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BVerwG - Entscheidung vom 11.02.2009

3 PKH 1.09

Normen:
BerRehaG § 8
SGB I § 60 Abs. 2
VwGO § 166
ZPO § 114

BVerwG, Beschluss vom 11.02.2009 - Aktenzeichen 3 PKH 1.09

DRsp Nr. 2009/5153

Tenor:

Die Anträge der Kläger, ihnen für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 9. Dezember 2008 sowie für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, werden abgelehnt.

Der Antrag der Kläger auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.

Normenkette:

BerRehaG § 8 ; SGB I § 60 Abs. 2 ; VwGO § 166 ; ZPO § 114 ;

Gründe:

1.

Der Antrag der Kläger,

ihnen für die Durchführung des beabsichtigten Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe zu gewähren,

ist unbegründet; denn die beabsichtigte weitere Rechtsverfolgung ist ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ).

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision könnte nur Erfolg haben, wenn einer der Gründe gegeben wäre, aus denen nach § 132 Abs. 2 VwGO die Revision allein zugelassen werden kann. Die Kläger nehmen für sich sinngemäß den Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) und den Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) in Anspruch. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich aber nicht, dass einer dieser beiden Zulassungsgründe gegeben wäre, wobei der Senat in Rechnung stellt, dass die Kläger bislang ohne anwaltlichen Beistand sind und an die Schlüssigkeit ihres Vorbringens deshalb nur entsprechend geringe Anforderungen gestellt werden können.

a)

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine Rechtsfrage von allgemeiner, das heißt über den Einzelfall hinausweisender Bedeutung aufwirft, die der Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zugänglich und bedürftig ist. Die Kläger halten in diesem Sinne für klärungsbedürftig, ob die zuständige Behörde die Gewährung und Auszahlung von Ausgleichsleistungen nach § 8 BerRehaG von der vorherigen Mitteilung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse abhängig machen darf. Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision; denn sie ist auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens zweifellos zu bejahen.

Für das Verfahren der Gewährung von Ausgleichsleistungen nach § 8 Abs. 5 BerRehaG gilt unter anderem das Erste Buch Sozialgesetzbuch (§ 25 Abs. 4 BerRehaG ). Mit der Antragstellung muss der Verfolgte alle Tatsachen angeben, die für die Leistung erheblich sind (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB I ). Hierzu gehören auch Angaben zu seiner wirtschaftlichen Lage; denn Ausgleichsleistungen nach § 8 BerRehaG werden nur Verfolgten gewährt, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind (§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 4 BerRehaG ). Die Kläger müssen also mit ihrer Antragstellung vollständig und wahrheitsgemäß Auskunft über ihre wirtschaftliche Lage erteilen und hierbei ggf. die hierfür vorgesehenen Formulare der Beklagten verwenden (§ 60 Abs. 2 SGB I ).

Daran ändert auch § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I nichts. Nach dieser Vorschrift bestehen die Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I nicht, soweit die zuständige Behörde sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Die Kläger meinen, ihre Bedürftigkeit ergebe sich schon aus dem Umstand, dass sie Arbeitslosengeld II bezögen, worüber sich die Beklagte ohne weiteres selbst vergewissern könne. Das trifft schon deshalb nicht zu, weil über die Gewährung von Arbeitslosengeld II nach ihrem eigenen Vortrag regelmäßig erst verspätet - nämlich regelmäßig erst nach Beginn eines Bewilligungszeitraumes - entschieden wird, so dass ein Bescheid über Arbeitslosengeld II in dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte über die Gewährung von Ausgleichsleistungen nach § 8 BerRehaG zu entscheiden hat, noch gar nicht vorliegt. Im Übrigen lässt § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I die Mitwirkungspflicht des Antragstellers nicht schon immer dann entfallen, wenn die zuständige Behörde sich die erforderlichen Kenntnisse nur überhaupt anderweitig selbst beschaffen kann, sondern erst dann, wenn die Beschaffung der erforderlichen Kenntnisse ihr einen geringeren Aufwand verursacht als dem Antragsteller. Die Vorschrift geht ersichtlich davon aus, dass weder der Antragsteller noch die Behörde über die erforderlichen Kenntnisse selbst verfügt. Ob sie auch den Fall erfasst, dass sowohl der Leistungsträger - wenngleich vielleicht eine andere Stelle derselben Behörde - als auch der Antragsteller über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, mag dahinstehen (vgl. BSG, Urteil vom 13. März 2001 - B 3 P 20/00 R - SozR 3-3300 § 18 Nr. 2 = NZS 2001, 538). Keinesfalls entfällt die Pflicht des Antragstellers zur Vorlage von Beweisurkunden, die er im Besitz hat, wenn die Behörde die erforderlichen Kenntnisse nur durch Nachfrage bei einer anderen Stelle - und sei es bei einer anderen Stelle desselben Verwaltungsträgers - erlangen könnte.

Nur zur Klarstellung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Beklagte nicht befugt wäre, die Gewährung von Ausgleichsleistungen nach § 66 SGB I abzulehnen oder auch nur zu verzögern, nur weil auch die Bewilligungsbescheide über Arbeitslosengeld II für denselben Bewilligungszeitraum verspätet ergehen. Nach § 8 Abs. 5 BerRehaG werden die Ausgleichsleistungen monatlich im Voraus, beginnend mit dem auf die Antragstellung folgenden Monat, bezahlt. Die Behörde muss also vor Beginn des Auszahlungsmonats - und bei längeren Bewilligungszeiträumen vor Beginn dieses längeren Zeitraums - über die Gewährung entscheiden. Sie kann ihrer Entscheidung naturgemäß nur diejenigen Erkenntnismittel zugrunde legen, die zu diesem Zeitpunkt verfügbar sind. Hierzu darf sie den Antragsteller auffordern, sich rechtzeitig zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu äußern (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB I ) sowie diesbezügliche Beweisurkunden vorzulegen (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I ; vgl. Beschluss vom 21. April 1997 - BVerwG 5 PKH 2.97 - Buchholz 436.0 § 5 BSHG Nr. 15 m.w.N.). Kommt der Antragsteller dem nicht nach, so darf sie die Gewährung von Ausgleichsleistungen allein deshalb aber nicht ohne weiteres, sondern nur dann aussetzen oder ablehnen, wenn der Antragsteller damit seine Mitwirkungspflicht verletzt hat. In der Nichtvorlage einer Beweisurkunde liegt noch keine Pflichtverletzung, wenn der Antragsteller die Urkunde gar nicht in Händen hat. Sind Bewilligungsbescheide über andere Sozialleistungen, die als Beweisurkunden für die wirtschaftliche Lage des Antragstellers in Betracht kommen, für einen bestimmten Gewährungszeitraum zu dessen Beginn noch nicht ergangen, so stehen sie als Erkenntnisquelle für die Ermittlung der Bedürftigkeit des Antragstellers (noch) nicht zur Verfügung. Die Behörde muss die wirtschaftliche Lage des Antragstellers dann auf anderem Wege ermitteln und sich ggf. mit der eigenen Erklärung des Antragstellers gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB I begnügen; bietet ein späterer Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld II ein anderes Bild, so muss sie die Gewährung von Ausgleichsleistungen ggf. zurücknehmen (Urteil vom 10. September 1992 - BVerwG 5 C 71.88 - BVerwGE 91, 13 = Buchholz 435.12 § 50 SGB X Nr. 7). Der Anspruch auf Ausgleichsleistungen, die monatlich im Voraus gewährt werden (§ 8 Abs. 5 BerRehaG ), besteht eigenständig; er ist zeitlich nicht abhängig von einer vorherigen Bewilligung anderer Sozialleistungen für denselben Bewilligungszeitraum. Werden andere Sozialleistungen erst verzögert bewilligt, so rechtfertigt dies nicht, auch die Gewährung von Ausgleichsleistungen nach § 8 BerRehaG zu verzögern.

b)

Die Revision könnte auch wegen eines Verfahrensfehlers nicht zugelassen werden (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ). Die Kläger rügen insofern, das Urteil des Verwaltungsgerichts habe ein unzuständiger Richter erlassen (§ 138 Nr. 1 VwGO , Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ). Das trifft nicht zu. Die Entscheidung über die Klage war mit Beschluss vom 15. April 2008 dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden. Auf die Behauptung, dieser Beschluss litte an Rechtsfehlern, könnte eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden (§ 6 Abs. 4 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO ). Im Übrigen ist ein Rechtsfehler nicht ersichtlich. Namentlich ist der Beschluss seinerseits von den zuständigen Richtern gefasst und unterschrieben worden. Dass die den Klägern übermittelte Ausfertigung zunächst andere Richter nannte, ist unschädlich; der Ausfertigungsfehler ist denn auch berichtigt worden.

2.

Der Antrag auf

Erlass einer einstweiligen Anordnung

ist unzulässig, weil er nicht durch einen Prozessbevollmächtigten gestellt worden ist (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO ).

Sollte sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe auch hierauf erstrecken, so wäre er ebenfalls unbegründet, weil auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Aussicht auf Erfolg wäre (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ). Dabei mag dahinstehen, ob das Bundesverwaltungsgericht zuständig wäre (§ 123 Abs. 2 VwGO ). Die Kläger haben jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen ein Anspruch auf die begehrte Ausgleichsleistung für die zweite Jahreshälfte zusteht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ). Sie haben nämlich unverändert den Einwand der beklagten Behörde nicht ausgeräumt, sie hätten trotz Aufforderung ihre wirtschaftlichen Verhältnisse für diesen Zeitraum nicht dargelegt.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO . Von der Erhebung von Gerichtskosten wird nach § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG abgesehen.

Vorinstanz: VG Dresden, vom 09.12.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 7 K 18/08