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BSG - Entscheidung vom 17.11.2009

B 11 AL 87/09 B

Normen:
AFG § 128 Abs. 2 Nr. 2
SGB III § 147a Abs. 1
SGB III § 147a Abs. 2 Nr. 2
SGB X § 20
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 17.11.2009 - Aktenzeichen B 11 AL 87/09 B

DRsp Nr. 2010/2546

Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren, Bezeichnung des Verfahrensmangels; prozessualer Beibringungsgrundsatz, Befreiung des Arbeitgebers von der Erstattungspflicht für Arbeitslosengeld

Im Rahmen der Würdigung des Beschwerdevorbringens ist zu beachten, dass für die Darlegung und den Nachweis, die Erstattung gefährde verbleibende Arbeitsplätze im Sinne von § 147a Abs. 2 Nr. 2 SGB III der Beibringungsgrundsatz gilt. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. April 2009 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 59.537,62 Euro festgesetzt.

Normenkette:

AFG § 128 Abs. 2 Nr. 2 ; SGB III § 147a Abs. 1 ; SGB III § 147a Abs. 2 Nr. 2 ; SGB X § 20 ; SGG § 103 ;

Gründe:

Die auf Verfahrensfehler des Landesozialgerichts (LSG) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) ist in der Beschwerdebegründung nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.

Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muss in der Begründung der Beschwerde der Verfahrensmangel, auf dem das Urteil des LSG beruhen soll, bezeichnet werden. Eine Bezeichnung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die den Mangel (angeblich) begründenden Tatsachen substantiiert und schlüssig dargetan sind (ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 14; SozR 3-1500 § 73 Nr 10). Wird als Verfahrensmangel die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt, muss die Beschwerdebegründung aufzeigen, welcher Vortrag entweder nicht zur Kenntnis genommen oder verhindert worden ist und dass alle prozessualen Möglichkeiten der Gehörverschaffung ausgeschöpft waren (vgl ua BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22). Inwiefern das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Mangel beruhen kann, ist unter Darstellung der sachlich-rechtlichen Auffassung des LSG schlüssig darzulegen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; SozR 4-1500 § 160a Nr 3; stRspr).

Die Beschwerdeführerin macht geltend, das LSG habe "willkürlich" festgestellt, dass von der Beklagten nur für den Arbeitnehmer M. Erstattungsforderungen erhoben worden seien; dies habe weder die Beklagte behauptet noch ergebe sich dies aus den Verfahrensakten. Damit habe das LSG den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, weil es einen Sachverhalt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe, zu der sich die Klägerin nicht habe äußern können. Das angefochtene Urteil beruhe auf diesem Verfahrensmangel; denn die Klägerin hätte durch ergänzenden Vortrag das LSG vom Bestehen ganz erheblicher weiterer Erstattungsforderungen zum maßgeblichen Zeitpunkt überzeugen können. Sie habe für potentielle Erstattungsforderungen zum Zeitpunkt Ende 2001 für Mitarbeiter mit dem Austrittsjahr 2000 einen Rückstellungsbetrag von 462.800 Euro für 12 Arbeitnehmer gebildet. Bei zutreffender Berücksichtigung des Umfangs der gesamten Erstattungsforderungen hätte sich nach den vom LSG selbst zugrunde gelegten Rechtsgrundsätzen auch die Kausalität der Erstattungsforderung für die Gefahr eines weiteren Personalabbaus ergeben.

Zweifelhaft ist bereits die Schlüssigkeit der in der Beschwerdebegründung aufgestellten Behauptung, die Klägerin habe sich im Berufungsverfahren nicht zur Frage äußern können, ob Erstattungsforderungen nur für M. oder auch für andere Arbeitnehmer erhoben worden sind. Dabei bedarf es keines näheren Eingehens auf die Unvollständigkeit der Sachverhaltsschilderung der Beschwerdebegründung, in der unerwähnt bleibt, dass die Beklagte ihre Entscheidung von Anfang an nur mit der Belastung bezüglich M. begründet (vgl ua Bescheid vom 7. Juni 2004) und gerade diesen Gesichtspunkt auch mit der Berufung geltend gemacht hatte. Im Rahmen der Würdigung des Beschwerdevorbringens ist vielmehr zu beachten, dass für die Darlegung und den Nachweis, die Erstattung gefährde verbleibende Arbeitsplätze iS des § 147a Abs 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch ( SGB III ), nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Beibringungsgrundsatz gilt (vgl BSGE 87, 132 , 140 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10). Diese zu § 128 Arbeitsförderungsgesetz ergangene Rechtsprechung ist auch auf das SGB III zu übertragen. War es demnach Sache der Klägerin, auch im Berufungsverfahren alle Tatsachen darzulegen und unter Beweis zu stellen, die eine Arbeitsplatzgefährdung iS der einschlägigen Vorschrift belegen, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin gehindert gewesen sein könnte, die nun in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Tatsachen bereits dem LSG zu unterbreiten (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22).

Unabhängig davon, ob die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs überhaupt schlüssig bezeichnet ist, fehlt es aber jedenfalls an geeigneten Ausführungen der Beschwerdebegründung zur Frage, ob die angefochtene Entscheidung des LSG auf dem angeblichen Mangel beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Denn selbst wenn von weiteren Erstattungsforderungen und insoweit von der Bildung von Rückstellungen zum 31. Dezember 2001 in Höhe von 462.800 Euro für 12 Arbeitnehmer auszugehen sein sollte, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht, dass die Entscheidung des LSG bei Zugrundelegung dieses Vorbringens anders hätte ausfallen können.

Nach der in der Beschwerdebegründung insoweit zutreffend wiedergegebenen Rechtsauffassung des LSG ist für die Prognoseentscheidung, ob Arbeitsplätze gefährdet werden, auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Erstattungsforderung zu erheben ist, und ein Personalabbau ist nur dann wesentlich iS von § 147a Abs 2 Nr 2 SGB III , wenn ein Schwellenwert von 3 vH überschritten ist (vgl die vom LSG zitierten Urteile des BSG vom 10. April 2004, B 7 AL 98/02 R, und vom 10. Mai 2007, B 7a AL 14/06 R, SozR 4-4100 § 128 Nr 6). Die Beschwerdeführerin befasst sich nicht näher mit der Frage, wann die als relevant in Betracht kommenden Erstattungsforderungen zu erheben waren (für M. Erstattungszeitraum 6. März 2002 bis 23. Februar 2004). Es kann deshalb anhand des Beschwerdevorbringens nicht beurteilt werden, in welchem Umfang der angegebene Betrag von 462.860 Euro in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist. Soweit in der genannten Höhe von der Klägerin nach ihrem Vorbringen Rückstellungen für 12 Arbeitnehmer gebildet worden sind, bleibt im Übrigen unklar, inwiefern sich dann unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des LSG eine Überschreitung des Schwellenwertes von 3 vH ergeben soll; denn das LSG hat - wie die Beschwerde selbst darlegt - ausgeführt, in den Jahren 2002 und 2003 sei bei der Klägerin die sog Bagatellgrenze erst bei einer Gefährdung von 23 bzw 21 Arbeitsplätzen überschritten.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 1, 169 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung .

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 16.04.2009 - Vorinstanzaktenzeichen L 7 AL 4048/07
Vorinstanz: SG Reutlingen, vom 11.07.2007 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 AL 2207/04