Abs. 3

BVerwG, Beschluss vom 13.05.2009 - Aktenzeichen 4 B 6.09

DRsp Nr. 2009/13247

Rechtmäßigkeit der Zurückweisung einer Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision aufgrund mangelnder rechtsgrundsätzlicher Bedeutung bzgl. der Auslegung von § 27d Abs. 3 Luftverkehrsgesetz ( LuftVG )

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 599 918,50 EUR festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 ; LuftVG § 27d Abs. 3 ;

Gründe:

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

1.

Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

1.1

Die Klägerin wirft die Frage auf,

  ob es sich bei § 27d Abs. 3 LuftVG nur um eine durch Vertrag ausfüllungsbedürftige Rahmenregelung oder um eine selbstständig anwendbare Anspruchsgrundlage handelt. 

Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, da sie zum Teil nicht entscheidungserheblich ist und sich im Übrigen auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt.

Nach § 27d Abs. 3 LuftVG werden die sich aus der Erfüllung der Pflichten nach § 27d Abs. 2 LuftVG ergebenden Selbstkosten den Flugplatzunternehmern von der für die Flugsicherung zuständigen Stelle erstattet. Bereits der Wortlaut, ebenso aber der Zusammenhang der Regelung machen deutlich, dass es sich im Sinne der Fragestellung der Beschwerde um eine selbstständige Anspruchsgrundlage handelt. Dies sieht auch die Klägerin nicht anders. Sie unterstellt jedoch einen Gegensatz zu einer durch Vertrag ausfüllungsbedürftigen Rahmenregelung, von dem der Verwaltungsgerichtshof nicht ausgegangen ist und zieht unzutreffende Schlussfolgerungen aus dem Begriff "Rahmenregelung". Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht davon ausgegangen, dass § 27d LuftVG als Anspruchsgrundlage ausscheidet, sondern hat sowohl ("in erster Linie") auf die zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Regelungen als auch ("erst in zweiter Hinsicht") auf die gesetzliche Regelung abgestellt (UA S. 7) und dabei - wie auch die Beschwerde erkennt (Beschwerdebegründung Rn. 104) - die vertraglichen Regelungen auf ihre Vereinbarkeit mit der gesetzlichen Regelung überprüft (UA S. 8). Insbesondere ist der Verwaltungsgerichtshof nicht davon ausgegangen, dass die Beteiligten vertragliche Vereinbarungen "treffen müssen" (Beschwerdebegründung Rn. 39).

Die Regelung in § 27d LuftVG schließt ergänzende und konkretisierende vertragliche Vereinbarungen nicht aus. Sie bestimmt - wie dies das Bundesverwaltungsgericht noch für die anders formulierte Vorgängerregelung (§ 9 BFSG) angenommen hatte (Urteil vom 19. August 1988 - BVerwG 4 C 47.86 - Buchholz 442.40 § 29a LuftVG Nr. 1) - die Verpflichtungen der Flughafenunternehmer und der damaligen Bundesanstalt für Flugsicherung auch nicht "in ungewöhnlich detaillierter Weise". Daher kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Art und Weise der Mitwirkung der Flughafenunternehmer selbst erschöpfend regeln und begrenzen wollte. Vielmehr bleibt Raum für ergänzende vertragliche Vereinbarungen, die sich auf § 54 VwVfG stützen können, der im genannten Senatsurteil vom 19. August 1988 - BVerwG 4 C 47.86 - (a.a.O.) noch nicht anwendbar war. Daraus folgt indes nicht, dass § 27d Abs. 3 LuftVG ohne begleitenden Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht käme. Dies hat auch der Verwaltungsgerichtshof nicht anders erkannt. Seine Formulierung (UA S. 8), § 27d Abs. 2 und 3 LuftVG enthalte "nur eine Rahmenregelung", die "vertraglicher Ergänzung geradezu bedarf, um überhaupt anwendbar zu werden", stellt nur die rechtlichen Probleme heraus, die entstehen, wenn es nicht zu einer vertraglichen Vereinbarung gekommen ist. Dagegen nimmt der Verwaltungsgerichtshof nicht an, dass beim Fehlen ergänzender vertraglicher Vereinbarungen kein Erstattungsanspruch nach § 27d Abs. 3 LuftVG bestehen kann. Im Übrigen wäre eine derartige Aussage auch nicht entscheidungserheblich, da hier eine vertragliche Vereinbarung vorliegt, auf die der Verwaltungsgerichtshof sich auch stützt.

1.2

Auch die Frage,

  ob die Beseitigung eines zunächst für Flugsicherungszwecke errichteten Gebäudes auch dann Teil der Pflichtenerfüllung nach § 27d Abs. 2 LuftVG als Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nach § 27d Abs. 3 LuftVG ist, wenn die Flugsicherungsstelle die - objektiv erforderliche - Beseitigung des nach Aufgabe dieser Nutzung nicht anderweitig nutzbaren Gebäudes nicht gesondert verlangt hat, 

führt nicht zur Zulassung der Revision. Dasselbe gilt für die in diesem Zusammenhang zuvor (Rn. 46 f. der Beschwerdebegründung) noch abstrakter formulierten Fragen.

Nach § 27d Abs. 2 LuftVG sind die Flugplatzunternehmer auf Verlangen der für die Flugsicherung zuständigen Stelle unter anderem im erforderlichen Umfang verpflichtet, die baulichen und räumlichen Voraussetzungen für Zwecke der Flugsicherung zu schaffen und zu erhalten. Ob und in welcher Weise in den nach § 27d Abs. 3 LuftVG von der für die Flugsicherung zuständigen Stelle hierfür zu erstattenden Selbstkosten auch die Kosten eines späteren Abrisses eines Gebäudes - hier des Kontrollturms - einzubeziehen sind, regelt der Wortlaut des Gesetzes nicht ausdrücklich. Der Abriss eines Kontrollturms, von dem aus die Aufgaben der Flugsicherung nicht mehr wahrgenommen werden können, weil nicht mehr alle erforderlichen Sichtbeziehungen gewährleistet sind ( VGH , UA S. 2), stellt für sich genommen allerdings keine "Schaffung" der baulichen Voraussetzungen für Zwecke der Flugsicherung im Sinne von § 27d Abs. 2 LuftVG dar. Dagegen mag der spätere Abriss eines für Zwecke der Flugsicherung nicht mehr geeigneten Kontrollturms im Rahmen der nach § 27d Abs. 3 LuftVG zu erstattenden Selbstkosten und einer darin enthaltenen angemessenen Abschreibung kalkulatorisch zu berücksichtigen sein. Ob über diese allgemeinen Aussagen hinaus die Beantwortung der von der Klägerin aufgeworfenen Frage in rechtsgrundsätzlicher Weise überhaupt möglich ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls im vorliegenden Verfahren stützt der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung auf mehrere Besonderheiten des Einzelfalls, die sich einer grundsätzlichen Klärung entziehen. Zum einen ist der Kontrollturm bereits im Jahre 1967 und damit noch unter der Geltung des § 9 BFSG errichtet worden (UA S. 9), der eine andere Verteilung der Kosten vorsah (u.a. Unterscheidung nach der Sicherung des Start- und Landevorgangs einerseits und der Streckensicherung andererseits). Zum anderen haben die Beteiligten vorliegend eine die gesetzlichen Regelungen ergänzende Vereinbarung abgeschlossen, auf die der Verwaltungsgerichtshof maßgeblich abstellt (UA S. 10). Ferner begründet die Vorinstanz ihre Entscheidung damit, dass die Klägerin den Kontrollturm im Jahre 1994 übernommen und damit zu erkennen gegeben hat, dass sie den Turm für eigene Zwecke weiter nutzen wollte (UA S. 9). Schließlich stellt das Gericht darauf ab, dass die Klägerin erst Jahre nach der förmlichen Übernahme des Turms den Entschluss gefasst hat, ihn abzureißen, nachdem sich dessen zunächst beabsichtigte Nutzung offenbar nicht hat realisieren lassen (UA S. 11).

1.3

Die Frage,

  ob durch eine vertragliche Regelung der gesetzliche Kostenerstattungsanspruch nach § 27d Abs. 3 LuftVG ausgeschlossen werden kann, 

gebietet ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn der Verwaltungsgerichtshof ist nicht davon ausgegangen, dass vorliegend durch eine vertragliche Regelung der gesetzliche Kostenerstattungsanspruch nach § 27d Abs. 3 LuftVG ausgeschlossen worden ist. Im Übrigen wurde oben bereits dargestellt, dass neben der Regelung in § 27d Abs. 2 und 3 LuftVG ergänzende vertragliche Regelungen möglich und zulässig sind.

1.4

Die Frage,

  ob eine bauliche Maßnahme zur Schaffung einer Flugsicherungseinrichtung auch dann Teil der Pflichtenerfüllung nach § 27d Abs. 2 LuftVG ist, wenn sich die Notwendigkeit der Maßnahme ausschließlich aus unternehmerisch bestimmten Erweiterungsplanungen des Flugplatzunternehmers ergibt, 

würde sich in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn der Verwaltungsgerichtshof begründet seine Entscheidung nicht allein damit, dass die Errichtung des Frachtzentrums West durch die Klägerin die Sicht vom streitbefangenen Kontrollturm auf das Vorfeld und das Landebahnsystem beeinträchtigt hat, sondern mit einer Reihe von (weiteren) Besonderheiten (vgl. hierzu bereits unter 1.2). Außerdem stehen die Kosten des Abrisses eines vorhandenen, jedoch nicht mehr geeigneten Kontrollturms im Streit, nicht jedoch die Kosten für die Errichtung neuer Flugsicherungseinrichtungen. Umso weniger bietet das vorliegende Verfahren Gelegenheit, rechtsgrundsätzliche Fragen zu klären, die sich allgemein bei durch Erweiterungsplanungen des Flugplatzunternehmers erforderlich werdenden Flugsicherungseinrichtungen stellen.

1.5

Mit der Frage,

  ob der Flugplatzunternehmer nach § 9 Abs. 3 Satz 4 BFSG bei der Bemessung der angemessenen Miete für einen der Flugsicherung zur Verfügung gestellten Kontrollturm die Kosten der Errichtung dieses Kontrollturms berücksichtigen konnte, 

wird schließlich außerdem die Auslegung ausgelaufenen Rechts angesprochen. Die besonderen Voraussetzungen für die grundsätzliche Klärung auslaufenden Rechts legt die Beschwerde jedoch nicht dar (vgl. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom 27. Februar 1997 - BVerwG 5 B 155.96 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 15). Dies wäre umso mehr geboten, nachdem der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, ob es die Revision zulassen soll, ausgeführt hat, es handele sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um den einzigen, der wegen entsprechender Erstattungsforderungen anhängig sei (UA S. 14).

2.

Die weiteren Grundsatz- und Divergenzrügen betreffen Überlegungen, die der Verwaltungsgerichtshof nur zusätzlich und hilfsweise angestellt hat (Verwirkung des Anspruchs, Möglichkeit eines Vorgehens nach § 18a LuftVG ) und auf denen das angegriffene Urteil nicht beruht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: VGH Hessen, vom 30.10.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 8 UE 807/07