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BVerwG - Entscheidung vom 05.02.2009

20 F 3.08

Normen:
VwGO § 67 Abs. 1
VwGO § 99 Abs. 2
VwGO § 189
UIG § 8 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 05.02.2009 - Aktenzeichen 20 F 3.08

DRsp Nr. 2009/5156

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Verweigerung der Aktenvorlage rechtswidrig ist, soweit sie die geschwärzten Teile des Vorvertrags, die Anlagen 1, 2, 4 und 4a zum Vorvertrag und die Anlage 2 zur Anlage 3 zum Vorvertrag betrifft.

Im Übrigen wird der Antrag des Klägers abgelehnt.

Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Zwischenverfahrens je zur Hälfte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zwischenverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 67 Abs. 1 ; VwGO § 99 Abs. 2 ; VwGO § 189 ; UIG § 8 Abs. 1 ;

Gründe:

I

Der Kläger begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Klageverfahren die Einsichtnahme in Akten nach den Vorschriften des Umweltinformationsgesetzes ( UIG ). Gegenstand seines Informationsbegehrens sind Informationen über die von der Beigeladenen zu 1 geplante Mitbenutzung eines Militärflugplatzes für den zivilen Flugverkehr. Die Beklagte gab dem Informationsbegehren des Klägers nur teilweise statt. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Mit Erklärung vom 27. Oktober 2006 hat der Beigeladene zu 2 als oberste Aufsichtsbehörde auch gegenüber dem Verwaltungsgericht die Vorlage der vollständigen Akten verweigert. Der Kläger hat am 25. Februar 2008 beim Verwaltungsgericht die Überprüfung dieser Erklärung durch das Bundesverwaltungsgericht beantragt.

II

Der nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO statthafte und zutreffend an das Bundesverwaltungsgericht gerichtete (§ 99 Abs. 2 Satz 2 VwGO ) Antrag des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung des Beigeladenen zu 2 vom 27. Oktober 2006 hat teilweise Erfolg.

1.

Der Kläger war nicht verpflichtet, sich bei der Antragstellung durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen. Zwar musste sich nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der damals geltenden Fassung der Vorschrift durch das Gesetz vom 20. Dezember 2001, BGBl. I S. 3987 (§ 67 VwGO a.F.) vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellte, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Doch hatte der Kläger seinen Antrag gemäß § 99 Abs. 2 Satz 3 VwGO beim Gericht der Hauptsache, mithin nicht beim Bundesverwaltungsgericht, sondern - wie geschehen - beim Verwaltungsgericht zu stellen. Für diesen Antrag galt daher der Vertretungszwang des § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO a.F. nicht. Wie sich aus der Sonderbestimmung über die Notwendigkeit der Vertretung bereits bei der Einlegung bestimmter Rechtsbehelfe in § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO a.F. ergab, erfasste der Vertretungszwang nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO a.F. nicht ohne Weiteres auch solche Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht erst eingeleitet wurde. In der Aufzählung der Rechtsbehelfe in § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO a.F., die schon im Einlegungsstadium dem Vertretungszwang unterlagen, fand sich lediglich die Beschwerde nach § 99 Abs. 2 Satz 12 VwGO , nicht hingegen der Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 3 VwGO . Das bestätigt, dass der Gesetzgeber die Stellung dieses Antrags, wenn er - wie in der Regel - beim Verwaltungsgericht zu stellen war, anders als die Einlegung der Beschwerde nach § 99 Abs. 2 Satz 12 VwGO nicht dem Vertretungszwang nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO a.F. unterwerfen wollte (im Ergebnis ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 9. Juni 2005 - 14 PS 1/05 - NVwZ-RR 2005, 819 ; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO , Stand März 2008, § 99 Rn. 31; Kopp/Schenke, VwGO , 15. Aufl. 2007, § 99 Rn. 18; Geiger, in: Eyermann/Fröhler, VwGO , 12. Aufl. 2006, § 99 Rn. 16; Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO , 4. Aufl. 2007, § 67 Rn. 17; wohl auch Redeker/v. Oertzen, VwGO , 14. Aufl. 2004, § 99 Rn. 22). Erst seit der Neufassung des § 67 VwGO durch das am 1. Juli 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) unterliegen - abgesehen vom Prozesskostenhilfeverfahren - uneingeschränkt alle Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, dem Vertretungszwang (§ 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO n.F.). Diese Neuregelung findet indes auf den Antrag des Klägers keine Anwendung. Wie das Bundesverfassungsgericht unter Hinweis auf die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes in seinem Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 - (BVerfGE 87, 48 <63 ff.>) entschieden hat, bleiben Rechtsbehelfe, die - wie hier - nach bisherigem Recht in zulässiger Weise eingelegt worden sind, ungeachtet einer späteren Verschärfung des Verfahrensrechts wirksam, es sei denn, der Gesetzgeber ordnet durch eine hinreichend deutliche Übergangsregelung die Geltung des neuen Rechts an. Die Neufassung des § 67 VwGO ist ohne eine solche Übergangsregelung erst nach der Antragstellung durch den Kläger in Kraft getreten.

2.

Der Antrag des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung des Beigeladenen zu 2 scheitert auch nicht deswegen, weil es für die Entscheidung über die Klage auf den gesperrten Akteninhalt nicht ankäme. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 5. März 2008, mit dem es die Prozessakte dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat, zum Ausdruck gebracht, dass es den gesperrten Akteninhalt als entscheidungserheblich ansieht. An diese Rechtsauffassung ist der beschließende Senat gebunden. Abgesehen davon ist ein Beschluss des Gerichts der Hauptsache über die Entscheidungserheblichkeit des Akteninhalts ausnahmsweise entbehrlich, wenn die zurückgehaltenen Unterlagen zweifelsfrei entscheidungserheblich sind (Beschluss vom 24. November 2003 - BVerwG 20 F 13.03 - BVerwGE 119, 229 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 36). Das ist immer dann der Fall, wenn - wie hier - die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache ist und die Entscheidung des Verfahrens zur Hauptsache von der allein anhand des Inhalts der umstrittenen Akten zu beantwortenden Frage abhängt, ob die Akten bzw. Aktenteile, wie von der Behörde geltend gemacht, geheimhaltungsbedürftig sind (Beschluss vom 4. Mai 2006 - BVerwG 20 F 2.05 - [...]).

3.

Für die Entscheidung im Zwischenverfahren ist nicht das Gericht der Hauptsache, sondern ein besonderer Spruchkörper, nämlich der nach § 189 VwGO eingerichtete Fachsenat zuständig. Dieser entscheidet gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO (nur) darüber, ob die Verweigerung der Aktenvorlage durch die oberste Aufsichtsbehörde rechtmäßig ist oder nicht. Im Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO geht es mithin allein um die Frage der Vorlage der Akten im Prozess.

Wie der beschließende Senat mit Beschluss vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - (BVerwGE 130, 236 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 46) klargestellt hat, gilt dies auch dann, wenn - wie hier - die Vorlage der Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits ist, weil derartige Fälle von der Geltung des § 99 Abs. 2 VwGO nicht ausgenommen sind. Die gegenwärtige Fassung des § 99 VwGO geht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - (BVerfGE 101, 106 ) zurück, in der dieses zum Schutz des Grundrechts des Klägers auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG verlangt hatte, dass die Verweigerung der Aktenvorlage in einem "in-camera"-Verfahren vom Gericht überprüft werde; in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Klageverfahren ging es ebenfalls um ein Auskunftsbegehren. Wie die Beigeladene zu 1 zu Recht hervorgehoben hat, war der Gesetzentwurf zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung , mit der das "in-camera"-Verfahren eingeführt wurde, zunächst sogar auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen in der Hauptsache um den Zugang zu behördlichen Informationen gestritten wird (s. BTDrucks 14/6393 S. 10). Zwar kann in derartigen Streitverfahren die Entscheidung im Zwischenverfahren, sofern sie zugunsten der Aktenvorlage ausfällt, faktisch zur Erfüllung des im Hauptsacheverfahren in Streit stehenden Anspruchs führen, weil mit der Vorlage der Akten an das Gericht der Hauptsache stets das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht gemäß § 100 VwGO entsteht. Doch hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit als unvermeidbare Folge des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO in Kauf genommen. Er hätte ihr nur dadurch entgegenwirken können, dass er die Entscheidung "in-camera" über das Zwischenverfahren hinaus auf den Rechtsstreit in der Hauptsache erstreckt hätte. Dieses Verfahrensmodell, bei dem das Gericht der Hauptsache die Akten ohne das Recht der Beteiligten zur Einsichtnahme für seine Entscheidung verwerten darf, ist jedoch in § 99 Abs. 2 VwGO nicht verwirklicht worden (Beschlüsse vom 15. August 2003 - BVerwG 20 F 8.03 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 34 und vom 9. Januar 2007 - BVerwG 20 F 1.06 - BVerwGE 127, 282 <291> = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 44).

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Vertreters des Bundesinteresses stellen die im Umweltinformationsgesetz und Informationsfreiheitsgesetz normierten Ablehnungsgründe keine Spezialregelung gegenüber § 99 VwGO dar. Der Vorstellung, § 99 Abs. 2 VwGO komme nur dann zur Anwendung, wenn die Verweigerung der Aktenvorlage ausdrücklich auf die in Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift genannten Gründe gestützt werde, liegt ein Fehlverständnis ihres Regelungsgehalts zugrunde. Denn diese Vorschrift ist umgekehrt ihrerseits im Verhältnis zu den materiellrechtlichen Vorschriften über den Zugang der Bürger zu behördlichen Informationen eine prozessrechtliche Spezialnorm über die Aktenvorlage bei Gericht, die - wie dargelegt - auch in Klageverfahren anwendbar ist, in denen um den Informationszugang gestritten wird. Eine von der Anwendung des § 99 VwGO dispensierende Sonderregelung für derartige Klageverfahren findet sich in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht. Das verkennen die Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses, wenn sie meinen, die fachgesetzlichen Ablehnungsgründe nach dem Umweltinformationsgesetz und Informationsfreiheitsgesetz dürften nicht durch die Anwendung des § 99 VwGO umgangen werden. Dass der Gesetzgeber - wie der Vertreter des Bundesinteresses vorträgt - die Frage des Verhältnisses von § 99 VwGO zu den fachgesetzlich normierten Ablehnungsgründen "gesehen hat", ändert nichts an dem Umstand, dass er auf die Normierung einer die Anwendbarkeit des § 99 VwGO verdrängenden Sonderregelung verzichtet hat. Ob die vom Vertreter des Bundesinteresses vorgelegte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Januar 2008 - 7 E 3280/06(V) - im Lichte des § 99 VwGO Bestand hätte, hat der Senat nicht zu entscheiden.

Grundsätzlich setzt die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage bei Geheimhaltungsbedarf eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus. Der Fachsenat hat nur zu überprüfen, ob die Entscheidung den an die Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gestellten Anforderungen genügt.

Durch die Ermessenseinräumung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben (stRspr; vgl. Beschluss vom 21. Februar 2008 a.a.O. Rn. 18 m.w.N.). § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt, wie schon erwähnt, die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um der Wahrheitsfindung und des effektiven Rechtsschutzes willen absieht (Beschlüsse vom 13. Juni 2006 - BVerwG 20 F 5.05 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 42 und vom 21. Februar 2008 a.a.O.).

Soweit die Aktenvorlage auch Gegenstand des Rechtsstreits selbst ist, sind die Gründe, die eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen können, von denjenigen Gründen zu unterscheiden, die im Verfahren der Hauptsache zur Verweigerung der Aktenvorlage angeführt werden. Diese Gründe können, müssen aber nicht deckungsgleich sein. Da die Sperrerklärung als Erklärung des Prozessrechts auf die Prozesslage abgestimmt sein muss, in der sie abgegeben wird, genügt es grundsätzlich nicht, in ihr lediglich auf die die Sachentscheidung tragenden Gründe des - je nach Fachgesetz im Einzelnen normierten - Geheimnisschutzes zu verweisen. Die oberste Aufsichtsbehörde ist vielmehr im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gefordert, in besonderer Weise in den Blick zu nehmen, welche rechtsschutzverkürzende Wirkung die Verweigerung der Aktenvorlage im Prozess für den Betroffenen haben kann. Darin liegt die Besonderheit ihrer Ermessensausübung nach dieser Verfahrensbestimmung. Dementsprechend ist der obersten Aufsichtsbehörde auch in den Fällen Ermessen zugebilligt, in denen das Fachgesetz der zuständigen Fachbehörde kein Ermessen einräumt (Beschlüsse vom 1. August 2007 - BVerwG 20 F 10.06 - [...] Rn. 5 und vom 21. Februar 2008 a.a.O. Rn. 19). Maßstab ist dabei neben dem privaten Interesse an effektivem Rechtsschutz und dem - je nach Fallkonstellation - öffentlichen oder privaten Interesse an Geheimnisschutz auch das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 - BVerfGE 115, 205 <241>).

Wie der Senat in seinem Beschluss vom 21. Februar 2008 (a.a.O. Rn. 20) weiter ausgeführt hat, kann das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO in bestimmten Fallkonstellationen durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrechtlich geschützt ist. Denn Beeinträchtigungen von Grundrechten sind nur dann zulässig, wenn sie durch hinreichende, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Gründe gerechtfertigt werden. Die Frage nach der ausreichenden Rechtfertigung eines mit der Aktenvorlage verbundenen Grundrechtseingriffs stellt sich vor allem in Dreieckskonstellationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass neben dem Kläger und dem beklagten Staat auch ein privater Dritter am Prozess beteiligt ist, dessen Interessen denen des Klägers entgegengesetzt sind. In solchen Fällen sind neben dem öffentlichen und privaten Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden und seinen Inhalt prägenden widerstreitenden Individualinteressen in die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Ergibt sich dabei, dass die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch die genannten öffentlichen Interessen verstärkten privaten Interessen an Bedeutung hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss sich dieser Schutz durchsetzen. Aber auch unabhängig von den Anforderungen der Grundrechte sind Fälle denkbar, in denen das Geheimhaltungsinteresse so gewichtig ist, dass die Vorlage der Akten unterbleiben muss. Ebenso kann umgekehrt bei einem geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein. In allen diesen Fällen verbleibt für die Ausübung des in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO um der Wahrheitsfindung und des effektiven Rechtsschutzes willen eröffneten Ermessens kein Raum. Dies kann bei Rechtsstreitigkeiten, die wie das Ausgangsverfahren einen Anspruch auf Informationszugang betreffen, dazu führen, dass sich das Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO faktisch - nicht jedoch rechtlich - weitgehend den fachgesetzlichen Vorgaben der Hauptsache annähert.

4.

Die Sperrerklärung des Beigeladenen zu 2 vom 27. Oktober 2006 wird den vorstehend dargelegten Grundsätzen nicht in vollem Umfang gerecht.

a)

Der Beigeladene zu 2 hat die Sperrerklärung auf dieselben Gründe gestützt, aus denen die Beklagte in ihrem Bescheid vom 28. Februar 2006 und im Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2006 die Vorlage der vollständigen Akten verweigert hat; dementsprechend hat der Beigeladene zu 2 zur näheren Begründung der Sperrerklärung auf den Inhalt der genannten Bescheide Bezug genommen. Die Beklagte hat sich im Bescheid vom 28. Februar 2006, soweit darin die Akteneinsicht abgelehnt worden ist, hauptsächlich auf den Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG ("nachteilige Auswirkungen ... auf ... die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit") berufen. Zwar bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Beigeladene zu 2 die im Bescheid vom 8. Juni 2006 unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG als geheimhaltungsbedürftig bezeichneten Aktenteile (abgesehen von den Anlagen 1a, 1b, 1c zur Anlage 3 zum Vorvertrag, die - jedenfalls in erster Linie - Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1 enthalten; s. dazu nachfolgend unter b)) auch als geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ansieht, denn das in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO genannte "Wohl des Bundes" schließt die Aufrechterhaltung der militärischen Sicherheit und insbesondere den Schutz der Bundeswehr vor Sabotage und terroristischen Anschlägen ein. Dass durch eine uneingeschränkte Offenlegung der Akten die militärische Sicherheit beeinträchtigt werden könnte, ist für den Senat nach Durchsicht der zurückgehaltenen Aktenteile nachvollziehbar. Es fehlt jedoch an der Ausübung des Ermessens, das - wie weiter oben dargelegt - in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO der obersten Aufsichtsbehörde bei ihrer Entscheidung über die Vorlage der Akten im Prozess um der öffentlichen und privaten Interessen an der vollständigen Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und an effektivem Rechtsschutz willen eingeräumt ist. Der Beigeladene zu 2 hat nämlich in seiner Sperrerklärung keinerlei Ermessenserwägungen angestellt, sondern sich darauf beschränkt, auf die Weigerungsgründe im angefochtenen Bescheid Bezug zu nehmen. Das genügt - wie ebenfalls bereits dargelegt - den Anforderungen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO in der Regel nicht. Die Ermessensausübung war hier nicht ausnahmsweise deswegen entbehrlich, weil die Belange der militärischen Sicherheit hinsichtlich aller gesperrten Aktenteile so gewichtig waren, dass sie keinesfalls vernachlässigt werden durften. Im Gegenteil ist den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 13. Mai 2008 zu entnehmen, dass die Sicherheitsbelange bei den einzelnen Aktenteilen jeweils ein unterschiedliches Gewicht haben. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Beigeladene zu 2 sich bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung bereit findet, zumindest einzelne bislang gesperrte Aktenteile freizugeben. Das gilt namentlich für die der Anlage 3 zum Vorvertrag beigefügte Anlage 2, in der die allgemeinen Grundsätze beschrieben sind, nach denen die Bundeswehr die Mitbenutzung von Militärflugplätzen für gewerbliche fliegerische Zwecke gestattet.

b)

Eine abweichende Beurteilung ist geboten, soweit die Sperrerklärung - neben den Belangen der militärischen Sicherheit oder allein - auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Beigeladenen zu 1 abzielt.

Solche durch Art. 12 und 14 GG geschützten und auch im Rahmen des § 99 VwGO zu beachtenden privaten Geheimnisse finden sich insbesondere in der Anlage 3 zum Vorvertrag, die die dem Vorvertrag zugrunde liegende Konzeption der V.-GmbH, einer mit der Beigeladenen zu 1 verbundenen Gesellschaft, für die zivile Mitbenutzung des Militärflugplatzes S. enthält. Darin werden ins Einzelne gehende Überlegungen zur betriebswirtschaftlichen und baulich-technischen Realisierbarkeit des Vorhabens der Beigeladenen zu 1 und zu seinem voraussichtlichen Erfolg angestellt. Die Beigeladene zu 1 hat daher ein berechtigtes Interesse daran, den Inhalt der Konzeption gegenüber vorhandenen oder möglicherweise künftig auftretenden Wettbewerbern geheim zu halten. Zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Beigeladenen zu 1 sind auch die Anlagen 1a, 1b und 1c zur Anlage 3 zu zählen, denen weitere Einzelheiten zu dem Vorhaben der Beigeladenen zu 1 zu entnehmen sind. Keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthält dagegen der in der Anlage 2 zur Anlage 3 wiedergegebene amtliche Vermerk der Bundeswehr über die allgemeinen Grundsätze für die Gestattung der Mitbenutzung von Militärflugplätzen für gewerbliche fliegerische Zwecke. Die Anlagen 3 und 4 zur Anlage 3 sind ohnehin nicht Gegenstand der Sperrerklärung. Auch in den Anlagen 1 und 2 sowie 4 und 4a zum Vorvertrag und in den geschwärzten Teilen des Vorvertrags sind ebenso wie in der Anlage 2 zur Anlage 3 keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten. Die von der Bundeswehr gestellten militärischen Anforderungen an die zivile Mitbenutzung des Militärflugplatzes sind ausschließlich der Bundeswehr selbst, nicht der Beigeladenen zu 1 zuzuordnen, auch wenn sie den Rahmen für deren Vorhaben bilden.

Dem Interesse der Beigeladenen zu 1 am Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse steht das vom Kläger mit seiner Klage geltend gemachte Interesse am Zugang zu Umweltinformationen gegenüber. Der Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen dient, wie der Senat in seinem Beschluss vom 21. Februar 2008 (a.a.O. Rn. 24) ausgeführt hat, nicht oder nicht in erster Linie der Befriedigung von privaten Informationsinteressen. Vielmehr zielt er darauf ab, das allgemeine Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und auf diese Weise den Umweltschutz zu verbessern. Wer einen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen stellt, wird demnach (auch) als Sachwalter der Allgemeinheit tätig; seinem Interesse an der Verfolgung des Anspruchs im Prozess entspricht ein gleichgerichtetes öffentliches Interesse.

Nach welchem Maßstab in den Fällen, in denen - wie hier - das Interesse des Klägers an Umweltinformationen in Widerstreit gerät mit dem Interesse am Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eines Beigeladenen, die Interessenlage von der obersten Aufsichtsbehörde bei ihrer Entscheidung über die Aktenvorlage gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO im Einklang mit der Verfassung zu beurteilen ist, hat der Senat ebenfalls bereits in seinem Beschluss vom 21. Februar 2008 (a.a.O. Rn. 26) dargelegt. Danach braucht zwar das Interesse an Umweltinformationen wegen der Bedeutung des Zugangsanspruchs für die Allgemeinheit nicht von vornherein hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückzustehen. Andererseits müssen aber auch die privaten Geheimhaltungsinteressen nicht generell den Informationsinteressen weichen, weil dadurch der Schutz der Grundrechte im Zusammenhang mit der Offenbarung von Umweltinformationen vollständig entfiele. Vielmehr müssen die privaten Geheimhaltungsinteressen im Einzelnen mit den Informationsinteressen abgewogen werden. Nur soweit sich bei der Einzelabwägung ergibt, dass die Informationsinteressen ein größeres Gewicht als die privaten Geheimhaltungsinteressen haben, kann jenen Interessen der Vorzug gegeben werden. Andernfalls muss die Aktenvorlage unterbleiben.

Nach diesem Maßstab hat der Beigeladene zu 2 die Vorlage der Akten, soweit diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1 enthalten, im Ergebnis zu Recht verweigert, weil das vom Kläger verfolgte Interesse an Umweltinformationen die Geheimhaltungsinteressen der Beigeladenen zu 1 nicht überwiegt, sondern hinter diesen deutlich an Gewicht zurückbleibt. Insoweit war das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO durch den gebotenen Grundrechtsschutz, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zwingend vorgezeichnet.

Das geringere Gewicht des auf Seiten des Klägers in die Abwägung einzubringenden Informationsinteresses ergibt sich aus der Vorläufigkeit der Unterlagen, in die der Kläger Einblick zu nehmen begehrt. Bei den Akten, die dem Kläger nicht vollständig zugänglich gemacht worden sind, handelt es sich um einen Vorvertrag nebst Anlagen, nach dessen Präambel es bis zum Abschluss eines Nutzungsvertrags noch "der Klärung zahlreicher Fragen und umfangreicher Abstimmungen" bedarf. Dementsprechend hat auch die in Rede stehende Nutzungskonzeption mit den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Beigeladenen zu 1 in der Anlage 3 zum Vorvertrag lediglich den Charakter eines Vorentwurfs. Ein solcher Vorentwurf erfährt in der Regel bis zur endgültigen vertraglichen Absicherung und Realisierung des Vorhabens zahlreiche Änderungen, die für die Abschätzung seiner Umweltauswirkungen von erheblicher Bedeutung sein können. Wird das Vorhaben im Verlauf der Planung wegen mangelnder Realisierbarkeit oder aus anderen Gründen aufgegeben, so fällt das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über die zu erwartenden Umweltauswirkungen insgesamt weg. Es verdichtet sich erst, wenn die Planung abgeschlossen ist und das Vorhaben zur Genehmigung durch die zuständige Behörde gestellt wird.

Das bedeutet nicht, dass sich das (altruistische) Informationsinteresse gegenüber dem Geheimnisschutz erst und nur dann durchsetzen kann, wenn das Vorhaben genehmigungsreif ist. Es kommt vielmehr auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an. In diesem Zusammenhang ist einzustellen, ob es sich um - vom Geheimnisschutz erfasste - Informationen handelt, die im Vorfeld der Realisierung eines Vorhabens bei der Behörde angefallen sind. Auch solche Informationen im Vorfeld konkreter Planungen können zwar vom Umweltinformationsanspruch umfasst sein. In dem Maße, in dem die Konkretisierung des Vorhabens noch ungewiss und damit zugleich auch noch keine Aussagen über zu erwartende Umweltauswirkungen getroffen werden (können), verringert sich aber das Gewicht des Informationsinteresses gegenüber dem grundrechtlichen Interesse eines Vorhabenträgers an der Wahrung seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall, in dem sich das Vorhaben in einem von zahlreichen Ungewissheiten gekennzeichneten Vorstadium befindet, kommt dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse das größere Gewicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO . Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 GKG .