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BVerwG - Entscheidung vom 11.09.2009

2 B 29.09

Normen:
BBG a.F. § 72
BBG § 87
AZV § 11 Abs. 1 S. 2
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3

BVerwG, Beschluss vom 11.09.2009 - Aktenzeichen 2 B 29.09

DRsp Nr. 2009/23316

Arbeitszeitgutschrift für Fahrzeiten mit dem Mautkontrollfahrzeug zwischen dienstlichen Wohnsitz und den im Dienstplan festgelegten Anfangspunkten und Endpunkten einer Kontrolltätigkeit

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

BBG a.F. § 72 ; BBG § 87 ; AZV § 11 Abs. 1 S. 2; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

1.

Der Kläger ist beim Bundesamt für Güterverkehr im Kontrolldienst beschäftigt. Er begehrt eine Arbeitszeitgutschrift für Fahrzeiten mit dem Mautkontrollfahrzeug zwischen seinem dienstlichen Wohnsitz und den im Dienstplan festgelegten Anfangs- und Endpunkten seiner Kontrolltätigkeit. Seine Klage hatte in der Berufungsinstanz Erfolg, soweit er im Mautkontrolldienst tätig war. Diese Zeiten seien vollständig als Arbeitszeit zu berücksichtigen und nicht lediglich in Höhe der pauschalen Rüstzeiten. Die Fahrten seien Bestandteil der Dienstgeschäfte des Klägers gewesen.

2.

Die auf alle Zulassungsgründe gestützte Beschwerde der Beklagten ist unbegründet.

a)

Die Beklagte sieht als grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) an, ob es sich bei der Fahrzeit außerhalb der regelmäßigen Dienstzeit zwischen einem dienstlichen Wohnsitz und einem Einsatzort mit einem Dienstkraftfahrzeug um Dienstzeit im Sinne des § 72 BBG a.F. (§ 87 BBG n.F.) oder angesichts der geringen Intensität der Inanspruchnahme des Beamten um Reisezeit im Sinne des § 72 BBG a.F. (§ 87 BBG n.F.) i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 2 AZV handelt.

Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, da sie sich nach den zugrunde zu legenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht stellt. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger mit den im Dienstkraftfahrzeug zurückgelegten Fahrten zum und vom Mautkontrolldienst objektiv ein Dienstgeschäft verrichtet hat. Die Fahrten gehörten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zum Kernbereich der von ihm wahrzunehmenden Aufgaben des ihm übertragenen Amtes, sodass es nicht auf die Intensität der Inanspruchnahme ankommt.

Der Senat hat in dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Urteil vom 29. Januar 1987 - BVerwG 2 C 14.85 - (Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 28) ausgeführt, dass zwar nicht jede Inanspruchnahme des Beamten durch den Dienstherrn im arbeitszeitrechtlichen Sinne Dienst ist. Es muss sich vielmehr nach Inhalt und Intensität der Beanspruchung um vorgeschriebenen Dienst handeln. Ob dies der Fall ist, richtet sich danach, was der Beamte im Rahmen des ihm übertragenen konkret-funktionellen Amtes konkret zu leisten hat. Nur eine solche dienstlich verursachte Inanspruchnahme, die entweder zum Bereich der vom Beamten wahrzunehmenden Aufgaben des ihm übertragenen Amtes gehört oder ihn jedenfalls im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Dienstaufgaben nach den besonderen Umständen des Einzelfalles in seiner Aufmerksamkeit und Dispositionsfreiheit so erheblich in Anspruch nimmt, dass sie den ihm obliegenden Dienstverrichtungen gleichzuachten ist, kommt als Dienstgeschäft in Betracht.

Gehören also - wie dies das Berufungsgericht festgestellt hat - die Fahrten des Klägers zum und vom Mautkontrolldienst selbst schon zum Bereich der vom Beamten wahrzunehmenden Aufgaben des ihm übertragenen Amtes, so kommt es nicht mehr darauf an, ob sie ihn nach den besonderen Umständen des Einzelfalles in seiner Aufmerksamkeit und Dispositionsfreiheit erheblich in Anspruch nehmen oder nicht. Denn diese Voraussetzungen müssen nur in den Fällen erfüllt sein, in denen die Tätigkeit lediglich im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Dienstaufgaben steht.

b)

Aus diesem Grund ist auch die von der Beschwerde gerügte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ), nach der es darauf ankommt, ob die dienstliche Inanspruchnahme generell dem Inhalt und der Intensität nach als Dienst anzusehen ist (Urteile vom 27. Mai 1982 - BVerwG 2 C 49.80 - Buchholz 237.0 § 90 LBG BW Nr. 2 und vom 29. Januar 1987 a.a.O.), nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung seiner Entscheidung vielmehr zugrunde gelegt.

c)

Die Beschwerde rügt schließlich als Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ), das Berufungsgericht sei der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nach § 86 VwGO nicht nachgekommen.

Der behauptete Verfahrensverstoß lässt sich nicht feststellen. Dem Tatsachengericht obliegt zwar die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits auf der Grundlage des von ihm bezogenen materiellrechtlichen Standpunkts (Beschluss vom 19. August 1998 - BVerwG 2 B 6.98 - [...]) erforderlich ist. Hier waren aber ausgehend von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts keine weiteren Ermittlungen erforderlich.

aa)

Die Beschwerde rügt zunächst, für den Mautkontrolldienst hätte aufgeklärt werden müssen, in welchem Umfang der Kläger das Fahrzeug selbst gesteuert habe. Für die unterstützende Tätigkeit des Klägers im Straßenkontrolldienst sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger sich während der gemeinsamen An- und Abfahrten mit seinem Kollegen abgewechselt habe, sodass er lediglich in der Hälfte der Fälle das Dienstkraftfahrzeug selbst gelenkt habe.

Mit dieser Rüge vermag die Beschwerde nicht durchzudringen. Nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts handelte es sich bei den Fahrten mit dem Dienstkraftfahrzeug zum und vom Mautkontrolldienst - anders als bei den Fahrten zum und vom unterstützenden Straßenkontrolldienst - um einen Bestandteil der dem Kläger obliegenden Dienstgeschäfte, sodass es nicht darauf ankam, wer das Fahrzeug gelenkt hat.

bb)

Die Beschwerde rügt weiter, das Berufungsgericht sei für die Monate September und Oktober 2003 sowie für die Zeit vom Januar 2005 bis Juli 2007 von durchschnittlich zwanzig Arbeitstagen (Fünf-Tage-Woche) ausgegangen, während die Beklagte mitgeteilt habe, dass regelmäßig weniger Arbeitstage anfielen. Bei Befragung der Beteiligten wäre festgestellt worden, dass Fahrzeiten nur an durchschnittlich vier Tagen in der Woche angefallen seien.

Auch diese Rüge muss erfolglos bleiben. Die Stellungnahme der Beklagten vom 14. November 2008 gab dem Berufungsgericht keinen Anlass zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen. In dieser hat die Beklagte ausgeführt:

"Da an einzelnen Tagen aufgrund der Länge der Kontrollrouten Arbeitszeiten über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit (im Falle des Klägers von 8 Stunden täglich) hinaus anfallen können, werden diese Stunden bereits in der Planung des Soll-Dienstplanes, an anderen Tagen des betreffenden Dienstplanmonats im Dienstplan ausgeglichen, indem der Mautkontrolleur an diesen Tagen weniger arbeitet oder einzelne Tage dienstfrei erhält. Im Fall von notwendigen Abweichungen vom Dienstplan erfolgt eine Änderung des Soll-Dienstplanes durch Dienstplanänderungen..."

Aus dieser Stellungnahme ergab sich zwar, dass der Kläger an einzelnen Tagen dienstfrei erhielt, nicht aber, dass der Kläger nur an durchschnittlich vier Tagen in der Woche gearbeitet hat. Danach musste das Berufungsgericht weiterhin von einer Fünf-Tage-Woche ausgehen. Eine weitergehende Ermittlung der genauen Zahl der Arbeitstage war nach seiner Rechtsauffassung nicht angezeigt, weil bei pauschalierender Betrachtung eine "spitze" Abrechnung unter Einbeziehung z.B. der Krankheits-, Feier- oder Abwesenheitstage etc. nicht erforderlich war.

cc)

Schließlich rügt die Beklagte, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend ermittelt, dass das Dienstfahrzeug nicht deshalb außerhalb der Autobahnen stationiert worden sei, um Vor- und Nachbereitungstätigkeiten auszuführen, sondern aus Fürsorgegründen, um den Einsatzort auf der Bundesautobahn leichter erreichbar zu machen. Bei weiterer Sachverhaltsaufklärung wäre festgestellt worden, dass die Fahrzeiten der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr auf dem Weg zur Arbeit entsprächen und eine Unvereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz angesichts des besonderen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbaren Einsatzbereichs des Klägers nicht gegeben sei.

Die Beschwerde zeigt schon nicht auf, welche Ermittlungen sich dem Berufungsgericht in diesem Zusammenhang hätten aufdrängen müssen. Das Berufungsgericht hat zudem unter dem 28. Oktober 2008 hierzu umfassend bei den Beteiligten nachgefragt. Darin, dass es die Antworten der Beklagten rechtlich anders bewertet als die Beklagte und die Fahrzeit zum und vom Mautkontrolldienst als Dienstzeit ansieht, liegt kein Verstoß gegen die ihm nach § 86 VwGO obliegende Aufklärungspflicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 09.12.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 5 LC 293/06