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BSG - Entscheidung vom 01.04.2009

B 14 SF 1/08 R

Normen:
GVG § 17a
SGB II
SGG § 51 Abs. 1 Nr. 4a
VwGO § 40

Fundstellen:
NZS 2011, 315

BSG, Beschluss vom 01.04.2009 - Aktenzeichen B 14 SF 1/08 R

DRsp Nr. 2009/14976

Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit bei Streit über ein Hausverbot eines Sozialleistungsträgers gegenüber einem Leistungsempfänger

Auf die weitere Beschwerde der Beklagten werden der Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. November 2008 und der Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 5. September 2008 aufgehoben.

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig.

Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht und das weitere Beschwerdeverfahren vor dem Bundessozialgericht sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

GVG § 17a; SGB II; SGG § 51 Abs. 1 Nr. 4a ; VwGO § 40 ;

Gründe:

I

Aufgrund der weiteren Beschwerde der Beklagten ist über die Zulässigkeit des Sozialrechtswegs für einen Rechtsstreit zu entscheiden, der in der Hauptsache die Rechtmäßigkeit eines Hausverbots betrifft.

Der Kläger bezog von der Beklagten, einer in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) errichteten Arbeitsgemeinschaft nach § 44b Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), unter anderem in der Zeit vom 3. Januar 2008 bis zum 30. April 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Anschluss an eine persönliche Vorsprache des Klägers am 31. Januar 2008 und ein Telefonat am 12. Februar 2008, die jeweils die Auszahlung bewilligter Leistungen betrafen, sprach die Beklagte ihm gegenüber ein Hausverbot für die von ihr genutzten Räumlichkeiten in den Geschäftsstellen L., F. und S. aus und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung dieses Hausverbotes gemäß § 80 Abs 2 Nr 4 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO ) an (Bescheid vom 15. Februar 2008; Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008). Zur Begründung wies sie darauf hin, dass das Hausverbot wegen eines wiederholt aggressiven und beleidigenden Auftretens des Klägers zur Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebs und zum Schutz des Personals erforderlich sei. Der Widerspruchsbescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen diese Entscheidung die Klage zum Sozialgericht ( SG ) Speyer zulässig sei. Dementsprechend hat der Kläger Klage zum SG Speyer erhoben.

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße verwiesen (Beschluss vom 5. September 2008). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Beschwerde der Beklagten hiergegen zurückgewiesen (Beschluss vom 10. November 2008). Bei einem Hausverbot, das von einem sozialrechtlichen Leistungsträger erlassen werde, handele es sich um eine Angelegenheit, die nur in einem mittelbaren Zusammenhang mit den in der Sonderzuweisung des § 51 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) genannten sozialrechtlichen Angelegenheiten stehe und dem Grunde nach zu den Angelegenheiten des allgemeinen Verwaltungsrechts gehöre. Für solche Angelegenheiten seien mit der wohl einhelligen Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung gemäß § 40 VwGO die (allgemeinen) Verwaltungsgerichte zuständig.

Mit der vom LSG zugelassenen weiteren Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das VG. Sie hält den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für eröffnet. Eine Rechtsgrundlage für ein Hausverbot könne sich nur als Annex zu der zu schützenden Verwaltungstätigkeit (hier: der Erfüllung von Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende) ergeben, teile dann aber auch im Hinblick auf den Rechtsweg deren rechtliche Qualität. Auch rechtspolitische Argumente sprächen gegen eine Rechtswegzuständigkeit der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit: Eine Rechtswegteilung zwischen den leistungsrechtlichen Angelegenheiten und damit zusammenhängenden Ordnungsmaßnahmen sei für die Sozialleistungsempfänger unverständlich und für Verwaltungen und Gerichte ineffizient. Zu berücksichtigen sei ferner die Gerichtskostenpflichtigkeit des Verfahrens vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die für Leistungsempfänger wie für Grundsicherungsträger nicht gewollt sei.

Der Kläger hat sich zur Frage des Rechtswegs nicht geäußert.

II

1. Die Beschwerde ist angesichts der für den Senat bindenden Zulassung durch das LSG statthaft (§ 17a Abs 4 Sätze 4 bis 6 Gerichtsverfassungsgesetz [GVG]) und form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 172 , 173 SGG ; zur Anwendbarkeit der §§ 172 ff SGG für eine Rechtswegbeschwerde zum BSG vgl BSG SozR 3-8570 § 17 Nr 1; SozR 3-1500 § 51 Nr 15; BSGE 79, 80 = SozR 3-1500 § 51 Nr 19).

Die Entscheidung des BSG über die Zulässigkeit des zu den Sozialgerichten beschrittenen Rechtswegs erübrigt sich nicht deshalb, weil die erhobene Klage schon aus anderen vorab zu prüfenden, vom Rechtsweg unabhängigen Gründen unzulässig ist und als Prozesshindernis einer Entscheidung über die Rechtswegfrage entgegenstehen. Insbesondere ist die Beklagte im Sozialgerichtsprozess beteiligtenfähig nach § 70 Nr 2 SGG (vgl hierzu BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwar § 44b SGB II als mit Art 28 und Art 83 GG unvereinbar erklärt (Urteile vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 = BVerfGE 119, 331 ). Die gemäß § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften können jedoch für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2010 (BVerfG, aaO RdNr 207) auf der bisherigen Rechtsgrundlage tätig werden.

2. Die Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen den zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beschrittenen Rechtsweg gemäß § 17a Abs 2 Satz 1 GVG für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das VG verwiesen. Bei dem Streit über die Rechtmäßigkeit des verhängten Hausverbots handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (dazu unter a), für die gemäß § 51 Abs 1 Nr 4a SGG als Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist (dazu unter b).

a) Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn es - wie hier - an einer ausdrücklichen Sonderzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmSOGB, BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2 = NJW 1974, 2087 ; GmSOGB, BGHZ 97, 312 = SozR 1500 § 51 Nr 39 und BGHZ 102, 280 , 283 = SozR 1500 § 51 Nr 47; BSGE 72, 148 , 151 = SozR 3-2500 § 15 Nr 1; BSG, SozR 3-1500 § 51 Nr 24; BSG, SozR 3-8570 § 17 Nr 1; BGHZ 89, 250 , 251). Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von § 40 VwGO und § 51 Abs 1 SGG . Die Abgrenzung muss von der Sache her getroffen werden. Ausgangspunkt für die Prüfung ist deshalb die Frage, welcher Art das Klagebegehren nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt ist (BSG aaO; BGH aaO). Das bewirkt, dass regelmäßig die Gerichte anzurufen sind und zu entscheiden haben, die durch besondere Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den infrage stehenden Anspruch berufen sind (vgl BGHZ 89, 250 , 252; BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 3).

Für die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur des hier streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses spricht schon, dass die Beklagte sich - unabhängig von einer dafür bestehenden Befugnis - bei ihrem Handeln der öffentlich-rechtlichen Rechtsform des Verwaltungsakts (vgl § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - [SGB X]) bedient hat, weil sie mit dem Hausverbot eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung getroffen und dabei die Handlungsform des Verwaltungsakts durch Anfügung entsprechender Rechtsbehelfsbelehrungen sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung (gemäß § 80 Abs 2 Nr 4 VwGO ) deutlich hervorgehoben hat.

Der öffentlich-rechtliche Charakter der Streitigkeit ergibt sich aber vor allem daraus, dass die Beklagte in Wahrnehmungszuständigkeit für Träger öffentlicher Gewalt auf Grund eines ihr eingeräumten Sonderrechts gehandelt hat. Sie hat Rechtssätze angewendet, die einen Träger der öffentlichen Gewalt als solchen berechtigen bzw verpflichten (so genannte modifizierte Subjektstheorie, vgl dazu BSGE 65, 133 , 135 f = SozR 2100 § 76 Nr 2). Die Beklagte hat sich, als sie das streitgegenständliche Hausverbot ausgesprochen hat, nicht des aus dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum (vgl §§ 903 , 1004 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) oder Besitz (§§ 859 ff BGB ) folgenden privatrechtlichen Hausrechts, sondern des öffentlich-rechtlichen Hausrechts bzw der öffentlich-rechtlichen Ordnungsgewalt bedient. Das Hausverbot durch einen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträger hat nach der inzwischen ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur dann öffentlich-rechtlichen Charakter, wenn es dazu dient, (allgemein) die Erfüllung der staatlichen Aufgaben im Verwaltungsgebäude zu sichern bzw (konkret) die unbeeinträchtigte Wahrnehmung einer bestimmten staatlichen Sachkompetenz zu gewährleisten (vgl Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 9. Juli 1980 - 9 CS 80 A.268 - NJW 1980, 2722, 2723; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl 2009, § 3 RdNr 24; Knemeyer, DÖV 1970, 596, 599). Die Maßnahme kann dagegen nur im Ausnahmefall privatrechtlicher Natur sein, wenn die im Besitz oder Eigentum eines öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträgers stehenden Räumlichkeiten allein zu fiskalischen Zwecken genutzt werden (Knemeyer, aaO).

Daran gemessen liegt hier öffentlich-rechtliches Handeln vor. Die Beklagte hat dem Kläger das Hausverbot mit der Begründung erteilt, Störungen des Dienstbetriebs zu verhindern und Gefährdungen des ihr zugewiesenen Personals auszuschließen. Zu diesem Zweck war die Erteilung des Hausverbots auch objektiv dienlich. Ob die ungeschriebene, dem Grunde nach aber nahezu einhellig anerkannte Befugnis öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger, Störungen durch natürliche Personen mit dem Instrument des öffentlich-rechtlichen Hausverbots zu begegnen (kritisch zuletzt Brüning, DÖV 2003, 389, 392 ff), aus der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft oder aber aus einer mit dem Verwaltungsverfahren einhergehenden Ordnungsgewalt (dazu Knemeyer aaO 600 f; vgl auch Oberverwaltungsgericht [OVG] für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Oktober 2001 - 1 B 1254/01 - NVwZ 2002, 103, 104) folgt, ist insoweit zunächst ohne Belang.

Der öffentlich-rechtliche Charakter der Streitigkeit entfällt nicht deshalb, weil die beklagte Arbeitsgemeinschaft in der privatrechtlichen Rechtsform einer GmbH organisiert ist. Gemäß § 44b Abs 1 Satz 1 SGB II errichten die Träger der Leistungen nach diesem Buch (Agenturen für Arbeit und kommunale Träger, § 6 Abs 1 SGB II) zur einheitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben Arbeitsgemeinschaften durch privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge (zur übergangsweisen Anwendbarkeit der Norm bis zu einer gesetzlichen Neuregelung vgl BVerfG aaO). Die Arbeitsgemeinschaft nimmt die Aufgaben der Agentur für Arbeit nach diesem Buch wahr (§ 44b Abs 3 Satz 1 SGB II); die kommunalen Träger sollen ihr die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch übertragen (§ 44b Abs 3 Satz 2 SGB II). Diese organisationsrechtlichen Bestimmungen rechtfertigen nicht nur die Bildung von Arbeitsgemeinschaften in der Rechtsform einer privatrechtlichen GmbH. Sie sehen auch eine Beleihung privatrechtlich verfasster Arbeitsgemeinschaften mit der Befugnis vor, zur Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Leistungsträger Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen, aber auch schlichthoheitlich tätig zu werden (vgl Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 44b RdNr 16). Ob die Erteilung von Hausverboten zu den Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende gehört, deren Wahrnehmung den Arbeitsgemeinschaften übertragen ist, kann hier offen bleiben. Für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln kommt es darauf nicht an, weil auch die fehlende Befugnis zur Wahrnehmung derartiger Aufgaben aus dem insoweit fehlerhaften und rechtswidrigen öffentlich-rechtlichen Handeln kein privatrechtliches Handeln machen würde (vgl auch VG Frankfurt/Main, Beschluss vom 25. Januar 2008 - 5 L 103/08.F).

b) Für die vorliegende öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist gemäß § 51 Abs 1 Nr 4a SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Danach entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Demgegenüber entscheiden die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 VwGO in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, soweit diese nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Ein solcher Fall liegt indes nicht vor.

Von der Zuweisung in § 51 Abs 1 Nr 4a SGG erfasst sind zunächst all diejenigen Rechtsstreitigkeiten, bei denen die vom Kläger hergeleitete Rechtsfolge ihre Grundlage im SGB II haben kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 9. Aufl 2008, § 51 RdNr 29a; ähnlich Groth in Hohm, GK-SGB II, Stand: Februar 2009, VII-2 RdNr 22). Die Auslegung des Merkmals "Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende" ist in den übrigen Fällen, in denen die Beteiligten nicht unmittelbar um Rechtsfolgen aus der Anwendung von Normen des SGB II streiten, daran auszurichten, dass eine sach- und interessengerechte Abgrenzung zwischen der Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte und der Verwaltungsgerichte hergestellt wird. Weder das Merkmal "ausdrücklich" in § 40 Abs 1 Satz 1 VwGO noch ein insbesondere aus dem Merkmal "alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten" hergeleiteter (vermeintlicher) Vorrang der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zwingen zu einer engen Auslegung des Begriffs der "Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende". In der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist anerkannt, dass es genügt, wenn eine Zuweisung zwar nicht unmittelbar ausgesprochen ist, sich der dahinterstehende Wille des Gesetzes jedoch aus dem Gesamtgehalt der Regelung und dem Sachzusammenhang in Verbindung mit der Sachnähe eindeutig und logisch zwingend ergibt (BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 1986 - 4 B 92/86 - NJW 1986, 2845 ; vgl auch BGHZ 67, 81 [87], GmSOGB BVerwGE 37, 369 [372]; GmSOGB BSGE 37, 292 [296] = SozR 1500 § 51 Nr 2; vgl ferner Kopp/Schenke, VwGO , 15. Aufl 2007, § 40 RdNr 49; krit wegen des Grundsatzes der Rechtswegklarheit Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO , Stand März 2008, § 40 RdNr 490 ff). Soweit es sich um Maßnahmen handelt, die - wie vorliegend das Hausverbot - keine unmittelbare normative Grundlage im SGB II haben, ist danach zu fragen, ob die Maßnahme in engem sachlichem Zusammenhang zur Verwaltungstätigkeit der Behörden nach dem SGB II steht. Die Beurteilung der Sachnähe wiederum ist wesentlich davon abhängig, auf welche rechtliche Grundlage sich die streitgegenständliche Maßnahme zu stützen vermag. Hinreichende Sachnähe ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Beteiligten über Rechtsfolgen aus der Anwendung sozialverwaltungsverfahrensrechtlicher Normen nach dem SGB X streiten, sofern der Streitigkeit materiell Rechtsverhältnisse nach dem SGB II zugrunde liegen.

Jedenfalls wenn das Hausverbot im Rahmen oder aus Anlass eines zwischen den Beteiligten geführten Verwaltungsverfahrens (§ 8 SGB X ) ausgesprochen wird, ist nach diesen Grundsätzen die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte begründender Sachzusammenhang zu den Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu bejahen (aA OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 1998 - 25 E 960/97 - NVwZ-RR 1998, 595; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. März 2007 - L 16 B 3/07 SF; Jutzi, LKRZ 2009, 16 ff). Zwar fehlt es im SGB X ebenso wie im SGB II an einer ausdrücklichen geschriebenen Ermächtigungsgrundlage für die Erteilung von Hausverboten oder sonstigen Ordnungsmaßnahmen. Für Ordnungsmaßnahmen gegen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an einen Verwaltungsverfahren ergehen, leitet sich die Kompetenz des Sozialleistungsträgers jedoch aus dem Sachzusammenhang mit den von ihm wahrgenommenen Sachaufgaben (Annexkompetenz) her (so auch Weber, SGb 2008, 710, 712; aA aber Jutzi, LKRZ 2009, 16, 17 f) und folgt die Befugnis aus der kraft Herkommens anerkannten internen Ordnungsgewalt (vgl dazu Knemeyer aaO). Dieser Sachzusammenhang zwischen einem Hausverbot und den vom Träger wahrzunehmenden Sachaufgaben ist in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgesprochen eng. Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist in erster Linie die Unterstützung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit (vgl § 1 Abs 1 Satz 2 SGB II). Leistungen zur Eingliederung in Arbeit haben Vorrang vor den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Aufgabenerfüllung in Bezug auf diesen "Grundsatz des Förderns" ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers vom persönlichen Kontakt des Hilfebedürftigen mit den Mitarbeitern des Trägers der Grundsicherung geprägt, was etwa die Benennung eines "persönlichen Ansprechpartners" deutlich macht (vgl § 14 Satz 2 SGB II; vgl zum Ganzen Spellbrink in Eicher/Spellbrink § 1 RdNr 8 und § 14 RdNr 2, 8 ff). Ein von dem Träger der Grundsicherung ausgesprochenes Hausverbot steht daher von vornherein in einem gewissen inneren Widerspruch zum Aktivierungskonzept des SGB II. Die Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit ist von den weiteren Ansprüchen und Pflichten des betroffenen Hilfeempfängers im Rahmen der "Dauerrechtsbeziehung" nach dem SGB II kaum zu trennen. Diese Sachnähe rechtfertigt die Zuweisung an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die über die besondere Sachkunde für die Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende verfügen.

Eine solche Sachnähe prägt auch die zwischen den Beteiligten streitige Maßnahme. Das Hausverbot ist aus Anlass eines zwischen den Beteiligten geführten Verwaltungsverfahrens ergangen. Zwar war das Verwaltungsverfahren im engeren Sinne als die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist und dessen Erlass mit einschließt (vgl § 8 SGB X ), durch Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids vom 7. Januar 2008 bereits vor der Erteilung des Hausverbots förmlich beendet worden. Wird aufgrund eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung wie dem Bewilligungsbescheid über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl bereits BSG SozR 4-4225 § 2 Nr 1) ein fortwährendes Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen Leistungsempfänger und Leistungsträger begründet, endet das die Annexkompetenz für Ordnungsmaßnahmen rechtfertige Sachnäheverhältnis aber erst, wenn der Aufenthalt störender Personen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren wegen der bewilligten bzw beantragten Leistungen mehr steht. So liegen die Dinge auch hier. Sowohl die Vorsprachen des Klägers wegen der Frage, ob die bewilligten Ansprüche ordnungsgemäß erfüllt worden sind, die zum Ausspruch des Hausverbots geführt haben, als auch die künftig möglichen Vorsprachen, denen mit Hilfe des Hausverbots vorgebeugt werden sollte, waren im Dauerverwaltungsrechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter begründet, das durch den Bewilligungsbescheid vom 7. Januar 2008 entstanden ist.

Ob auch Streitigkeiten über Hausverbote, die aufgrund des öffentlich-rechtlichen Hausrechts zum Schutz der widmungsgemäßen Funktion einer öffentlichen Sache vor Störungen des Verwaltungsbetriebs durch unbefugte Dritte (zB Personen, die die Diensträume zum Schutz vor der Kälte betreten) ausgesprochen werden, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten sind, die die notwendige Sachnähe zu den Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende iS des § 51 Abs 1 Nr 4a SGG aufweisen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

3. In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen (BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15; BGH NJW 1993, 2541 ; BVerwGE 103, 26, 32). Die Regelung des § 17b Abs 2 GVG , wonach im Falle der Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht, hier dem SG , entstandenen Kosten als Teil der Kosten im Verfahren vor dem aufnehmenden Gericht, hier dem VG, behandelt werden, und deshalb in dem Verweisungsbeschluss keine eigenständige Kostenentscheidung zu treffen ist, beschränkt sich auf die Kosten des - nun zwangsläufig - gemeinsamen ersten Rechtszugs. Sie findet - unabhängig vom Inhalt der Entscheidung - keine Anwendung auf das Beschwerdeverfahren bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs (BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15; BGH NJW 1993, 2541 ; BVerwGE 103, 26, 32).

Die frühere Auffassung, dass in Verfahren einer Rechtswegbeschwerde, in denen einer der Hauptbeteiligten zum Personenkreis nach § 183 SGG gehört, ein Ausspruch über eine Kostenerstattung nicht geboten sei (vgl BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 25), kann seit dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I 718; RVG ) nicht mehr aufrecht erhalten werden. Diese Auffassung war mit den Besonderheiten der Kostenberechnung im sozialgerichtlichen Verfahren begründet worden, wonach auch bei Durchführung einer Rechtswegbeschwerde für die Gebühren des Rechtsanwalts allein die Rahmengebühr nach § 116 Abs 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung ( BRAGO ) im Hauptverfahren galt, in deren Rahmen lediglich der erhöhte Aufwand des Prozessbevollmächtigten für eine Beschwerde zu berücksichtigen war. Das RVG sieht demgegenüber gesonderte Gebühren für jedes Beschwerdeverfahren vor. Nach § 3 Absatz 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Nach § 18 Nr 5 RVG ist - ua - jedes Beschwerdeverfahren eine "besondere Angelegenheit", die im Verhältnis zur Hauptsache zusätzliche Gebühren für den prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt selbst dann auslöst, wenn die Tätigkeit, die den Anlass zu der Beschwerde bildet, durch die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens abgegolten wird (vgl Müller-Rabe in Gerold/Schmidt RVG , 18. Aufl, § 18 RdNr 40). Dementsprechend fällt nach Gebührenziffer 3501 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis) für ein Beschwerdeverfahren in Fällen des § 3 Abs 1 Satz 1 RVG eine eigene Gebühr an, was eine isolierte Kostenentscheidung - unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache - erforderlich macht (Zeihe, SGG , Stand 1. November 2006, § 176 RdNr 4g; Frehse in Jansen, SGG , 3. Aufl, § 176 RdNr 10). Vorliegend wäre es unbillig, der Beklagten die Kosten des Klägers für das Rechtswegbeschwerdeverfahren aufzuerlegen, da sie bereits in ihrer Rechtsmittelbelehrung zutreffend davon ausgegangen ist, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei eröffnet.

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 10.11.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 5 B 371/08
Vorinstanz: SG Speyer, - Vorinstanzaktenzeichen 1 AS 518/08
Fundstellen
NZS 2011, 315