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BVerwG - Entscheidung vom 28.05.2009

2 C 33.08

Normen:
AuslVZV § 2
AuslVZV § 3 Abs. 1
AuslVZV § 3 Abs. 3

Fundstellen:
BVerwGE 134, 108
DVBl 2009, 1261
DÖV 2009, 821
NVwZ-RR 2009, 772
ZBR 2010, 41

BVerwG, Urteil vom 28.05.2009 - Aktenzeichen 2 C 33.08

DRsp Nr. 2009/16743

Beamtenrecht: Vollständige Nachprüfung der Zuordnung einer Auslandsmission zu einer Belastungsstufe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht; Beurteilungsspielraum der Dienstbehörde bei der Auslegung und Anwendung der Stufenregelungen i.R.d. Festsetzung des Auslandsverwendungszuschlags; Voraussetzungen der Begründung einer generellen Gefährdungslage für die gesamte Mission bei Gefährdung einer abgrenzbaren Gruppe von Teilnehmern; Zuordnung der Belastung aufgrund von Minen zu der Belastungsstufe 4 nach § 2 Nr. 2.2 AuslVZV ; Begriff "minenverseucht" bei Rückgriff auf den allgemeinen ordnungsrechtlichen Begriff der abstrakten Gefahr; Anhaltspunkte für eine Beschränkung auf Belastungen im Dienst

1. Die Festsetzung des einheitlichen Tagessatzes des Auslandsverwendungszuschlags gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AuslVZV unterliegt der uneingeschränkten Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte. 2. Ob die Teilnehmer einer Auslandsmission im Einsatzgebiet allgemeinen Belastungen und Gefahren im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 AuslVZV ausgesetzt sind, ist aufgrund eines generellen und typisierenden Maßstabs zu beurteilen, der die Auslandsmission in ihrer Gesamtheit in den Blick nimmt. 3. Eine Gefährdungslage aufgrund von Minen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AuslVZV besteht, wenn die Teilnehmer einer Auslandsmission aufgrund der dienstlichen Aufgaben oder der Lebensbedingungen im Einsatzgebiet bei realistischer Betrachtungsweise mit Minen in Berührung kommen können.

Tenor:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 2008 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Normenkette:

AuslVZV § 2 ; AuslVZV § 3 Abs. 1 ; AuslVZV § 3 Abs. 3 ;

Gründe:

I

Die Klägerin, die als Kriminaloberkommissarin (Besoldungsgruppe A 10) im Dienst der Beklagten steht, nahm vom 6. Februar 2004 bis 4. Februar 2005 an der Polizeimission der Europäischen Union in Bosnien-Herzegowina teil. Hierfür wurde ihr Auslandsverwendungszuschlag bewilligt, und zwar für die Zeit bis 14. Mai 2004 nach dem Tagessatz der Belastungsstufe 4 (66,47 EUR), für die Folgezeit nach dem Tagessatz der Stufe 3 (53,69 EUR). Die Klägerin hält durchgehend den höheren Tagessatz für gerechtfertigt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, der Klägerin auch für die Zeit ab 15. Mai 2004 Auslandsverwendungszuschlag nach dem Tagessatz der Belastungsstufe 4 zu bewilligen und ihr den Differenzbetrag in Höhe von 3 335,58 EUR nachzuzahlen. In den Gründen des Berufungsurteils heißt es:

Die Festsetzung des einheitlichen Tagessatzes durch die oberste Dienstbehörde, d.h. die Zuordnung der Auslandsmission zu einer Belastungsstufe gemäß § 3 Abs. 1 der Auslandsverwendungszuschlagsverordnung - AuslVZV -, unterliege der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung. Für die Annahme eines behördlichen Beurteilungsspielraums reiche nicht aus, dass die Festsetzung aufwendige Ermittlungen und schwierige rechtliche Bewertungen erfordere.

Das Bundesministerium des Innern habe den Tagessatz zu Unrecht ab dem 15. Mai 2004 auf die Belastungsstufe 3 herabgesetzt. Die Verwendungsverhältnisse im Einsatzgebiet der Polizeimission hätten sich in den Jahren 2004 und 2005 nicht wesentlich geändert. Nach wie vor habe für die Teilnehmer eine Gefährdung für Leib und Leben durch Landminen bestanden, die nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 AuslVZV der Belastungsstufe 4 zugeordnet sei. Eine derartige Gefährdungslage setze voraus, dass die Teilnehmer an der Auslandsmission nach den verwendungstypischen Einsatzbedingungen bei realistischer Betrachtungsweise mit Minen in Berührung kommen könnten. Sei das Einsatzgebiet als minenverseuchtes Gebiet im Sinne von § 2 Nr. 2.2 AuslVZV anzusehen, sei diese Möglichkeit immer gegeben. In diesem Fall könne eine Gefährdung der Teilnehmer nur aufgrund besonderer Umstände verneint werden.

Da sich die Polizeimission auf das gesamte Staatsgebiet Bosnien-Herzegowinas erstreckt habe, seien die tatsächlichen Verhältnisse in diesem Gebiet zugrunde zu legen. Aufgrund der Anzahl unentdeckter Minen und der Minenunfälle sei Bosnien-Herzegowina in den Jahren 2004 und 2005 als minenverseuchtes Gebiet anzusehen gewesen. Die Gefahr eines Minenunfalls habe für die Teilnehmer bei Dienstreisen und bei der Tatortarbeit an Kriegsgräbern im Außenbereich bestanden. Auch seien die Teilnehmer aufgrund ihrer Lebensbedingungen dieser Gefahr in gleicher Weise wie die einheimische Bevölkerung ausgesetzt gewesen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 2008 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 5. Oktober 2006 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Beklagten ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ). Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ), nämlich § 3 Abs. 1 Nr. 4 , Abs. 3 Satz 2 der Auslandsverwendungszuschlagsverordnung - AuslVZV - in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 27. März 2002 (BGBl. I S. 1243). Die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts reichen nicht aus, um darüber zu entscheiden, ob den Teilnehmern an der Polizeimission der Europäischen Union in Bosnien-Herzegowina auch für die Zeit ab 15. Mai 2004 Auslandsverwendungszuschlag nach dem Tagessatz der Belastungsstufe 4 zusteht.

1.

Beamte haben einen Anspruch auf Auslandsverwendungszuschlag für die Zeit, in der sie an einer Maßnahme im Ausland teilnehmen, die die Bundesregierung aufgrund einer über- oder zwischenstaatlichen Vereinbarung beschlossen hat (§ 58a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 <BGBl. I S. 3020>, § 1 Abs. 1 Satz 1 AuslVZV ). Der Zuschlag wird gewährt, um die Belastungen und erschwerenden Besonderheiten der Verwendung abzugelten (§ 58a Abs. 3 Satz 2 BBesG , § 1 Abs. 2 Satz 1 AuslVZV ). Art und Umfang der Belastungen sind durch unterschiedliche Stufen des Zuschlags zu berücksichtigen (§ 58a Abs. 3 Satz 2 BBesG ). Zu diesem Zweck sieht § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AuslVZV sechs Belastungsstufen vor, denen Tagessätze in unterschiedlicher Höhe zugeordnet sind. Der Zuschlag wird von der für die Verwendung zuständigen obersten Dienstbehörde für jede Auslandsmission als einheitlicher Tagessatz festgesetzt (§ 58a Abs. 3 Satz 1 BBesG , § 3 Abs. 2 AuslVZV ), indem die Behörde die Auslandsmission einer der sechs Belastungsstufen zuordnet. Bei einer nicht nur vorübergehenden wesentlichen Änderung der Verwendungsverhältnisse wird der Tagessatz neu festgesetzt (§ 3 Abs. 3 Satz 2 AuslVZV ). Diese Regelungen sind Ausdruck der Entscheidung des Gesetzgebers, dass die Teilnehmer einer Auslandsmission eine Belastungs- und Gefahrengemeinschaft bilden. Die einsatzbedingten Belastungen sollen einheitlich pauschal abgegolten werden (BTDrucks 12/4749 S. 9 zu § 58a BBesG ).

Somit ergibt sich die Höhe des Auslandsverwendungszuschlags aus dem Tagessatz der Belastungsstufe und der Zahl der Verwendungstage des Beamten. Die Bestimmung der Belastungsstufe durch die oberste Dienstbehörde kann nicht gesondert angefochten werden. Ihre Rechtmäßigkeit wird im Rahmen von Verpflichtungsklagen auf Bewilligung eines höheren Zuschlags inzident geprüft.

2.

Aufgrund des Gebots des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG haben die Verwaltungsgerichte die Festsetzung des einheitlichen Tagessatzes und damit die Zuordnung der Auslandsmission zu einer Belastungsstufe gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AuslVZV in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Die Gerichte sind weder an den von der Behörde festgestellten Sachverhalt noch an deren Auslegung und Anwendung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AuslVZV gebunden.

Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG überträgt die Letztentscheidungsbefugnis für die Auslegung und Anwendung normativer Regelungen den Verwaltungsgerichten. Ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung mit der Folge einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte muss zum einen im Gesetz angelegt sein, d.h. sich durch dessen Auslegung ermitteln lassen. Zum anderen muss die Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Rechtsnorm so vage oder ihre fallbezogene Anwendung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle wegen der hohen Komplexität oder der besonderen Dynamik der geregelten Materie an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt. Es reicht nicht aus, dass eine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines komplexen Sachverhalts, etwa aufgrund unübersichtlicher und sich häufig ändernder Verhältnisse im Ausland, zu treffen ist. Hinzu kommen muss, dass die Gerichte die Aufgabe, die entscheidungsrelevanten tatsächlichen Umstände festzustellen und rechtlich zu bewerten, selbst dann nicht bewältigen können, wenn sie im gebotenen Umfang auf die Sachkunde der Verwaltung zurückgreifen oder sich auf andere Weise sachverständiger Hilfe bedienen (BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <49 f.>; Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142 <156 f.> ; BVerwG, Urteil vom 25. November 1993 - BVerwG 3 C 38.91 - BVerwGE 94, 307 <309 f.> ; stRspr).

Danach ist der obersten Dienstbehörde bei der Auslegung und Anwendung der Stufenregelungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AuslVZV kein Beurteilungsspielraum eröffnet. Weder § 58a BBesG noch der Auslandsverwendungszuschlagsverordnung kann eine Ausnahme vom Grundsatz der uneingeschränkten Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen entnommen werden (Urteil vom 30. Oktober 2002 - BVerwG 2 C 24.01 - Buchholz 240 § 58a BBesG Nr. 1). Auch kann keine Rede davon sein, dass die Verwaltungsgerichte außer Stande sind, die für die Zuordnung zu einer Belastungsstufe erheblichen tatsächlichen Verhältnisse im Einsatzgebiet oder Einsatzort zuverlässig zu ermitteln und festzustellen. Die Gerichte können sich hierbei vor allem auf die Kenntnisse und Erfahrungen der Beklagten, etwa auf amtliche Lageberichte, stützen.

3.

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 AuslVZV wird der Auslandsverwendungszuschlag in Höhe des Tagessatzes der Stufe 4 von 66,47 EUR bei hohen Belastungen und erschwerenden Besonderheiten gewährt, insbesondere bei bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, terroristischen Handlungen, außerordentlicher Gewaltkriminalität, Piraterie, Minen oder vergleichbaren gesundheitlichen Gefährdungen.

Hohe Belastungen bei Minen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 4 AuslVZV liegen vor, wenn durch Minen eine Gefahr für Leib und Leben der Teilnehmer der Auslandsmission hervorgerufen wird. Das Erfordernis einer derartigen Gefahrenlage ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und ihrem systematischen Zusammenhang mit § 2 Nr. 2.2 AuslVZV .

§ 3 Abs. 1 Nr. 4 AuslVZV stellt den näher umschriebenen Belastungen vergleichbare gesundheitliche Gefährdungen gleich. Durch die Verwendung des Begriffs "vergleichbar" hat der Verordnungsgeber deutlich gemacht, dass es sich bei den angeführten Belastungen um Regelbeispiele für gesundheitliche Gefährdungen handelt.

Dass es sich um eine Gefährdung für Leib und Leben handeln muss, ergibt sich aus § 2 AuslVZV . Diese Vorschrift unterscheidet zwei unterschiedliche Arten einsatzbedingter Belastungen, nämlich allgemeine physische und psychische Belastungen (Nr. 1.1 bis 1.7) und Gefahren für Leib und Leben (Nr. 2.1 bis 2.4) und nennt hierfür jeweils Regelbeispiele. Gefahren im Sinne von § 2 Nr. 2 AuslVZV stellen besonders hohe und erschwerende Belastungen dar. Die Stufenregelungen des § 3 Abs. 1 AuslVZV nehmen die in § 2 bezeichneten Arten von Belastungen auf und ordnen sie einer der sechs Belastungsstufen zu. Die Gefahren für Leib und Leben sind in aller Regel den höheren Belastungsstufen 4 bis 6 zugeordnet. Die hier maßgebende Belastung aufgrund von Minen stuft der Verordnungsgeber nicht als allgemeine Belastung im Sinne von § 2 Nr. 1 AuslVZV , sondern als Gefahr für Leib und Leben im Sinne von § 2 Nr. 2 AuslVZV ein, wie sich aus dem Regelbeispiel "minenverseuchtes Gebiet" gemäß § 2 Nr. 2.2 AuslVZV ergibt. Daher ist die Zuordnung der Belastung aufgrund von Minen zu der Belastungsstufe 4 nur gerechtfertigt, wenn es sich hierbei um eine Gefahr für Leib und Leben handelt.

4.

Die Teilnehmer der Auslandsmission müssen der Belastung, hier der Gefahr aufgrund von Minen, im Einsatzgebiet oder am Einsatzort ausgesetzt sein. Sie muss ihnen gerade als Folge ihrer Mitwirkung an der Auslandsmission drohen. Dies folgt aus dem gesetzlichen Zweck des Auslandsverwendungszuschlags, diejenigen Belastungen abzugelten, die mit der Auslandsmission verbunden sind. Dementsprechend spricht § 2 AuslVZV von Belastungen im Einsatzgebiet und am Einsatzort.

Dagegen ist nicht erforderlich, dass die Gefahr gerade bei Ausübung der dienstlichen Tätigkeiten droht. Vielmehr genügt jede Gefährdung während der Teilnahme an der Auslandsmission im Einsatzgebiet oder Einsatzort. Sie kann sich auch aus den Lebensbedingungen der Teilnehmer außerhalb des Dienstes ergeben. Denn dem Wortlaut des § 58a Abs. 3 Satz 2 BBesG lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung auf Belastungen im Dienst entnehmen. Folgerichtig sind gemäß § 2 AuslVZV auch solche Belastungen zu berücksichtigen, die keinen Bezug zur Dienstausübung aufweisen oder sich außerhalb des Dienstes verwirklichen. So sind als allgemeine Belastungen die Einschränkung der Privatsphäre und der Freizeitmöglichkeiten (Nr. 1.2), die Unterbringung in Zelten, Containern oder Massenunterkünften (Nr. 1.3) und extreme Klimabelastungen (Nr. 1.7) aufgeführt. Als Gefahren für Leib und Leben sind Seuchen, Epidemien, Tropenkrankheiten (Nr. 2.1), minenverseuchtes Gebiet (Nr. 2.2) und organisierte Kriminalität sowie hohe Gewaltbereitschaft (Nr. 2.3) genannt.

5.

Für die Beurteilung, ob eine Belastung, hier eine Gefahr aufgrund von Minen, besteht, ist die Auslandsmission in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen. Es kommt darauf an, mit welchen Belastungen und Gefahren die Teilnahme an der Auslandsmission bei genereller und typisierender Betrachtungsweise verbunden ist. Dieser Maßstab ist die zwangsläufige Folge der Entscheidung des Gesetzgebers, die Auslandsmission als Belastungs- und Gefahrengemeinschaft aller Teilnehmer anzusehen und die damit verbundenen Belastungen durch einen einheitlichen, auf die gesamte Auslandsmission bezogenen Tagessatz abzugelten.

Für diese Festsetzung bedarf es einer Gesamtwürdigung des Auftrags der Mission, der tatsächlichen Verhältnisse im Einsatzgebiet oder Einsatzort, der Aufgaben der Teilnehmer und der tatsächlichen Bedingungen, unter denen sie erfüllt werden, sowie der Lebensumstände der Teilnehmer. Die entscheidungserheblichen Tatsachen müssen festgestellt und bewertet werden. Auf dieser Grundlage muss die weitere tatsächliche Entwicklung im Einsatzgebiet oder Einsatzort für die Dauer der Auslandsmission prognostiziert werden. Dabei sind verbindliche Sicherheitshinweise zu berücksichtigen, wenn die Teilnehmer durch deren Beachtung Gefahren vermeiden können. Dies gilt allerdings nicht, wenn derartige Hinweise die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erschweren oder gar unmöglich machen. Denn in diesem Fall sind die Hinweise nicht mit der Grundentscheidung der Bundesregierung zu vereinbaren, sich an der Auslandsmission zu beteiligen.

Im vorliegenden Revisionsverfahren kann dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen die Gefährdung einer abgrenzbaren Gruppe von Teilnehmern eine generelle Gefährdungslage für die gesamte Mission begründen kann. Denn nach den Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts waren die Teilnehmer der Polizeimission in Bosnien-Herzegowina keinen unterschiedlichen Gefährdungssituationen ausgesetzt.

Weder die Verordnungsermächtigung des § 58a BBesG noch die Auslandsverwendungszuschlagsverordnung enthalten einen eigenständigen Gefahrenbegriff. Deshalb kommt nur der Rückgriff auf den allgemeinen ordnungsrechtlichen Begriff der abstrakten Gefahr in Betracht. Eine derartige Gefahr für die Gefahren- und Belastungsgemeinschaft ist gegeben, wenn eine generelle und typisierende Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass in Einzelfällen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten kann. Die rechtliche Schlussfolgerung, es bestehe eine abstrakte Gefahr, muss auf Tatsachen gestützt werden, die diese Prognose bei verständiger Würdigung tragen (Urteil vom 3. Juli 2002 - BVerwG 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 <351 f.> ; stRspr). Die Anforderungen an die Prognose des Schadenseintritts sind umso geringer, je größer der Schaden, insbesondere je gewichtiger die verletzten Rechtsgüter sein würden (Urteil vom 26. Februar 1974 - BVerwG 1 C 31.72 - BVerwGE 45, 51 <57> ; stRspr).

6.

Nach alledem besteht eine Gefährdung aufgrund von Minen gemäß § 3 Abs.1 Nr. 4 AuslVZV , wenn die Gesamtwürdigung ergibt, dass die Teilnehmer der Auslandsmission bei realistischer Betrachtungsweise typischerweise mit Minen in Berührung kommen können. Es muss ein hinreichend konkreter Bezug der die Gefahren begründenden Ursache zur dienstlichen Tätigkeit oder zu den Lebensbedingungen der Teilnehmer bestehen. Dieser Maßstab ist wegen des unkalkulierbaren Risikos, das von Minen ausgeht, und wegen der regelmäßig schwerwiegenden Folgen von Minenunfällen gerechtfertigt. Danach ist eine Gefährdungslage aufgrund von Minen anzunehmen, wenn sich die Teilnehmer während des Einsatzes typischerweise in einem minenverseuchten Gebiet im Sinne von § 2 Nr. 2.2 AuslVZV aufhalten oder bewegen müssen. Der Begriff "minenverseucht" lässt darauf schließen, dass es sich um ein Gebiet handeln muss, in dem wegen der Vielzahl und Dichte der dort lagernden unentdeckten Minen jederzeit mit einem Minenunfall gerechnet werden muss.

7.

Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob in den Jahren 2004 und 2005 die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 2 AuslVZV für eine Herabsetzung der Belastungsstufe für die Polizeimission in Bosnien-Herzegowina vorlagen. Legt man den dargestellten Gefahrenmaßstab an, steht nicht fest, ob die Teilnehmer der Polizeimission in Bosnien-Herzegowina in den Jahren 2004 und 2005 typischerweise einer Gefahr für Leib und Leben aufgrund von Minen ausgesetzt waren. Hierzu ist im Einzelnen zu bemerken:

Das Oberverwaltungsgericht hat das gesamte Staatsgebiet Bosnien-Herzegowinas in der hier maßgebenden Zeit flächendeckend als minenverseuchtes Gebiet angesehen. Diese Beurteilung hat es darauf gestützt, dass sich damals in Bosnien-Herzegowina noch schätzungsweise 650 000 bis zu einer Million unentdeckter Minen befanden und sich immer noch Minenunfälle mit Toten und Verletzten ereigneten. Diese Feststellungen lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass flächendeckend im gesamten Land, d.h. nicht nur etwa im unbefestigten Außenbereich, sondern auch in Städten, geschlossenen Ortschaften und im Bereich befestigter Straßen nicht nur vereinzelt unentdeckte Minen lagerten.

Das Oberverwaltungsgericht hat eine Gefährdung durch Minen bei den Dienstreisen der Teilnehmer mit Kraftfahrzeugen angenommen. Es hat festgestellt, die Teilnehmer hätten solche Reisen im ganzen Land unternommen. Sie seien notwendig gewesen, um den Auftrag der Mission zu erfüllen, die einheimischen Polizeikräfte bei ihrer Arbeit zu beobachten und zu beraten. Zwar seien die befestigten Straßen und Wege in Bosnien-Herzegowina in den Jahren 2004 und 2005 von Minen geräumt gewesen. Eine Minengefahr habe jedoch am Straßenrand gelauert. Auch habe sich etwa die Lage von Minen durch Witterungseinflüsse verändern können. Die Flatterbänder zur Kennzeichnung von Minenfeldern seien mitunter verschwunden, beschädigt oder nicht mehr zu erkennen gewesen.

Auch diese Feststellungen lassen nicht den Schluss zu, es sei ernsthaft möglich gewesen, bei den Dienstreisen mit Minen in Berührung zu kommen. Denn auf ihrer Grundlage kommt es für die Annahme einer Gefährdung weiter darauf an, ob die Teilnehmer angewiesen waren, die Dienstreisen ausschließlich auf geräumten Straßen und Wegen durchzuführen. Mussten sie entsprechende Sicherheitshinweise strikt beachten, so muss geklärt werden, ob dies aufgrund der Straßenverhältnisse möglich war. Die Gefährdung durch Minen kann nicht aufgrund von Sicherheitshinweisen verneint werden, wenn ihre Beachtung die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben vor Ort nicht nur ausnahmsweise erheblich erschwert oder unmöglich gemacht hätte.

Weiterhin hat das Oberverwaltungsgericht eine Gefährdung durch Minen bei der Tatortarbeit angenommen. Es hat festgestellt, zu den Aufgaben der Teilnehmer habe es auch gehört, zusammen mit einheimischen Polizisten Kriegsgräber im unbefestigten Gelände aufzusuchen. Feststellungen zu den tatsächlichen Bedingungen anderer Tatortarbeiten im Rahmen des sogenannten Monitorings hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen.

Aufgrund dieser Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die Teilnehmer bei der Tatortarbeit im Außenbereich mit Minen in Berührung kommen konnten. Vielmehr scheidet diese Annahme aus, wenn die Umgebung der Kriegsgräber vor der Begehung von einheimischen Kräften auf Minen untersucht wurde. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht keine Feststellungen getroffen. Fanden keine Untersuchungen statt, so muss das Oberverwaltungsgericht feststellen, ob es sich bei dem Aufsuchen von Kriegsgräbern nach der Häufigkeit dieser Tätigkeit und der Zahl der betroffenen Teilnehmer um eine typische Aufgabe der Polizeimission von nicht nur untergeordneter Bedeutung handelte. Allerdings wären derartige Feststellungen entbehrlich, wenn das Aufsuchen von Kriegsgräbern weder vom Mandat der Polizeimission gedeckt war noch von der Einsatzleitung erwartet wurde. In diesem Falle würde eine Gefährdung keine Belastung darstellen, die mit der Mission verbunden war. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Feststellung zur Haltung der Einsatzleitung ausschließlich auf nicht näher dargelegte Angaben von Teilnehmern gestützt und keine weiteren Erkenntnismittel ausgewertet.

Schließlich kann der Schluss, dass die Teilnehmer mit Minen in Berührung kommen konnten, nicht auf die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gestützt werden, ihre Lebensbedingungen hätten sich nicht von denjenigen der Bevölkerung unterschieden. Es fehlen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass in den Jahren 2004 und 2005 auch innerhalb der Städte und geschlossenen Ortschaften oder im Bereich befestigter Straßen und Wege nicht nur vereinzelt unentdeckte Minen lagerten.

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 13.02.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 1 A 4324/06
Vorinstanz: VG Köln, vom 05.10.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 15 K 3835/05
Fundstellen
BVerwGE 134, 108
DVBl 2009, 1261
DÖV 2009, 821
NVwZ-RR 2009, 772
ZBR 2010, 41