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BVerwG - Entscheidung vom 08.04.2009

9 VR 23.08

Normen:
VerkplanbeschlG § 5 Abs. 2

BVerwG, Beschluss vom 08.04.2009 - Aktenzeichen 9 VR 23.08

DRsp Nr. 2009/14024

Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss; Verstoß gegen das Abwägungsgebot i.R.e. Bevorzugung eines Belangs in der Kollision verschiedener gegenläufiger Belange bei der Verfolgung eines Planungsziels

Tenor:

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerinnen gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 24. September 2008 wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellerinnen je zur Hälfte auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

VerkplanbeschlG § 5 Abs. 2;

Gründe:

I

Die Antragstellerinnen begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 24. September 2008 für den Ausbau der Bundesstraße 96 - Kirchhainer Damm - in Berlin-Lichtenrade. Sie sind Eigentümer von Anliegergrundstücken im nördlichen Bereich des Ausbauvorhabens, die mit Mehrfamilienhäusern bebaut sind und von denen zur Straße hin gelegene Flächen teilweise zum Erwerb für den Straßenausbau vorgesehen sind. Sie machen geltend, die vorgesehene Feintrassierung im nördlichen Bereich des Ausbauvorhabens sei abwägungsfehlerhaft, da sie die Eigentümer der westlich der Trasse gelegenen Grundstücke ohne ausreichenden Grund einseitig benachteilige. Vorzugswürdig sei es stattdessen, die vorgesehene Erweiterung der Straße um eine zusätzliche Fahrbahn in diesem Bereich von der West- auf die Ostseite der vorhandenen Fahrbahn zu verlegen.

II

Der Antrag, gegen dessen Zulässigkeit keine durchgreifenden Bedenken bestehen, ist unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses überwiegt das Interesse der Antragstellerinnen an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur Entscheidung über ihre Klage.

Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, dass die Anfechtungsklage auf der Grundlage der zur Begründung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorgetragenen Gesichtspunkte voraussichtlich keinen Erfolg haben kann. Unter diesen Umständen besteht kein hinreichender Anlass dafür, von der in § 5 Abs. 2 Satz 1 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes vorgesehenen Regel der sofortigen Vollziehbarkeit der Planfeststellung hier abzusehen.

Rügen gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses erheben die Antragstellerinnen nicht. Auch eine Verletzung des materiellen Rechts, die einen Anspruch der Antragstellerinnen auf - teilweise - Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auf Feststellung seiner - teilweisen - Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit begründen könnte, lässt sich dem Antragsvorbringen nicht entnehmen. Dieses weist insbesondere nicht auf Mängel bei der durch § 17 Satz 2 FStrG gebotenen Abwägung hin, die gemäß § 17e Abs. 6 FStrG erheblich - also offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis im Bereich der Grundstücke der Antragstellerinnen von Einfluss gewesen - sind und nicht durch Planergänzung behoben werden können.

Die Planrechtfertigung des Vorhabens als solche wird von den Antragstellerinnen ausdrücklich nicht in Frage gestellt. Sie wenden sich vielmehr lediglich gegen die vorgesehene Feintrassierung im nördlichen Bereich des Vorhabens. Ihrem diesbezüglichen Vorbringen kann jedoch nicht entnommen werden, dass die von ihnen bevorzugte Verlegung der vorgesehenen Erweiterung der Straße um eine zusätzliche Fahrbahn in diesem Bereich auf die Ostseite der vorhandenen Fahrbahn sich unter Berücksichtigung aller nicht präkludierten abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Variante darstellen würde, so dass sich diese Lösung dem Antragsgegner hätte aufdrängen müssen und der Planfeststellungsbeschluss deshalb an einem beachtlichen Abwägungsfehler leidet (vgl. zu diesem Maßstab Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 m.w.N.).

Die Planfeststellungsbehörde hat sich vor dem Hintergrund der von den Antragstellerinnen erhobenen, die Inanspruchnahme ihres Eigentums und die Beeinträchtigung seiner Nutzung durch das Heranrücken der Straße betreffenden Einwendungen auch mit einer Verschiebung der Trasse in östliche Richtung im nördlichen Bereich des Vorhabens auseinander gesetzt. Sie hat insoweit darauf verwiesen, dass die ursprünglich vorgesehene Planung, im nördlich der Grundstücke der Antragstellerinnen gelegenen Bereich zwischen Goltzstraße und Nürnberger Straße die zusätzliche Fahrbahn östlich der vorhandenen anzulegen, aufgrund der im ersten Anhörungsverfahren im Jahre 2000 eingegangenen Stellungnahmen und Einwendungen durch die jetzt vorgesehene Planung ersetzt wurde, wonach die zusätzliche Fahrbahn westlich der vorhandenen errichtet werden soll. Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge und des planfestgestellten Erläuterungsberichts entsprach diese Änderung des ausgelegten Plans insbesondere einer Stellungnahme der für die Planung und Gestaltung von Straßen und Plätzen zuständigen Fachbehörde des Antragsgegners. Diese hatte die östliche Verschwenkung der stadteinwärtigen Richtungsfahrbahn und den stark eingeschränkten Seitenbereich am Grundstück Kirchhainer Damm 3 als mit den stadträumlichen Gestaltungsgrundsätzen unvereinbar abgelehnt und es aus stadtgestalterischer Sicht als zwingend erforderlich angesehen, die bestehende östliche Baumreihe stringent beizubehalten und entsprechend der derzeitigen Situation nach Norden weiterzuführen. Dies schloss eine östliche Verbreiterung der Trasse mit einer entsprechenden Unterbrechung der Baumreihe am Nordende des Kirchhainer Dammes aus.

Auf der Grundlage dieser von ihr übernommenen Planungsentscheidung für den Bereich zwischen Goltzstraße und Nürnberger Straße hielt die Planfeststellungsbehörde es aus straßenentwurfstechnischen Gründen nicht für sinnvoll, die Trasse lediglich im südlich anschließenden Bereich vor den Grundstücken der Antragstellerinnen auf geringer Länge in Richtung Osten zu verschwenken. Eine entsprechende Trassenverschiebung auf einer längeren Strecke würde sehr große Eingriffe in die östlich der Straße gelegenen, durchgängig bebauten Grundstücke einschließlich des Abrisses von Wohngebäuden und den Verlust vorhandener Alleebäume bedeuten. Die damit verbundenen neuen Betroffenheiten und zusätzlichen Kosten ständen außer Verhältnis zu den mit der planfestgestellten Lösung eintretenden Beeinträchtigungen der Antragstellerinnen, die durch Reduzierung der Breite des verkehrlichen Seitenraums neben der neuen Fahrbahn um 1,05 m minimiert worden seien. Ein weiteres Abrücken der neuen Gehwegaußenkante von der vorhandenen Bebauung sei - auch wegen der Erhaltung der östlichen Baumreihe - nicht möglich.

Das Antragsvorbringen ist nicht geeignet, die Grundlage dieser für die Feintrassierung im Bereich der Grundstücke der Antragstellerinnen maßgeblichen Erwägungen zu erschüttern. Auf eine unzureichende Berücksichtigung der Belange der Eigentümer und Nutzer der im Bereich zwischen Goltzstraße und Nürnberger Straße gelegenen Anliegergrundstücke Kirchhainer Damm 10 und 14 können sich die Antragstellerinnen schon deshalb nicht berufen, weil sie diese Einwendung im Anhörungsverfahren nicht erhoben haben und deshalb damit gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG a.F. ausgeschlossen sind.

Dass bei der im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen Variantenbewertung räumlich und funktional nicht zusammenhängende Bereiche im Norden und Süden der Trasse miteinander verknüpft wurden, ist jedenfalls im Ergebnis unerheblich, weil die Planungsentscheidung für die Feintrassierung im nördlichen Bereich auch unabhängig davon getroffen und begründet wurde. Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner dabei von dem Vorhaben betroffene Belange der Antragstellerinnen übersehen oder aus anderen Gründen nicht in die Abwägung eingestellt hat. Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Antragsgegner dabei die Bedeutung der betroffenen Eigentumsbelange der Antragstellerinnen verkannt oder den Ausgleich zwischen diesen und ihnen entgegenstehenden anderen Belangen in einer Weise vorgenommen hat, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.

Zwar hatte die Antragstellerin zu 2 im ersten Anhörungsverfahren im Jahre 2000 ausgehend von der damals noch geplanten östlichen Verbreiterung des Kirchhainer Dammes zwischen Goltzstraße und Nürnberger Straße vorgeschlagen, diese Verbreiterung auch südlich der Nürnberger Straße in gerader Linie fortzusetzen, statt hier nach Westen zu verschwenken. Diesem Vorschlag wurde jedoch dadurch die Grundlage entzogen, dass nunmehr aus stadtgestalterischen Gründen der Kirchhainer Damm schon zwischen Goltzstraße und Nürnberger Straße im Westen der vorhandenen Fahrbahn verbreitert werden soll. Substantiierte Einwendungen gegen die dafür maßgeblichen stadtgestalterischen Gesichtspunkte haben die Antragstellerinnen nicht vorgetragen. Die hiernach ohne Gebäudeabriss nur noch verbleibende Möglichkeit, die Trasse zwischen Nürnberger und Regensburger Straße, also auf knapp 200 m Länge, in einer "Ausbeulung" nach Osten zu verschwenken, hat der Antragsgegner aus straßenentwurfstechnischen Gründen abgelehnt. Auch gegen diese Gründe haben die Antragstellerinnen substantiiert nichts vorgebracht. Das von ihnen als "objektiv falsch" bezeichnete Argument des Planfeststellungsbeschlusses, notwendige Eingriffe in die östlich des Kirchhainer Dammes gelegenen Grundstücke schlössen den Abriss von Wohngebäuden ein, bezieht sich auf die entsprechende Verschiebung der Trasse auf einer längeren, über die Regensburger Straße hinausreichenden Strecke, steht insoweit mit den vorliegenden Lageplänen in Einklang und wird insoweit auch von den Antragstellerinnen nicht schlüssig in Frage gestellt.

Ist hiernach von keiner unvertretbaren Fehlgewichtung der nicht präkludierten abwägungserheblichen Belange auszugehen, so kann ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot nicht schon daraus hergeleitet werden, dass sich der Antragsgegner bei der Verfolgung seines Planungsziels in der Kollision verschiedener gegenläufiger Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung anderer Belange entschieden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO , die Streitwertfestsetzung auf § 39 Abs. 1 , § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG .