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BVerwG - Entscheidung vom 28.10.2009

8 C 11.09

Normen:
BetrAVG §§ 10, 14 Abs. 1
VAG § 25 Abs. 1
BetrAVG § 10
BetrAVG § 14 Abs. 1
VAG § 25 Abs. 1

Fundstellen:
DZWIR 2010, 146
NVwZ-RR 2010, 446
NZA 2010, 582
NZI 2010, 411
VersR 2010, 1061
ZIP 2010, 545 (LS)

BVerwG, Urteil vom 28.10.2009 - Aktenzeichen 8 C 11.09

DRsp Nr. 2010/1713

Beitragspflicht eines privaten Versicherungsunternehmens zur Insolvenzsicherung bei Rechtsnachfolge einer öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalt

Arbeitgeber, die im laufenden Kalenderjahr erstmals zur Insolvenzsicherung beitragspflichtig werden, sind nicht von der Beitragspflicht ausgenommen, wenn sie am Stichtag des Schlusses des Wirtschaftsjahres, das im abgelaufenen Kalenderjahr geendet hat, noch keine Arbeitgeber gewesen sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. November 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

BetrAVG § 10 ; BetrAVG § 14 Abs. 1 ; VAG § 25 Abs. 1;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen in Form einer Aktiengesellschaft, einen Beitrag zur Insolvenzsicherung für das Beitragsjahr 2002 zu entrichten hat.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Westfälische Provinzial Lebensversicherung AG, übernahm durch einen notariellen Betriebseinbringungs- und Bestandsübertragungsvertrag vom 5. Dezember 2001 zum 1. Januar 2002 (§ 8 des Vertrages) den vollständigen Geschäftsbetrieb der öffentlich-rechtlichen Körperschaft "Westfälische Provinzial-Lebensversicherungsanstalt", im Folgenden: WPLA.

In § 12 des Vertrages ist der Übergang der Arbeitsverhältnisse wie folgt geregelt: "Die Westfälische Provinzial Lebensversicherung AG übernimmt gemäß § 613a BGB mit Wirkung zum Übertragungsstichtag (§ 8 dieses Vertrages) die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse mit den bei der WPL beschäftigten Arbeitnehmern, sofern diese dem Übergang der Arbeitsverhältnisse nicht widersprechen. ... Die Westfälische Provinzial Lebensversicherung AG übernimmt die Arbeitsverhältnisse mit dem aktuellen Besitzstand."

Die jeweiligen Wirtschaftsjahre der ursprünglichen Klägerin und der früheren Westfälischen Provinzial Lebensversicherungsanstalt - WPLA - liefen vom 1. Januar bis zum 31. Dezember eines jeweiligen Jahres und sind damit mit dem Kalenderjahr identisch. Die WPLA hatte ihren Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung in Form von unmittelbaren Versorgungszusagen gewährt.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2003 setzte der Beklagte nach vorausgegangener Korrespondenz, die sich vor allem mit der Frage der Beitragspflicht für das Jahr 2002 befasste, den Insolvenzsicherungsbeitrag der Klägerin für das Kalenderjahr 2002 auf insgesamt 77 084,33 EUR fest. Für die Bemessung der Beitragshöhe im Jahr 2002 legte der Beklagte die von der Klägerin für das Jahr 2003 gemeldete Beitragsbemessungsgrundlage zugrunde, die die Zahlen für das abgelaufene Wirtschaftsjahr 2002 zum Stichtag des 31. Dezember 2002 wiedergaben.

Gegen den Beitragsbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2003 legte die Rechtsvorgängerin der Klägerin Widerspruch ein und verwies zu dessen Begründung auf bereits vorliegende Stellungnahmen des von ihr eingeschalteten versicherungsmathematischen Gutachters.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Ihre am 12. Juli 2005 erhobene Klage hat die Klägerin im Wesentlichen damit begründet, dass § 10 Abs. 3 Ziff. 1 BetrAVG in der vorliegenden Fallgestaltung nicht als Ermächtigungsgrundlage für die sich auf das Jahr 2002 beziehende Beitragsfestsetzung in Betracht komme. Die Klägerin sei zwar dem Grunde nach auch für das Jahr 2002 erstmals beitragspflichtig gewesen. Die Höhe des Beitrages habe jedoch Null betragen. Denn die Höhe des Beitragsanspruchs des Beklagten bestimme sich nach § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG nach den Verhältnissen am Schluss des Wirtschaftsjahres, das im abgelaufenen Kalenderjahr geendet habe, also dem 31. Dezember 2001. Zu diesem maßgeblichen Stichtag sei sie im Vorgriff auf den Betriebsübergang zum 1. Januar 2002 zwar bereits rechtlich existent gewesen, sie habe aber noch keine Arbeitnehmer gehabt und dementsprechend auch noch keine betrieblichen Versorgungsverpflichtungen. Insoweit bestehe auch keine Gesetzeslücke bezüglich der während eines laufenden Kalenderjahres neu eintretenden Mitglieder in der Insolvenzsicherung. Denn der Gesetzgeber habe das Einsetzen der Beitragspflicht mit einem Jahr Verzögerung aus Vereinfachungsgründen ausdrücklich gewollt. Daher sei auch ein Rückgriff auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung (AIB) oder § 25 Abs. 2 VAG unzulässig.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2005 aufzuheben und den Beklagten zur Rückzahlung des Beitrages für das Jahr 2002 in Höhe von 77 084,33 EUR zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Dezember 2003 zu verpflichten.

Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Beitragspflicht des Arbeitgebers grundsätzlich erst mit der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes nach § 10 Abs. 1 BetrAVG entstehe. Mit dem Betriebsübergang von der WPLA auf die Klägerin zum 1. Januar 2002 seien gemäß § 613a BGB mit den Arbeitsverhältnissen auch die unverfallbaren Versorgungsanwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf die Klägerin übergegangen. Von diesem Zeitpunkt an habe damit die Beitragspflicht der Klägerin bestanden.

Das Verwaltungsgericht hat den Beitragsbescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides insoweit aufgehoben, als darin ein Betrag festgesetzt wurde, der über 70 167,54 EUR hinausging, und den Beklagten darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6 916,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Juli 2005 zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin mit der Übernahme des Geschäftsbetriebes der WPLA zum 1. Januar 2002 gemäß § 613a BGB auch bezüglich der Versorgungsverpflichtungen in die Rechte und Pflichten der WPLA eingetreten sei und damit zu diesem Zeitpunkt auch den gesetzlichen Tatbestand des § 10 Abs. 1 BetrAVG erfüllt habe, wodurch die Beitragspflicht entstanden sei. Für die Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage der Klägerin sei der in § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG genannte Stichtag maßgeblich, wonach die Beitragsbemessungsgrundlage für ein bestimmtes Kalenderjahr auf den Schluss des vorausgegangenen Wirtschaftsjahres festzustellen sei. Diese Feststellung sei im vorliegenden Fall bis Betriebsübergang möglich, auch wenn zum Schluss des Jahres 2001 Arbeitgeberin noch die WPLA gewesen sei, nicht aber die Klägerin. Bei der genannten Regelung handele es sich lediglich um eine Stichtagsregelung für die Bemessung der Beiträge, die ihrerseits das Bestehen der öffentlich-rechtlichen Beitragspflicht voraussetze. Es müsse eine Bemessung des Beitrages am Stichtag überhaupt möglich sein, nicht aber die Beitragspflicht eines bestimmten Unternehmens schon am Stichtag bestanden haben.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung haben sowohl die Klägerin als auch der Beklagte eingelegt und zu ihrer Begründung im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Die Klägerin hat vor dem Oberverwaltungsgericht sinngemäß beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 20. Dezember 2006 insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen wurde, und den Beitragsbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2005 auch im Hinblick auf den darin festgestellten Beitrag für das Jahr 2002 in Höhe von 70 167,54 EUR aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr auch den Beitrag für das Jahr 2002 in Höhe von 70 167,54 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 0,5% monatlich ab dem 1. August 2005 zu erstatten.

Der Beklagte hat sinngemäß beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als der Beklagte darin verurteilt worden sei, der Klägerin auf den zurückzuerstattenden Betrag in Höhe von 6 916,79 EUR für den Zeitraum vom 12. Juli 2005 bis zum 31. Juli 2005 überhaupt Zinsen zu zahlen und für den Zeitraum ab dem 1. August 2005 höhere Zinsen als 0,5% pro Monat zu zahlen.

Zur Begründung hat der Beklagte im Wesentlichen auf die Vorschrift des § 10a Abs. 3 Satz 1 und 2 BetrAVG hingewiesen, wonach zu erstattende Beiträge mit einem Zinssatz von 0,5% pro Monat ab Rechtshängigkeit zu verzinsen seien, wobei angefangene Monate außer Betracht blieben.

Das Oberverwaltungsgericht hat mit auf § 130a VwGO gestütztem Beschluss vom 25. November 2008 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil teilweise geändert. Es hat das verwaltungsgerichtliche Urteil insoweit aufgehoben, als der Beklagte darin verurteilt worden ist, der Klägerin auf den zurückzuerstattenden Betrag in Höhe von 6 916,79 EUR für den Zeitraum vom 12. Juli 2005 bis zum 31. Juli 2005 überhaupt Zinsen zu zahlen und für den Zeitraum ab dem 1. August 2005 höhere Zinsen als 0,5% pro Monat zu zahlen. Zudem hat es die Revision mit Hinweis auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung der Klägerin sei unbegründet, da der angefochtene Bescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides jedenfalls im Hinblick auf den noch im Streit stehenden Beitrag in Höhe von 70 167,54 EUR rechtmäßig sei und die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten verletzt sei mit der Folge, dass auch der behauptete Anspruch auf Rückzahlung dieser Summe nicht bestehe. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beitragserhebung gemäß § 10 BetrAVG lägen vor. Die Klägerin sei dem Grunde nach ab 1. Januar 2002 beitragspflichtig.

Die nach § 10 Abs. 1 BetrAVG bestehende Beitragspflicht entstehe mit der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes, d.h. mit dem Eintritt der ersten gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft oder der Aufnahme einer laufenden Versorgungsleistung. Diese Voraussetzungen seien zum 1. Januar 2002 erfüllt. Der Beitrag sei auch in der noch streitigen Höhe geschuldet. Der Umstand, dass die Klägerin zu dem in § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG genannten Stichtag für die in Ziffern 1 bis 4 genannten Beträge noch keine beitragspflichtige Arbeitgeberin im Sinne des § 10 BetrAVG gewesen sei, da sie noch keine Arbeitnehmer beschäftigt habe, führe dabei nicht dazu, dass die Klägerin in dem ersten Jahr ihrer Mitgliedschaft in der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung keinen Beitrag schulde. Unerheblich sei, dass die Klägerin zum Stichtag des abgelaufenen Wirtschaftsjahres, das mit dem abgelaufenen Kalenderjahr identisch sei, bereits als juristische Person existiert habe, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Arbeitnehmer beschäftigt habe. § 10 BetrAVG stelle für die Beitragspflicht allein auf die Eigenschaft als Arbeitgeber ab. § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG beziehe sich mit dem dort genannten Bilanzstichtag aus Praktikabilitätsgründen für die Bemessung der Beiträge des laufenden Kalenderjahres auf die im abgelaufenen Kalenderjahr festgestellten Beträge. Da ein im laufenden Kalenderjahr neu beitragspflichtig gewordener Arbeitgeber grundsätzlich nicht über solche Zahlen zu dem maßgeblichen (früheren) Stichtag verfüge, sei dieser Fall in der Vorschrift nicht geregelt.

Auch § 25 VAG enthalte keine Regelung dieser Frage. Es sei deshalb eine Regelungslücke anzunehmen, allerdings allein im Hinblick auf den maßgeblichen Stichtag für die Bemessungsgrundlage. Diese Regelungslücke sei planwidrig und im Wege der Auslegung zu schließen. Dass der Gesetzgeber die Arbeitgeber, die im laufenden Kalenderjahr erstmals beitragspflichtig würden, generell für das erste Beitragsjahr von der Beitragspflicht freistellen wollte, lasse sich dem Gesetz unter keinem Gesichtspunkt entnehmen. Eine Herausnahme der im laufenden Kalenderjahr neu in die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung eingetretenen Arbeitgeber würde dem vorrangig mit der Beitragserhebung nach § 10 BetrAVG verfolgten Ziel zuwiderlaufen, im Sinne einer Solidarhaftung aller Arbeitgeber die für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung erforderlichen Mittel aufzubringen. Außerdem würde eine solche Freistellung zu einer gleichheitswidrigen Privilegierung dieser Arbeitgeber führen.

Dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass sich alle beitragspflichtigen Arbeitgeber nicht nur dem Grunde nach, sondern auch in einer bestimmten Höhe an der Bedarfsdeckung zu beteiligen hätten, ergebe sich darüber hinaus auch aus § 25 Abs. 1 VAG, der über § 14 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG anwendbar sei und zu einer anteiligen Beitragspflicht von im Laufe des Geschäftsjahres eingetretenen oder ausgeschiedenen Mitgliedern führe. Enthalte das BetrAVG mithin keine Bilanzstichtagsregelung im Hinblick auf im laufenden Kalenderjahr neu eintretende Mitglieder, so sei diese planwidrige Regelungslücke im Wege der Auslegung zu schließen. Es entspreche Sinn und Zweck der Regelung, aber auch dem System der Beitragsberechnung nach § 10 BetrAVG , diese Lücke zu schließen, in dem anstatt auf die in diesem Fall grundsätzlich nicht vorhandenen Werte des abgelaufenen Kalenderjahres auf die Werte des laufenden Jahres zurückgegriffen werde, wie es der Beklagte unter Hinweis auf seine Allgemeinen Versicherungsbedingungen getan habe.

Die Beitragsbemessung auf der Basis des laufenden Kalenderjahres im Falle neu eingetretener Mitglieder entspreche Sinn und Zweck der den Arbeitgebern nach § 10 BetrAVG auferlegten Beitragspflicht, der darin bestehe, im Sinne einer Solidarhaftung die für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung erforderlichen Mittel aufzubringen, was eine Befreiung von der Beitragspflicht im ersten Jahr der Mitgliedschaft verbiete. Es erscheine auch systemgerecht im Hinblick auf § 10 Abs. 2 und 3 BetrAVG , dass der Beklagte die Werte des laufenden Kalenderjahres 2002 für die Berechnung der Beitragspflicht im Jahr 2002 zugrunde gelegt habe. Denn der Gesetzgeber sei bestrebt, durch die konkrete Verteilung des nach § 10 Abs. 2 BetrAVG bestehenden Bedarfs auf die einzelnen beitragspflichtigen Mitglieder nach der Regelung des § 10 Abs. 3 BetrAVG eine möglichst zeitnahe Deckung zu erzielen und das Beitragsberechnungsverfahren möglichst einfach zu handhaben. Bei den Zahlen handele es sich um Informationen für das laufende Jahr, die der neu eingetretene Arbeitgeber nach § 11 Abs. 2 BetrAVG dem Beklagten zur Ermittlung des Beitrages im Folgejahr spätestens bis zum 30. September des ersten Kalenderjahres der Mitgliedschaft ohnehin zu melden habe.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie meint, für den streitbefangenen Beitragsanspruch des Beklagten fehle eine gesetzliche Grundlage. Das in § 10 Abs. 3 BetrAVG vorgesehene Stichtagsprinzip müsse ernst genommen werden. Es dürfe nicht bei Gefallen oder dann aufgebrochen werden, wenn man meine, es vernachlässige einmal die Interessen des Beklagten. Es sei für den Beklagten auch ohne Weiteres zumutbar, dass er im vorliegenden Fall durch die besonderen Umstände von der Stichtagsregelung nicht profitiere, sondern benachteiligt werde. Es fehle für die seltenen Fälle, in denen der Betriebsveräußerer als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Beitragsjahr des Betriebsüberganges wegen § 17 Abs. 2 BetrAVG nicht in Anspruch genommen werden könne, an einer Rechtfertigung des Beklagten für eine ersatzweise Inanspruchnahme des Betriebserwerbers, so dass auch ein Beitragsanspruch für das Jahr 2002 gegen die Klägerin entfalle.

Die Klägerin beantragt,

1.

den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. November 2008 abzuändern und den Beitragsbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2004 (gemeint wohl: 2005) insgesamt aufzuheben,

2.

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 70 167,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 0,5% pro Monat für die Zeit ab dem 1. August 2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt im Wesentlichen den ergangenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts. Eine unmittelbare Anwendung des § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG sei im vorliegenden Fall nicht möglich, da die Klägerin am vom Gesetz vorgesehenen Stichtag noch keine Arbeitnehmer beschäftigt habe. Es liege ein Fall eines Betriebsüberganges im Sinne des § 613a BGB vor. Die Klägerin verkenne aber, dass es sich bei der Regelung des § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG um eine reine Stichtagsregelung für die Bemessung der geschuldeten Beiträge zur Insolvenzsicherung handele, die nichts über das Entstehen oder Fortbestehen der Beitragspflicht aussage. Die Klägerin schulde dem Grunde nach für das gesamte Kalenderjahr 2002, in dem sie Mitglied des Beklagten war, den Insolvenzsicherungsbeitrag. Eine Herausnahme der neu insolvenzsicherungspflichtigen Arbeitgeber würde dem mit der Beitragserhebung verfolgten Ziel des BetrAVG zuwiderlaufen, im Sinne einer Solidarhaftung aller Arbeitgeber die für die Insolvenzsicherung notwendigen Mittel aufzubringen.

II

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ). Das Oberverwaltungsgericht hat die Regelung des § 10 BetrAVG zutreffend ausgelegt und angewandt.

Nach § 10 Abs. 1 BetrAVG sind die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung durch Beiträge aller Arbeitgeber aufzubringen, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar zugesagt haben, oder eine betriebliche Altersvorsorgung über eine Unterstützungskasse, eine Direktversicherung der im § 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BetrAVG bezeichneten Art oder einen Pensionsfonds durchführen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 1994 - BVerwG 1 C 41.92 - Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 11). Der Beklagte ist ein privater Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der insoweit als Beliehener auftritt.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die öffentlich-rechtliche Körperschaft WPLA, unterlag keiner Beitragspflicht nach dem BetrAVG . Denn nach § 17 Abs. 2 BetrAVG gilt § 10 Abs. 1 BetrAVG nicht für solche Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen die Insolvenz nicht zulässig ist oder bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert. Die WPLA unterstand als Körperschaft des öffentlichen Rechts der Landesaufsicht, wie aus § 17 Abs. 1 der Satzung von 1969 hervorgeht. Deshalb konnte ihr gegenüber gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW kein Insolvenzverfahren stattfinden.

Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht anhand der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt, dass der Beitragsanspruch des Beklagten mit Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes des § 10 BetrAVG dem Grunde nach entstanden war und dass er zum Ende des jeweiligen Beitragsjahres fällig wurde.

Ein Beitragsbescheid, der die Beitragspflicht konstitutiv festsetzt, ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 1994 a.a.O.). Ein solcher ist damit nur rechtmäßig, wenn der Beitragsanspruch besteht und auch fällig ist. § 10 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG regelt hierzu, dass "auf die am Ende des Kalenderjahres fälligen Beiträge" Vorschüsse erhoben werden können. Diese Bestimmung ist so zu verstehen, dass die Beitragspflicht nicht erst am Ende des Kalenderjahres entsteht, sondern es sich um eine Fälligkeitsregelung handelt (vgl. Urteil vom 14. März 1991 - BVerwG 3 C 24.90 - Buchholz 437.1 Nr. 8 S. 17 = BVerwGE 88, 79 <82>).

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG , wonach die Beträge auf den Schluss des Wirtschaftsjahres des Arbeitgebers, das im abgelaufenen Kalenderjahr geendet hat, festzustellen sind, eine reine Stichtagsregelung für die Bemessung der Beiträge ist, aber keine Aussage über das Entstehen der Beitragspflicht enthält (vgl. Urteil vom 14. März 1991 a.a.O.; auch Urteil vom 4. Oktober 1994 a.a.O.). Denn schon aus der Fälligkeitsregelung in § 10 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG geht hervor, dass der Beitragsanspruch mit Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes entsteht und nicht etwa einen Beitragsbescheid des Beklagten voraussetzt. Wenn am Ende des Kalenderjahres Beiträge fällig sind, muss der Beitragsanspruch bereits vorher entstanden sein (Urteil vom 4. Oktober 1994 a.a.O.). Zudem ergibt sich aus § 30 Satz 2 BetrAVG , dass die Beitragspflicht ausschließlich von der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes abhängt. Denn diese Norm bestimmt hinsichtlich des Entstehens der erstmaligen Beitragspflicht, dass diese "mit dem Inkrafttreten der §§ 7 bis 15 BetrAVG " beginnt. Danach setzt die Beitragspflicht keinen Beitragsbescheid voraus. Gilt dies aber für die erstmalige Beitragspflicht, so ist für Beiträge für die nachfolgenden Jahre nichts anderes anzunehmen (Urteil vom 4. Oktober 1994 a.a.O.).

Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht die Aussage des Berufungsgerichts im Einklang, dass § 10 Abs. 3 Halbs. 2 BetrAVG nicht regelt, wie der Beitrag zu bemessen ist, wenn ein im laufenden Kalenderjahr neu beitragspflichtig gewordener Arbeitgeber nicht über Zahlen zu dem maßgeblichen Stichtag des Vorjahres verfügt.

Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Verletzung von Bundesrecht § 25 Abs. 1 VAG für nicht einschlägig gehalten. Diese Norm ist nach ständiger Rechtsprechung über § 14 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG im Hinblick auf während des Wirtschaftsjahres neu eintretende oder ausscheidende Mitglieder anzuwenden (Urteile vom 23. Januar 2008 - BVerwG 6 C 19.07 - Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 18 sowie vom 14. März 1991 a.a.O.). Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass § 25 Abs. 1 VAG zwar festlegt, dass auch solche Mitglieder zu der Umlage beizutragen haben, die während des Wirtschaftsjahres neu eintreten oder ausscheiden. Die Beitragspflicht bemisst sich dann danach, wie lange das jeweilige Mitglied in dem Geschäftsjahr dem Verein angehört hat ("pro rata temporis"). Das besagt für die Klägerin, die das gesamte Jahr 2002 über Mitglied des Beklagten war, dass sie auch einen gesamten Jahresbeitrag schuldet. Nicht geregelt in § 25 Abs. 1 VAG ist jedoch, nach welchen Berechnungsgrundlagen dieser Beitrag festzusetzen ist (vgl. Urteil vom 23. Januar 2008 a.a.O.).

Das Oberverwaltungsgericht folgert rechtsfehlerfrei aus dem Fehlen einer Regelung im BetrAVG , aber auch in dem zumindest subsidiär anzuwendenden VAG, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die im Wege der Auslegung zu schließen sei.

Die Annahme der Klägerin, dass eine Beitragspflicht auf Null reduziert sei, wenn die Beachtung des Stichtages des Vorjahres für die Bemessungsgrundlage nicht möglich ist, ist mit dem gesetzgeberischen Anliegen der Einführung eines Betriebsrentengesetzes, vgl. BTDrucks 7/1281, nicht vereinbar.

Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass eine Herausnahme der im laufenden Kalenderjahr neu in die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung eingetretenen Arbeitgeber dem vorrangig mit einer Beitragserhebung nach § 10 BetrAVG verfolgten Ziel zuwiderlaufen würde, im Sinne einer Solidarhaftung aller Arbeitgeber die für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung erforderlichen Mittel aufzubringen. Den Gesichtspunkt der Solidarhaftung aller Arbeitgeber hat bereits der 6. Senat in seinem Urteil vom 22. Januar 2008 - BVerwG 6 C 19.07 - (Buchholz a.a.O. Nr. 18) herausgearbeitet. Wie bereits dargelegt, folgt aus der bloßen Stichtagsregelung, also einer mehr technischen Regelung über den Verwaltungsablauf, nicht, dass etwa die Beitragspflicht hinausgeschoben wird, bis für das neu in die öffentlich-rechtliche Versicherungspflicht eintretende Unternehmen ein Jahr verstrichen ist und vom Ende des vorausgegangenen Wirtschaftsjahres gesprochen werden kann.

Der Senat kann offen lassen, ob der vom Oberverwaltungsgericht gewählte Weg zur Lückenschließung, nämlich auf die Werte des laufenden Wirtschaftsjahres - bezogen auf den Stichtag vom 31. Dezember 2002 - abzustellen, oder ob der vom Verwaltungsgericht eingeschlagene Weg, auf die Stichtagswerte des Vorjahres - dem 31. Dezember 2001 - abzustellen, zu bevorzugen ist. Denn es ist nicht entscheidungserheblich, ob hier der Stichtag des Vorjahres oder des Folgejahres in Betracht kommt, dass nur noch der niedrigere Beitrag im Streit ist, der sich aufgrund der Berechnung anhand des Stichtages des vorausgegangenen Jahres ergibt.

Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht den seitens der Klägerin erhobenen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im Ergebnis verneint, denn es sind keine Beiträge zur Insolvenzsicherung rechtsgrundlos erbracht worden.

Der seitens der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch gemäß § 10a Abs. 3 Satz 1 und 2 BetrAVG , wonach für vom Träger der Insolvenzsicherung zu erstattende Beiträge vom Tage der Fälligkeit oder bei Feststellung des Erstattungsanspruchs durch gerichtliche Entscheidung vom Tage der Rechtshängigkeit an, für jeden Monat eine Verzinsung in Höhe von 0,5 v.H. vorgesehen ist, greift mangels Bestehens eines Hauptanspruchs nicht ein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO .

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 70 167,54 EUR festgesetzt.

Verkündet am 28. Oktober 2009

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 25.11.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 12 A 303/07
Vorinstanz: VG Münster, vom 20.12.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 7 K 1287/05
Fundstellen
DZWIR 2010, 146
NVwZ-RR 2010, 446
NZA 2010, 582
NZI 2010, 411
VersR 2010, 1061
ZIP 2010, 545 (LS)