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BVerwG - Entscheidung vom 11.02.2009

4 A 1001.07

BVerwG, Beschluss vom 11.02.2009 - Aktenzeichen 4 A 1001.07

DRsp Nr. 2009/5893

Einschränkung des Nachtflugbetriebes und Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen; Ergänzung der Auflage eines Planfeststellungsbeschlusses hinsichtlich der Möglichkeit der Einräumung einer Einzelfallprüfung mittels Geräuschmessung

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebes in Teil A II 5.1.1 und über die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen in Teil A II 5.1.3 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Soweit der Planfeststellungsbeschluss diesen Verpflichtungen entgegensteht, wird er aufgehoben.

Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.

Die Klägerinnen tragen jeweils 3/8 der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 tragen jeweils 1/8 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I

Die Klägerinnen wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld.

Die Klägerin zu 1 ist Eigentümerin des Grundstücks Moosweg 60 in Mahlow (Grundbuch von Mahlow Blatt ..., Flur ..., Flurstück ...). Die Klägerin zu 2 ist Eigentümerin mehrerer Gebäude in Waltersdorf (Grundbuch von Waltersdorf Blatt ..., Gebäudegrundbuch, Flur ..., Flurstücke ... und ...). Ihr Eigentum liegt in der näheren Umgebung des planfestgestellten Ausbauvorhabens innerhalb des Nachtschutzgebiets und des Entschädigungsgebiets Außenwohnbereich, jedoch außerhalb des festgesetzten Entschädigungsgebiets Übernahmeanspruch. Die Klägerinnen haben mit ihrer am 18. Oktober 2004 erhobenen Klage die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, hilfsweise in zahlreichen Punkten die Verpflichtung zu verbessertem Lärmschutz beantragt (BVerwG 4 A 1015.04).

Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 haben nahezu 4 000 Personen Klage erhoben, die in rund 60 Verfahren zusammengefasst waren. Der beschließende Senat hat von der ihm durch § 93a Abs. 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vorab Musterverfahren durchzuführen und die übrigen Verfahren auszusetzen. Die Beteiligten aller Verfahren sind dazu gemäß § 93a Abs. 1 Satz 1 VwGO angehört worden, die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens mit Schreiben vom 28. April 2005. Mit Beschluss vom 7. Juli 2005 - BVerwG 4 A 1011.05 (vormals 4 A 1015.04) - hat der Senat das vorliegende Verfahren, zu dem seinerzeit noch die Klagen weiterer Personen gehörten, gemäß § 93a Abs. 1 VwGO ausgesetzt.

Über die ausgewählten Musterklagen, die in vier Verfahren zusammengefasst waren, ist auf die mündliche Verhandlung vom 7. bis 9., 14. bis 16. und 21. bis 23. Februar 2006 durch Urteile vom 16. März 2006 entschieden worden (vgl. BVerwG 4 A 1001.04, BVerwG 4 A 1073.04, BVerwG 4 A 1078.04 und BVerwG 4 A 1075.04 - letzteres Urteil abgedruckt in BVerwGE 125, 116 ff.). Die Anfechtungsklagen wurden abgewiesen, die hilfsweise erhobenen Anträge auf Planergänzung hatten, soweit es um besseren Lärmschutz ging, teilweise Erfolg.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2006 hat das Gericht die Kläger darauf hingewiesen, dass ihr Verfahren nach dem rechtskräftigen Abschluss der Musterverfahren fortzuführen sei (BVerwG 4 A 1022.06, vormals 4 A 1011.05), ggf. auch nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 VwGO .

Die Klägerinnen haben mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007 - unter Rücknahme der Klage im Übrigen - beantragt:

1. den Beklagten zu verpflichten, die Auflage in Teil A II 5.1.6 Abs. 1 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung vom 21. Februar 2006 dahingehend zu ergänzen, dass außerhalb des Entschädigungsgebiets durch eine Einzelfallprüfung die Anspruchsberechtigung von den jeweiligen Grundstückseigentümern durch eine Geräuschmessung außen nachgewiesen werden kann und die Kosten für die Einzelfalluntersuchung im Falle der Anspruchsberechtigung die Träger des Vorhabens zu tragen haben.

2. den Beklagten zu verpflichten, über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebes in Teil A II 5.1.1, über die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen in Teil A II 5.1.3 und über die Grenzziehung des Entschädi-gungsgebiets Außenwohnbereich in Teil A II 5.1.5 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Beklagte sich entschlossen, die Auflage in Teil A II 5.1.6 Abs. 1 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in dem von den Klägerinnen mit ihrem Klageantrag zu 1 erstrebten Umfang zu ergänzen und die Klägerinnen insoweit klaglos zu stellen. Daraufhin haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2008 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2008 den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2009 haben die Klägerinnen ihren Antrag betreffend die Grenzziehung des Entschädigungsgebiets Außenwohnbereich zurückgenommen. Soweit über die Klageanträge noch streitig zu entscheiden ist, haben der Beklagte und die Beigeladene zu 1 Klageabweisung beantragt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf das Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 (BVerwGE 125, 116 ff.) - und das Protokoll der mündlichen Verhandlung in den Musterverfahren verwiesen.

II

Der Senat macht von der ihm durch § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.

1.

Die noch aufrechterhaltenen Klageanträge auf verbesserten aktiven und passiven Lärmschutz haben in dem aus der Beschlussformel zu ersehenden Umfang aus den in den Musterurteilen angeführten Gründen Erfolg.

1.1

Über den verbleibenden Streitgegenstand kann der Senat nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben:

Über die Musterklagen ist durch die Urteile vom 16. März 2006 rechtskräftig entschieden worden. Die Beteiligten sind zu der gewählten Entscheidungsform angehört worden. Ferner ist nach einstimmiger Auffassung des Senats der Sachverhalt im vorliegenden Verfahren geklärt. Das Eigentum der Klägerinnen liegt innerhalb des in Anlage 2 zum Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 festgesetzten Nachtschutzgebiets und wird in erheblichem Maße von nächtlichem Fluglärm betroffen sein.

Ferner ist der Senat einstimmig der Auffassung, dass die Sache gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Von solchen Besonderheiten ist regelmäßig auszugehen, wenn in den ausgesetzten Verfahren neue, in den Musterverfahren noch nicht angesprochene Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in dem entschiedenen Verfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen können (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO , Kommentar, Stand: April 2006, § 93a VwGO Rn. 20). Die Lärmwirkungen unter Berücksichtigung der festgesetzten Schutzgebiete sind für die Klägerinnen nicht anders zu beurteilen als für die Kläger der Musterverfahren. Die Grundstücke der dortigen Kläger repräsentierten die gesamte Bandbreite der möglichen Lärmbelastungen, nämlich von Grundstücken, die in keinem der vier Schutzgebiete (Tagschutzgebiet, Nachtschutzgebiet, Entschädigungsgebiete Außenwohnbereich und Übernahmeanspruch) liegen, über Grundstücke, die nur von einigen dieser Schutzgebiete erfasst sind, bis hin zu Grundstücken, die in allen Schutzgebieten liegen. Damit ist in den Musterurteilen auch über die Lärmbetroffenheiten solcher (Wohn-)Grundstücke entschieden worden, die - wie die Grundstücke der Klägerinnen - im festgesetzten Nachtschutzgebiet liegen.

1.2

Die Klägerinnen können im Rahmen ihrer Klageanträge aus den in den Musterurteilen dargelegten Gründen in demselben Maße wie dort Planergänzung beanspruchen. Ihrer Klage war deshalb in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang stattzugeben.

2.

Soweit die Klägerinnen ihre Klage zurückgenommen bzw. den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO bzw. entsprechend dieser Vorschrift einzustellen.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 155 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 161 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO .

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG . Dabei entfallen auf jede Klägerin 15 000 EUR.