Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 19.02.2009

8 C 11.08

Normen:
VermG § 1 Abs. 1
VermG § 5 Abs. 1

Fundstellen:
DVBl 2009, 1171

BVerwG, Urteil vom 19.02.2009 - Aktenzeichen 8 C 11.08

DRsp Nr. 2009/8686

Recht der offenen Vermögensfragen: Auskehr eines Erlöses aus dem Verkauf von vier Eigentumswohnungen in einem Mehrfamilienhaus; Bestehendes "öffentliches Interesse" i.S. eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals als Voraussetzung für den Restitutionsausschlussgrund gem. § 5 Abs. 1 Buchst. c Vermögensgesetz (VermG)

Ein bestehendes "öffentliches Interesse" im Sinne eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals ist nicht Voraussetzung für den Restitutionsausschlussgrund gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).

Tenor:

Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. November 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Gera wird aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Normenkette:

VermG § 1 Abs. 1; VermG § 5 Abs. 1;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Auskehr des Erlöses aus dem Verkauf von vier Eigentumswohnungen in dem Mehrfamilienhaus A... in H.

Die Klägerinnen waren zu jeweils 1/12 Miteigentümerinnen des zunächst unbebauten, in H. gelegenen Grundstücks Flurstück 555/48. Nachdem die Klägerinnen die DDR ohne Beachtung der dortigen Meldevorschriften verlassen hatten, wurde 1953 ihr Vermögen, darunter auch die Miteigentumsanteile an dem Grundstück Flurstück 555/48, nach der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 mit Wirkung vom 1. Januar 1953 beschlagnahmt und entschädigungslos in Volkseigentum überführt. Rechtsträger der Miteigentumsanteile wurde der Rat der Stadt H. Die Eigentumsänderung wurde am 24. Juli 1953 im Grundbuch eingetragen. 1961 wurde das Grundstück Flurstück 555/48 in die Grundstücke Flurstück 48/1 (5 618 m²), Flurstück 48/3 (28 m²) und das streitbefangene Flurstück 48/2 (693 m²) trennvermessen, aus dessen ehemaligen Miteigentumsanteilen von je 1/12 die Klägerinnen ihre Rechte herleiten.

Das streitbefangene Grundstück wurde von der ehemaligen Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft "Fortschritt" auf der Grundlage des mit Wirkung vom 1. Oktober 1961 verliehenen Nutzungsrechts mit einem zweigeschossigen genossenschaftseigenem Wohngebäude (vier Wohnungen) bebaut. In der Umgebung wurden in den folgenden Jahren ein Schulgebäude mit Sportanlage, mehrgeschossige Wohnblöcke mit zum Teil Wäscheplätzen und Kinderspielplätzen sowie ein Hallenbad errichtet.

1990 beantragten die Klägerinnen u.a. die Rückübertragung ihrer jeweiligen 1/12 Miteigentumsanteile an dem Grundstück 48/2.

Ab 1994 veräußerte die Beigeladene die vier Wohnungen in der A... an Privatpersonen, nachdem das Hausgrundstück in Wohnungseigentum umgewandelt worden war. Die erforderlichen Grundstücksverkehrsgenehmigungen wurden erteilt. Die Käufer wurden als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Mit Teilbescheid vom 3. Dezember 2002 übertrug das staatliche Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. u.a. die vormaligen Bruchteile der Klägerinnen an dem streitbefangenen Grundstück (Flurstück 48/2) zurück. Die Klägerinnen seien Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes. Ihre Vermögensanteile seien entschädigungslos enteignet worden (§ 1 Abs. 1 Buchst. a VermG). Restitutionsausschlussgründe lägen nicht vor.

Gegen diesen Teilbescheid hat die Beigeladene Widerspruch eingelegt. Eine Rückübertragung sei nicht möglich, weil das Grundstück im komplexen Wohnungsbau errichtet worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2005 hob das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Nr. 1 des Teilbescheids vom 3. Dezember 2002 hinsichtlich der Entscheidung zum Grundstück A... in H. auf (Nr. 1) und lehnte die Rückübertragung der je 1/12 Miteigentumsanteile der Klägerinnen am Grundstück A... in H., Flurstück 48/2 (Nr. 2) ab. Die Klägerinnen seien Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes. Der Rückübertragung der Miteigentumsanteile stünde der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG entgegen. Das Gebiet, in dem das Grundstück Flurstück 48/2 belegen sei, sei im Rahmen einer großflächigen und zahlreiche Grundstücke umfassenden Planung und einer einheitlichen Bebauungskonzeption durch umfangreiche Baumaßnahmen in seinem Verwendungszeck verändert worden. Für den Verlust der Miteigentumsanteile stehe den Klägerinnen dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch zu.

Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. November 2007 erlassenem Urteil hat das Verwaltungsgericht Gera den Widerspruchsbescheid des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 29. Juli 2005 insoweit aufgehoben, als dieser den Teilbescheid des Staatlichen Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen M. vom 3. Dezember 2002 in Bezug auf die Rückübertragung von jeweils 1/12 Miteigentumsanteil des bebauten Flurstücks 48/2 (A... in H.) an die Klägerinnen zu 1 und 2 aufgehoben hat. Ferner wurde der Beklagte verpflichtet festzustellen, dass der auf diesen Vermögenswert bezogene Rückübertragungsanspruch der Klägerinnen infolge der Veräußerung des bebauten Flurstücks 48/2 untergegangen ist. Außerdem wurde der Beklagte verpflichtet, der Beigeladenen aufzugeben, an jede der Klägerinnen 1/12 des aus der Veräußerung des bebauten Flurstücks 48/2 erlangten Verlaufserlöses auszukehren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen (Zinsen, Erlösauskehr in Höhe des Verkehrswertes).

Zur Begründung wurde ausgeführt, den Klägerinnen stehe der geltend gemachte Anspruch, die aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen des streitbefangenen Grundstücks Flurstück 48/2 erzielten Erlöse im Umfang von je 1/12 auszukehren, zu. Sie seien bezüglich ihrer je 1/12 Miteigentumsanteile des streitbefangenen Flurstücks 48/2 Berechtigte. Dieser Punkt sei zwischen den Beteiligten unstreitig und durch den Teilbescheid vom 3. Dezember 2002 bestandskräftig festgestellt. Streitig sei allein, ob dem Begehren ein Restitutionsausschlussgrund entgegenstehe. Dies sei zu verneinen. Der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG greife nicht ein. Das Flurstück 48/2 sei durch die erfolgte Bebauung mit einem Vierfamilienhaus "mit erheblichem baulichem Aufwand in der Nutzungsart" verändert worden. Es fehle aber am "öffentlichen Interesse" an dem Fortbestand der Nutzung des Mehrfamilienhauses durch die Beigeladene. Die Wohnungen würden nicht in ihrem Bestand benötigt, um sie einem bestimmten Personenkreis (sozial Schwächere) zur Verfügung zu stellen. Der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG stehe dem geltend gemachten Erlösauskehranspruch gleichfalls nicht entgegen. Es könne offenbleiben, ob die Bebauung des Flurstücks 48/2 mit dem Mehrfamilienwohnhaus eine Verwendung im komplexen Wohnungsbau darstelle. Entscheidend sei auch insoweit, dass es an dem erforderlichen öffentlichen Interesse fehle. Dies sei bei den Ausschlusstatbeständen des § 5 Abs. 1 Buchst. b, c und d VermG ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal.

Die Beigeladene hat die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie beantragt im Revisionsverfahren,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor: Das Verwaltungsgericht habe § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG nicht richtig angewendet. Der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG erfordere nicht als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein "öffentliches Interesse". Auch sei der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG gegeben. Es sei nicht ersichtlich, auf welche Tatsache das Erstgericht seine Auffassung stütze, dass die Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften in Thüringen allgemein ihren Wohnungsbestand wegen erheblicher Leerstände zurückführten.

Der Beklagte stellt keinen Antrag und vertritt die Auffassung, das Verwaltungsgericht habe den Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG rechtsfehlerhaft verneint, indem es als unbeschriebenes Tatbestandsmerkmal das fehlende "öffentliche Interesse" an einem Restitutionsausschluss festgestellt habe.

Die Klägerinnen verteidigen das ergangene Urteil und beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

II

Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben.

Die Revision der Beigeladenen hat mit dem Ergebnis der Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht Erfolg (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ).

Das Verwaltungsgericht hat zwar die Voraussetzungen des Restitutionsausschlussgrundes gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen (1.). Das angefochtene Urteil verletzt aber mit seiner entscheidungstragenden Annahme, der Restitutionsausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG fordere das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal "öffentliches Interesse" am Fortbestand der Verwendung des streitbefangenen Grundstücks oder Gebäudes im komplexen Wohnungsbau oder Siedlungsbau Bundesrecht (2.). Da mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen derzeit nicht beurteilt werden kann, ob das gesetzliche Merkmal der Verwendung im komplexen Wohnungsbau erfüllt ist, ist die Sache an das Verwaltungsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen (3.).

1.

Das Verwaltungsgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass es den Klägerinnen nunmehr auf Auskehr des Erlöses aus dem Verkauf des Vierfamilienwohnhauses in H. gehe. Die Berechtigtenfeststellung der Klägerinnen im Sinne des § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG ist nach der zutreffenden Annahme des Verwaltungsgerichts durch den nicht angefochtenen Teilbescheid des Vermögensamts vom 3. Dezember 2002 bestandskräftig geworden.

Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass am Fortbestand der veränderten Nutzung des Vierfamilienwohnhauses kein öffentliches Interesse im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG mehr besteht, verstößt nicht gegen Bundesrecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind von vornherein solche Mietwohngrundstücke nicht von der Restitution ausgenommen, die unter Berücksichtigung ihres Zuschnitts und gemessen an der Einwohnerzahl der Gemeinde, in der sie gelegen sind, schlechterdings nicht erforderlich sein können, um Wohnbedürfnisse von sozial schwächer gestellten Einwohnern zu wahren. Das trifft vor allem bei Ein- oder Zweifamilienhäusern zu und kann insbesondere aber auch dann der Fall sein, wenn in größeren Gemeinden und Städten mit einem entsprechend großen kommunalen Wohnungsbestand Grundstücke mit nur wenigen Wohneinheiten beansprucht werden (Urteil vom 7. November 1996 - BVerwG 7 C 24.96 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 11). Das Verwaltungsgericht hat dazu festgestellt, dass die Beklagte bei 12 000 Einwohnern über ca. 1 500 Wohnungen im Stadtgebiet verfügt und sie damit überproportional viele Wohnungen im Vergleich zu anderen Kommunen vorhalte. Dieser außerordentlich hohe Wohnungsbestand sei ausreichend, um sozial schwächeren Personen Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Der Abgang von vier Wohnungen falle nicht erheblich ins Gewicht. Das gelte in Anbetracht der gerichtsbekannten Tatsache, dass die Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften in Thüringen allgemein ihren Wohnungsbestand wegen erheblicher Leerstände zurückführen, um so mehr.

Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO ). Die Revision rügt zwar in diesem Zusammenhang, das Verwaltungsgericht habe lediglich eine pauschale Aussage zur Wohnungssituation in H. getroffen. Dieser Einwand ist revisionsrechtlich unbeachtlich, weil die damit verbundene Rüge, die Vorinstanz habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, nicht ordnungsgemäß erhoben ist (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO ). Die Beigeladene hat nicht substantiiert dargelegt, welche Beweise sie angetreten hat oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht auch ohne förmlichen Beweisantrag hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären und welches Ergebnis von einer entsprechenden Beweisaufnahme zu erwarten gewesen wäre. Unabhängig davon muss bei der Prüfung von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG nicht einzelfallbezogen darauf abgestellt werden, ob beanspruchte Mietwohngrundstücke konkret für sozial schwächere Mieter vorzuhalten sind. Kommunen und kommunalen Unternehmen muss eine Verkaufsmasse zur Verfügung stehen, um ihren Wohnungsbestand "unter Berücksichtigung sozialer Belange" schrittweise in eine marktwirtschaftliche Wohnungswirtschaft zu überführen (Urteil vom 7. November 1996 a.a.O.).

2.

Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, der Restitutionsausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG setze als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für eine Verwendung im komplexen Wohnungsbau ein "öffentliches Interesse" voraus. Diese Auffassung verstößt gegen § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG.

Restitution kommt danach nicht in Betracht, wenn Grundstücke und Gebäude im komplexen Wohnungsbau oder Siedlungsbau verwendet wurden.

Ausgehend von dem gemeinsamen Zweck der Ausschlusstatbestände des § 5 Abs. 1 VermG, wonach bestimmte Veränderungen entzogener Grundstücke oder Gebäude im öffentlichen Interesse nicht mehr in Frage gestellt werden sollen, ist kennzeichnend für eine Verwendung von Grundstücken oder Gebäuden im komplexen Wohnungsbau, dass diese dauerhaft in eine planerische und städtebauliche Einheit eingebunden sind, welche in Umsetzung einschlägiger wohnungs- bzw. siedlungsbaulicher Vorschriften eine komplexe Vielzahl der Bebauung sowie sonstiger Nutzung aufweist; die so entstandene Einheit soll durch eine Herauslösung der zurückverlangten Grundstücke oder Gebäude nicht gefährdet oder zerstört werden (Urteile vom 1. Dezember 1995 - BVerwG 7 C 27.94 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 6 und vom 11. Januar 2001 - BVerwG 7 C 11.00 - Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 5). Die Zielrichtung des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG erschöpft sich nicht darin, die körperliche Herauslösung einzelner Grundstücke aus dem Verbund komplexer Wohnbebauung zu verhindern; vielmehr geht es um den Schutz des komplexen Wohnungsbaues als solchen. Dessen Erhalt sieht der Gesetzgeber nicht nur als gefährdet an, wenn der entstandene städtebauliche Zusammenhang durch die Rückgabe einzelner Grundstücke verschiedenen Eigentümern zugeordnet wird, sondern auch dann, wenn das in dieser Weise genutzte Areal insgesamt zurückübertragen wird und damit in die Hände eines Eigentümers gelangt, der keinen Bindungen zur Aufrechterhaltung dieser Nutzung unterliegt. Demgemäß begründet nach dem Wortlaut der Norm allein die Verwendung des Grundstücks im komplexen Wohnungsbau den Rückgabeausschluss ohne Rücksicht darauf, ob die konkret angestrebte künftige Eigentumszuordnung geeignet wäre, den entstandenen Nutzungsverbund zu wahren (Urteil vom 13. November 2003 - BVerwG 7 C 12.03 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 40).

Das Verwaltungsgericht widerspricht mit seiner Entscheidung diesem Normverständnis, wenn es als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal fordert, dass unabhängig von einer Verwendung der streitigen Grundstücksfläche im komplexen Wohnungsbau ein "öffentliches Interesse" gegeben sein muss, an dem es im vorliegenden Fall - ohne nähere Begründung - fehlen soll. Das Verwaltungsgericht begründet diese Annahme mit den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2005 - BVerwG 8 C 13.04 - (Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 45) und vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 32.99 - (Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 27). Beiden Entscheidungen ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht der Rechtssatz zu entnehmen, dass bei dem Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. b, c und d VermG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein "öffentliches Interesse" gleichbedeutend mit dem in § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG normierten "öffentlichen Interesse" als Voraussetzung für den Restitutionsausschluss zu fordern ist. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts spiegelt sich in den Restitutionsausschlusstatbeständen des § 5 Abs. 1 VermG die Absicht des Gesetzgebers wider, bestimmte tatsächliche oder rechtliche Veränderungen der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines Grundstücks oder Gebäudes, an deren Aufrechterhaltung ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, nicht durch die Wiederbegründung der früheren Eigentumsverhältnisse in Frage zu stellen. § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG sieht daher nach Art eines Auffangtatbestandes vor, dass solche Grundstücke oder Gebäude keiner Rückgabepflicht unterliegen, an deren geänderter Nutzung gerade im Hinblick auf hierfür erfolgte bauliche Investitionen ein gesteigertes öffentliches Interesse besteht. Geschützt ist dabei nicht die geänderte Nutzung um ihrer selbst willen, sondern wegen des für sie betriebenen Investitionsaufwands, der nicht aufgrund der Rückgabe wertlos werden soll. Im Gegensatz zu den Restitutionsausschlussgründen des § 5 Abs. 1 Buchst. b, c und d VermG ist die Änderung der Nutzungsart und die Zweckbestimmung schutzwürdig und damit vorrangig vor dem Restitutionsinteresse des früheren Eigentümers, wenn sie mit erheblichem baulichen Aufwand herbeigeführt worden ist und nicht für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft von einem öffentlichen Interesse gedeckt ist, an deren Fortbestand der so geänderten Nutzung mithin ein öffentliches Interesse im Sinne vom § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG besteht. Der Gesetzgeber hat bei den Restitutionsausschlussgründen des § 5 Abs. 1 Buchst. b, c und d VermG ein öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung vorausgesetzt, während es bei den übrigen Nutzungen, soweit sie vom Auffangtatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG erfasst werden, konkreter Feststellungen bedarf, ob ein öffentliches Interesse noch besteht (Urteil vom 30. November 1995 - BVerwG 7 C 55.94 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 5).

3.

Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO ). Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts reichen nicht aus, die Einbeziehung des betroffenen Mehrfamilienhauses in eine solche, als komplexen Wohnungsbau zu bezeichnende untrennbare Einheit zu bejahen (vgl. dazu Urteile vom 10. Juni 1998 - BVerwG 7 C 27.97 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 16 , vom 6. Juni 2002 - BVerwG 7 C 25.01 - Buchholz 428.1 § 11 InVorG Nr. 4 und vom 13. November 2003 - BVerwG 7 C 12.03 - Buchholz 428 § 5

VermG Nr. 40). Der Rechtsstreit muss daher an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

Beschluss:

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 30 000 EUR festgesetzt.

Gödel

Dr. Pagenkopf

Dr. Hauser

Vorinstanz: VG Gera, vom 12.11.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 776/05
Fundstellen
DVBl 2009, 1171