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BVerwG - Entscheidung vom 12.10.2009

20 F 21.08

Normen:
PflSchG § 16c
PflSchG § 18c
VwGO § 99 Abs. 1 S. 2
EG Art. 28

BVerwG, Beschluss vom 12.10.2009 - Aktenzeichen 20 F 21.08

DRsp Nr. 2009/25763

Anspruch auf eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für den Parallelimport eines in Irland zugelassenen Pflanzenschutzmittels i.F.e. in Deutschland zugelassenen Referenzmittels; Verweigerung von Akten oder Auskünften wegen enthaltenen Betriebsgeheimnissen und Geschäftsgeheimnissen; Ermessensausübung bei der Gewichtung von Geheimhaltungsinteressen

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt

Normenkette:

PflSchG § 16c; PflSchG § 18c; VwGO § 99 Abs. 1 S. 2; EG Art. 28;

Gründe

I

Die Klägerin handelt mit Pflanzenschutzmitteln. Im Hauptsacheverfahren begehrt sie eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nach § 16c des Pflanzenschutzgesetzes ( PflSchG ) für den Parallelimport eines in Irland zugelassenen Pflanzenschutzmittels und beruft sich auf ein in Deutschland zugelassenes Referenzmittel. Sie möchte das Importmittel in Deutschland als "... 700-I" vertreiben. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) lehnte den Antrag auf Erteilung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung ab, weil das Importmittel nicht mit dem Referenzmittel übereinstimme, sondern andere Beistoffe mit wesentlicher Funktion (Dispergier- und Netzmittel) als das Referenzmittel enthalte. Dies könne Auswirkungen auf die Wirksamkeit und Qualität haben. Daher müsse eine Neubewertung in einem Zulassungsverfahren erfolgen. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht dem BVL mit Beschluss vom 27. Februar 2008 aufgegeben, die im Verwaltungsverfahren eingeholte Auskunft der irischen Behörde nebst Anlagen hinsichtlich der in dem Importmittel enthaltenen Dispergier- und Netzmittel vorzulegen sowie Auskunft darüber zu geben, welche namentlich bezeichneten Dispergier- und Netzmittel in dem Referenzmittel enthalten sind. Der Beigeladene verweigerte dies mit Sperrerklärung vom 28. März 2008. Die Angaben seien als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gemäß § 18c PflSchG geheim zu halten. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebiete keine andere Entscheidung. Die Klägerin habe nicht dargetan, dass die Kenntnis dieser Angaben zu ihrer Prozessführung beitragen könne. Außerdem würde die Weitergabe der Auskünfte anderer Mitgliedstaaten die künftige Zusammenarbeit gefährden. Der von der Klägerin angerufene Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 festgestellt, dass die Auskunfts- und Vorlageverweigerung durch den Beigeladenen rechtmäßig sei. Zur Begründung hat der Fachsenat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Ermessensausübung des Beigeladenen nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu beanstanden sei. Es könne dahinstehen, ob die Erwägung trage, der Klägerin seien die zurückgehaltenen Angaben für ihre Prozessführung nicht von Nutzen. Jedenfalls sei die Gefährdung der Zusammenarbeit mit den Zulassungsbehörden anderer Mitgliedstaaten ein tragfähiger Gesichtspunkt. Zwar weise § 99 VwGO in mehrpoligen Rechtsverhältnissen Schutzdefizite auf, die im Grunde nur durch eine Erstreckung des in-camera-Verfahrens auf den Rechtsstreit in der Hauptsache befriedigend gelöst werden könnten. In Streitigkeiten über die Erteilung einer Bescheinigung für den Parallelimport nach § 16c PflSchG entschärfe sich die Konfliktlage jedoch, weil der betroffene Antragsteller ein reguläres Zulassungsverfahren durchführen könne. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1.

Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts ist zutreffend davon ausgegangen, dass der grundsätzlich erforderlichen Prüfung und förmlichen Kundgabe der Entscheidungserheblichkeit der verweigerten Akten und Auskünfte durch das Gericht der Hauptsache mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. Februar 2008 Genüge getan worden ist. Hat das Gericht der Hauptsache - wie hier - die Entscheidungserheblichkeit in einem Beschluss geprüft und bejaht, ist der Fachsenat grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden (Beschlüsse vom 28. März 2006 - BVerwG 20 F 1.05 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 40 Rn. 6; vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - BVerwGE 130, 236 Rn. 13 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 46 und vom 5. Februar 2009 - BVerwG 20 F 3.08 - [...] Rn.4). Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist. Die Grenze zur Offensichtlichkeit ist erst dann überschritten, wenn sich die Rechtsauffassung als nicht vertretbar erweist (Beschluss vom 21. Februar 2008 a.a.O. Rn. 14).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Einwand des BVL, auf den sich auch der Beigeladene stützt, die Akten und Auskünfte seien nicht entscheidungserheblich, weil es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verweigerung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nicht auf die Kenntnis der konkreten Beistoffe ankomme, sondern nur auf die abstrakt beantwortbare Frage, ob Dispergier- und Netzmittel Beistoffe mit wesentlicher Funktion seien, überzeugt nicht. Es mag zwar sein, dass eine Stoffabweichung nicht zur Versagung der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung führt, wenn sie nur unwesentliche Beistoffe betrifft. Die Klägerin bestreitet aber in erster Linie, dass überhaupt eine Abweichung vorliegt. Sollte dieser Einwand, den das Verwaltungsgericht mit Hilfe der verweigerten Akten und Auskünfte verifizieren möchte, berechtigt sein, erübrigten sich die weiterführenden Erwägungen des BVL zur Wesentlichkeit von Beistoffen und der Prüfungstiefe im Verfahren nach § 16c PflSchG .

Eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit der vom Hauptsachegericht angenommenen Entscheidungserheblichkeit ergibt sich ferner nicht aus der von den Beteiligten erörterten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Februar 2008 - Rs. C-201/06 - (Slg. 2008, I-735). Soweit der Entscheidung entnommen werden kann, dass bestimmte in einem anderen Mitgliedstaat aufgestellte Voraussetzungen für die Zulassung von Parallelimporten mit Art. 28 EG vereinbar sind, ist damit noch nicht entschieden, ob eine weniger strenge Regelung nach deutschem Recht gemeinschaftswidrig wäre. Alles Weitere ist eine Frage der Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Fachrechts, die dem Gericht der Hauptsache obliegt. Das Verwaltungsgericht hat sich - wie sich aus dem den Beteiligten bekannt gegebenen Erläuterungsschreiben an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts vom 12. August 2008 ergibt - mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auseinandergesetzt und an seinem Rechtsstandpunkt zur Entscheidungserheblichkeit der erbetenen Akten und Auskünfte festgehalten.

2.

Die Verweigerung von Akten oder Auskünften durch die oberste Aufsichtsbehörde erfordert tatbestandlich das Vorliegen eines Geheimhaltungsgrundes nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO . Danach kann die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigert werden, wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen.

Die zurückgehaltenen Akten und Auskünfte betreffen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Inhaber der Zulassungen für das Importmittel und das Referenzmittel bzw. der Hersteller. Zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (Beschluss vom 19. Januar 2009 - BVerwG 20 F 23.07 - NVwZ 2009, 1114 <1116>; BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 - BVerfGE 115, 205 < 230 f.>). Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts ist zutreffend davon ausgegangen, dass Angaben über die konkrete Zusammensetzung oder bestimmte Bestandteile eines Pflanzenschutzmittels, soweit sie keiner gesetzlichen Mitteilungspflicht unterliegen, zu den Betriebsgeheimnissen zählen. Bei Betriebsgeheimnissen handelt es sich um Vorgänge, die im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind.

3.

Grundsätzlich erfordert die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage bei Geheimhaltungsbedarf eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO . Der Fachsenat und damit auch das Beschwerdegericht haben zu überprüfen, ob die Entscheidung den an die Ermessensausübung gestellten Anforderungen genügt.

3.1

Durch die Ermessenseinräumung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung zu geben. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht. Maßstab ist dabei neben dem privaten Interesse am effektiven Rechtsschutz und dem - je nach Fallkonstellation - öffentlichen oder privaten Interesse am Geheimnisschutz auch das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung. Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat (vgl. nur Beschluss vom 21. Februar 2008 a.a.O. Rn. 18 f. m.w.N.).

3.2

Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann in bestimmten Fallkonstellationen jedoch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrechtlich geschützt ist. Denn Beeinträchtigungen von Grundrechten sind nur dann zulässig, wenn sie durch hinreichende, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Gründe gerechtfertigt werden (Beschluss vom 21. Februar 2008 a.a.O. Rn. 20).

Die Frage nach der ausreichenden Rechtfertigung eines mit der Aktenvorlage verbundenen Grundrechtseingriffs stellt sich vor allem in mehrpoligen Rechtsverhältnissen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass neben dem Kläger und dem beklagten Staat von einer Auskunft oder Akteneinsicht auch private Dritte betroffen sein können, deren Interessen denen des Klägers entgegengesetzt sind. In solchen Fällen sind neben dem öffentlichen und privaten Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden und seinen Inhalt prägenden widerstreitenden Individualinteressen in die Entscheidung einzubeziehen. Soweit keine Lösung ersichtlich ist, die hinsichtlich Eignung und Erforderlichkeit für jedes der kollidierenden Rechtsgüter zu einem positiven Ergebnis kommt, weil die Entscheidung nur zu Gunsten der einen oder der anderen Position fallen kann, muss zur Herstellung praktischer Konkordanz auf der Stufe der Angemessenheit eine Abwägung erfolgen, die die jeweiligen Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit einbezieht. Dabei ist zu prüfen, ob Abstriche in der Eignung und Erforderlichkeit hinsichtlich des einen kollidierenden Rechtsguts angesichts der dadurch bewirkten Möglichkeit zum Schutz des anderen Guts in einem angemessenen Verhältnis stehen, insbesondere zumutbar sind, oder ob die Angemessenheit eher erreicht wird, wenn Minderungen der Eignung und Erforderlichkeit hinsichtlich des anderen Rechtsguts in Kauf genommen werden (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 a.a.O. S. 232 ff.). Ergibt sich dabei, dass die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch die genannten öffentlichen Interessen verstärkten privaten Interessen an Bedeutung hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss sich dieser Schutz durchsetzen. Ebenso kann umgekehrt bei einem geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein. In allen diesen Fällen verbleibt für die Ausübung des in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO um der Wahrheitsfindung und des effektiven Rechtsschutzes willen eröffneten Ermessens kein Raum (vgl. nur Beschluss vom 21. Februar 2008 a.a.O. Rn. 20).

4.

Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Fachsenats im Ergebnis nicht zu beanstanden.

4.1

Allerdings genügt die Erklärung des Beigeladenen nicht den Anforderungen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO , weil er die prozessuale Bedeutung der zurückgehaltenen Auskünfte und Akten für die Klägerin verkannt hat. Der Beigeladene ist davon ausgegangen, dass die Kenntnis der konkreten Beistoffe des Referenzmittels zum Prozesserfolg der Klägerin nichts beitragen könne, weil das BVL die Versagung darauf gestützt habe, dass das Importmittel anders als das Referenzmittel bestimmte Beistoffe nicht enthalte. Für die Richtigkeit dieser Feststellung, die die Klägerin bestreitet, kommt es aber - wie dargelegt - auf die konkrete Beistoffzusammensetzung sowohl im Import- als auch im Referenzmittel an. Damit hat der Beigeladene einen im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wesentlichen Gesichtspunkt, nämlich die Bedeutung der zurückgehaltenen Auskünfte und Akten für das rechtliche Gehör und die effektive Rechtsschutzgewährung, praktisch ausgeblendet, anstatt ihn mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen. Dieses Defizit kann, anders als der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts möglicherweise meint, nicht dadurch ausgeglichen werden, dass der Beigeladene für die Geheimhaltung auch den Schutz der Zusammenarbeit mit den Zulassungsstellen anderer Mitgliedstaaten angeführt hat; denn dies ändert nichts daran, dass die zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigenden Umstände nicht zum Tragen gekommen sind. Dass der Beigeladene in der Sperrerklärung auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verweist, genügt nicht, zumal er sich nur auf die Nennung dieses Stichworts beschränkt und zudem angesichts seines Hinweises auf § 30 VwVfG zweifelhaft erscheint, ob er Bedeutung und Tragweite der Ermessensausübung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO überhaupt erkannt hat.

4.2

Im vorliegenden Fall war jedoch eine selbstständige Ermessensentscheidung der obersten Aufsichtsbehörde ausnahmsweise entbehrlich; denn das Ergebnis der nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Abwägung war rechtlich vorgezeichnet. Für Ermessenserwägungen war deshalb kein Raum. Das ergibt sich aus Folgendem:

Auf der einen Seite steht der Schutz der Betriebsgeheimnisse der Zulassungsinhaber, der durch das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 a.a.O. S. 229). Er findet seinen Niederschlag zwar auch in einfach-gesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften, etwa hier in § 18c PflSchG . Das besondere Gewicht der Geheimhaltungsinteressen ergibt sich indes aus ihrem grundrechtlichen Bezug; aus diesem folgt, dass Beeinträchtigungen je nach Intensität und Schwere des Eingriffs nur beim Vorliegen hinreichend gewichtiger Rechtfertigungsgründe hinnehmbar sind.

Die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit durch eine Offenbarung bestimmter Informationen über die Zusammensetzung der Pflanzenschutzmittel wäre erheblich. Das in einem Unternehmen vorhandene Wissen über Herstellungsverfahren oder die genaue Zusammensetzung eines Produkts stellt einen wirtschaftlichen Wert dar; es bildet eine Grundlage der unternehmerischen Berufstätigkeit und bestimmt in einer Marktordnung, die sich nach den Grundsätzen des Wettbewerbs vollzieht, die Beziehungen zu anderen Unternehmen, namentlich den Konkurrenten. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Preisgabe eines einzelnen Beistoffes eines Pflanzenschutzmittels unbedeutend sei, weil dessen Kenntnis der Konkurrenz und erst recht einem bloßen Importeur wie ihr nichts nutze. Zum einen greift der Schutz der Betriebsgeheimnisse nicht erst dann ein, wenn Produktangaben in einem Umfang offenbart werden, die bereits eine Kopie des Originalprodukts ermöglichen. Auch Angaben zu einzelnen Bestandteilen können die Herstellung eines Generikums jedenfalls erleichtern. Zum anderen kann das Wissen um bestimmte Abweichungen in der Zusammensetzung eines Pflanzenschutzmittels angesichts des Prinzips der nationalen Zulassung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG, § 11 Abs. 1 PflSchG ) schon für sich genommen von wirtschaftlicher Bedeutung sein, weil es sich auf die Möglichkeit des Zugangs zu einem nationalen Markt über den Weg des Parallelimports auswirken kann. Der vorliegende Fall ist dafür ein anschauliches Beispiel.

Auf der anderen Seite steht das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an einem Vertrieb des Importmittels in Deutschland ohne Durchführung eines Zulassungsverfahrens nach § 15 oder § 15b PflSchG . Die Klägerin hat darauf unter den Voraussetzungen des § 16c PflSchG einen Anspruch. Die Entfaltung ihrer Geschäftstätigkeit ist ebenfalls durch die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützt, allerdings nur in den Grenzen, die ihr durch die entgegenstehenden (Grund-)Rechte Dritter sowie einfach-gesetzlich insbesondere durch das Pflanzenschutzgesetz gezogen sind. Zur Klärung und Durchsetzung des behaupteten materiellen Anspruchs gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. Daran besteht ein privates Interesse der Klägerin, verstärkt durch das allgemeine öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung. Durch die Verweigerung der Auskunft und Aktenvorlage wird der effektive Rechtsschutz eingeschränkt.

Die Abwägung dieser widerstreitenden Interessen führt zu dem Ergebnis, dass das grundrechtlich geschützte Interesse der Zulassungsinhaber an einem Schutz ihrer Betriebsgeheimnisse überwiegt. Die Klägerin kann nicht verlangen, ihren behaupteten Rechtsanspruch unter Inkaufnahme eines Bruchs von Betriebsgeheimnissen Dritter durchsetzen zu können. Im Einzelnen:

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass eine Lösung des Konflikts zu Gunsten des effektiven Rechtsschutzes der Klägerin zu einer Entwertung des Geheimnisschutzes führen würde, während eine Lösung zu Gunsten des Geheimnisschutzes die Rechtsschutzmöglichkeiten der Klägerin mindert, aber nicht ausschließt. Ohne Kenntnis der konkreten Beistoffe des Import- und des Referenzmittels kann die Klägerin zwar ihren in erster Linie vorgebrachten Einwand, tatsächlich liege gar keine Abweichung vor, nicht anhand der - vom Gericht der Hauptsache deshalb als entscheidungserheblich betrachteten - Akten überprüfen lassen. Das Gericht der Hauptsache wird aber auch die weiterführenden Argumente, mit denen die Klägerin den behaupteten Anspruch begründet, in den Blick zu nehmen haben. Die Klägerin hat den Rechtsstandpunkt eingenommen, dass die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nur versagt werden dürfe, wenn Unterschiede in der Zusammensetzung nicht nur - wie es das BVL für ausreichend hält - potenziell, sondern tatsächlich zu unterschiedlichen Wirkungen führen. Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf die erwähnte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs berufen, wonach auch ein nicht in allen Punkten mit dem Referenzmittel übereinstimmendes Importmittel als Parallelimport verkehrsfähig ist, wenn es unter anderem die gleichen Wirkungen hat (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2008 - Rs.-C 201/06 - Slg. 2008, I-735 Rn. 39). Sollte das Gericht der Hauptsache den Rechtsstandpunkt der Klägerin teilen, käme es auf die allgemein beantwortbare Frage an, ob für die gleiche Wirkung überhaupt auf Unterschiede in den Beistoffen abgestellt werden darf, bejahendenfalls weiter darauf, ob die hier in Rede stehenden Beistoffe nach ihrer Funktion wesentlich sind. Erst dann wäre zu klären, ob die Abweichungen tatsächlich zu unterschiedlichen Wirkungen führen. Sollte der letztgenannte Aspekt entscheidungserheblich werden, wäre das BVL gehalten, die konkreten Unterschiede näher zu plausibilisieren. Eine Erläuterung der unterschiedlichen Wirkungsweise erscheint jedenfalls bis zu einem gewissen Grad auch ohne Nennung der jeweiligen Beistoffe grundsätzlich möglich.

Soweit der effektive Rechtsschutz durch die fehlende Kenntnis der zurückgehaltenen Angaben gemindert wird, ist ergänzend zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich nicht darauf zurückziehen kann, als bloßer Importeur keine zumutbaren Möglichkeiten zu haben, anders als über das prozessuale Mittel der Akteneinsicht Kenntnis von der Zusammensetzung der von ihr gehandelten Pflanzenschutzmittel zu erhalten. Auch dem Importeur als Antragsteller einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung können Ermittlungen in Bezug auf das von ihm importierte Pflanzenschutzmittel obliegen. Nach § 16c Abs. 3 PflSchG darf die Behörde, soweit es zur Feststellung der Verkehrsfähigkeit erforderlich ist, eine Vergleichsuntersuchung des Importmittels mit dem Referenzmittel verlangen. Die Vorschrift zeigt, dass der Gesetzgeber solche Untersuchungen für grundsätzlich möglich und zumutbar hält. Die Behauptung der Klägerin, ohne Kenntnis der konkreten Beistoffe dazu nicht in der Lage zu sein, erscheint vor diesem Hintergrund unsubstanziiert. Die Wertung des Gesetzgebers ist auch hier von Bedeutung. Danach ist es nicht schlechterdings unzumutbar, die Klägerin auf eine solche Untersuchung zu verweisen, um Einbußen an effektivem Rechtsschutz, die durch den Schutz der Betriebsgeheimnisse Dritter begründet sind, zu überwinden. Sollte sich nach alledem keine Übereinstimmung mit dem in Deutschland zugelassenen Referenzmittel feststellen lassen, bliebe die Möglichkeit einer erleichterten Zulassung nach § 15b PflSchG , um das in Irland zugelassene Pflanzenschutzmittel in Deutschland in den Verkehr zu bringen.

Das Maß der Beeinträchtigung auf Seiten der Klägerin ist schließlich in gewisser Weise zusätzlich dadurch relativiert, dass ihr nach eigenem Bekunden bereits mehrere Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen für das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel erteilt worden sind. Der wirtschaftliche Nachteil besteht also nicht darin, ein Pflanzenschutzmittel unter dieser Bezeichnung überhaupt nicht in Deutschland vertreiben zu können, sondern in der Beschränkung der Bezugsquellen. Zwar hat die Klägerin ein verständliches Interesse an möglichst vielen Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen, um die Abhängigkeit von einzelnen Zwischenhändlern und Importwegen zu vermindern und eine möglichst hohe Preisspanne nutzen zu können. Der bezweckten Verbesserung ihrer Wettbewerbssituation kommt aber in der Gesamtbetrachtung kein solches Gewicht zu, dass eine Offenbarung von Betriebsgeheimnissen Dritter gerechtfertigt sein könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 52 Abs. 2 , § 47 Abs. 1 GKG .