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BGH - Entscheidung vom 19.03.2009

IX ZR 96/08

Normen:
ZPO § 531 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 19.03.2009 - Aktenzeichen IX ZR 96/08

DRsp Nr. 2009/9016

Zulassung neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz

Für die Anwendung des § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genügt es nicht, dass das Gericht des ersten Rechtszuges in seinem Urteil zu erkennen gibt, es habe einen Gesichtspunkt für unerheblich gehalten. Vielmehr ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Zulassung des neuen Vorbringens nur dann geboten, wenn die Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Parteien auch beeinflusst hat und daher, ohne dass deswegen ein Verfahrensfehler gegeben wäre, (mit-)ursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert (BGH - III ZR 147/03 - 19.02.2004; BGH - VII ZR 173/03 - 23.09.2004).

Tenor:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 22. Mai 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 103.522,79 EUR festgesetzt.

Normenkette:

ZPO § 531 Abs. 2 ;

Gründe:

Die statthafte Nichtzulassungsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Die auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG gestützten Rügen greifen jedoch nicht durch.

1.

Zu Unrecht beanstandet die Klägerin einen aus einer verfahrensfehlerhaften Anwendung des § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO beruhenden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG .

a)

Das Oberlandesgericht war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gehalten, ihr zweitinstanzliches Vorbringen, durch das sie im Blick auf die Höhe der Verbindlichkeiten und deren ernsthafte Einforderung sowie einen durch einen Unternehmensplan ausgewiesenen positiven Cash-Flow eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bestritten hat, zu berücksichtigen. Für die Anwendung des § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genügt es nicht, dass das Gericht des ersten Rechtszuges in seinem Urteil zu erkennen gibt, es habe einen Gesichtspunkt für unerheblich gehalten. Vielmehr ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Zulassung des neuen Vorbringens nur dann geboten, wenn die Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Parteien auch beeinflusst hat und daher, ohne dass deswegen ein Verfahrensfehler gegeben wäre, (mit-)ursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert hat (BGH, Urt. v. 19. Februar 2004 - III ZR 147/03, NJW-RR 2004, 927 f; Urt. v. 23. September 2004 - VII ZR 173/03, NJW-RR 2005, 167 , 168). Im Streitfall ist das Vorbringen der Klägerin in allen Punkten nicht durch Hinweise des Erstgerichts beeinflusst worden.

2.

Das Berufungsgericht durfte davon ausgehen, dass die Verbindlichkeiten der Schuldnerin bis zur Verfahrenseröffnung nicht zurückgeführt wurden, weil es insoweit an einem substantiierten Bestreiten der Klägerin fehlt.

3.

Verfahrensfehlerfrei und ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte.

Die Klägerin hat nicht bestritten, dass einer ihrer Mitarbeiter regelmäßig im Betrieb der Schuldnerin deren Liquidität anhand der Geschäftsunterlagen einer Prüfung unterzogen hat. Bei dieser Sachlage muss sich die Klägerin dessen Wissen zurechnen lassen (BGHZ 41, 17, 22) . Das Berufungsgericht konnte deshalb davon ausgehen, dass die Beklagte denselben Kenntnisstand hatte wie die Schuldnerin. Wenn sie gleichwohl "bis zuletzt von der Sanierungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin" ausging - hierauf bezieht sich der Beweisantritt, dessen Nichtberücksichtigung die Beschwerde rügt -, berührt dies nicht die Kenntnis von den Tatsachen, aus deren Vorliegen zwingend auf das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit zu schließen war (vgl. BGH, Urt. v. 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08, Rn. 14 z.V.b. in BGHZ).

Vorinstanz: OLG Celle, vom 22.05.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 13 U 117/07
Vorinstanz: LG Verden, vom 10.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 517/06