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BVerwG - Entscheidung vom 01.12.2009

4 BN 57.09

Normen:
VwGO § 54 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2

BVerwG, Beschluss vom 01.12.2009 - Aktenzeichen 4 BN 57.09

DRsp Nr. 2009/28697

Maßstab bei der Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit eines abgelehnten Richters

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke wird zurückgewiesen.

Normenkette:

VwGO § 54 Abs. 1 ; ZPO § 42 Abs. 2 ;

Gründe

Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, des Richters am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet. Dahinstehen kann deshalb, ob eine Richterablehnung im Rahmen einer Anhörungsrüge, die gerade der Selbstkorrektur des Gerichts dienen soll, überhaupt zulässig ist (verneinend: Bader, in: Bader u.a., VwGO , 4. Aufl. 2008, § 152a Rn. 11; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO , Stand: Oktober 2008, § 152a Rn. 28; aA. Happ, in: Eyermann, VwGO , 12. Aufl. 2006, § 152a Rn. 19).

Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, nicht dagegen, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Auch kommt es nicht darauf an, ob die übrigen Mitglieder des Spruchkörpers den Richter für befangen halten. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus (Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.>).

Bei Anwendung dieses Maßstabs ist die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter nicht begründet. Der Vorwurf des Antragstellers, die Richter seien voreingenommen, weil sie sich im Beschluss vom 9. September 2009 - BVerwG 4 BN 21.09 - vorsätzlich der pflichtgemäßen Wahrnehmung ihrer ureigensten Aufgabe versagt hätten, ihrer richterlichen Kontrollpflicht gerecht zu werden, und geltendes Verfahrensrecht vorsätzlich missachtet hätten, ist objektiv nicht berechtigt. Unabhängig davon, ob die geltend gemachten Gehörsverstöße vorliegen, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die abgelehnten Richter die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Bewusstsein zurückgewiesen haben, gesetzeswidrig zu handeln. Dass ein abgelehnter Richter bei der Würdigung des maßgeblichen Sachverhalts oder bei dessen rechtlicher Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen; das gilt selbst für irrige Ansichten, solange sie nicht - wofür hier nichts ersichtlich ist - offensichtlich willkürlich sind (Urteil vom 11. Februar 1982 - BVerwG 1 D 2.81 - BVerwGE 73, 339 <346>; Beschluss vom 29. Mai 1991 - BVerwG 4 B 71.91 - NJW 1992, 1186 <1187>; Beschluss vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 9 A 50.07, BVerwG 9 VR 19.07, BVerwG 9 VR 21.07 - NVwZ-RR 2008, 140 <141>; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO , 15. Aufl. 2007, § 54 Rn. 11a, 11b m.w.N.).

Anhaltspunkte dafür, dass die drei abgelehnten Richter auf ihre im Beschluss vom 9. September 2009 geäußerte Rechtsauffassung innerlich so unverrückbar festgelegt und Gegenargumenten gegenüber derart verschlossen wären, dass sie über die Anhörungsrüge nicht mehr unbefangen und unparteiisch entscheiden könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus den dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter zu dem Befangenheitsantrag nicht der Entschluss, die vorinstanzliche Entscheidung "ohne Rücksicht auf die nach objektivem Gesetzesrecht vorgeschriebenen Rechtsfolgen zu bestätigen, zu decken und unangreifbar zu machen".

Ob die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. H., die dem erkennenden Senat nicht angehört, zu dem Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. He., der an der vorinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt hat, in einem Verwandschaftsverhältnis steht, braucht nicht geklärt zu werden. Selbst wenn die Vermutung des Antragstellers zuträfe, dass Frau Dr. H. die Cousine oder Schwester des Herrn Dr. He. sei, ließe sich daraus allein kein Grund für die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter herleiten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02 - NJW 2004, 163 und vom 17. März 2008 - II ZR 313/06 - NJW 2008, 1672 für den Fall der Ehe einer Rechtsmittelrichterin mit einem Richter, der an der angefochtenen Entscheidung beteiligt war). Der Befangenheitsantrag könnte nur Erfolg haben, wenn der Antragsgegner konkrete Umstände dargelegt und nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 2 und § 294 ZPO glaubhaft gemacht hätte, die objektiv die Besorgnis begründen, dass die abgelehnten Richter aus Rücksichtnahme gegenüber der Kollegin Dr. H. geneigt sein könnten, die Anhörungsrüge aus sachfremden Erwägungen zurückzuweisen. An der Darlegung und Glaubhaftmachung solcher Umstände fehlt es jedoch.