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BGH - Entscheidung vom 28.01.2009

5 StR 465/08

Normen:
BtMG § 29a Abs. 2
StGB § 21
StGB § 56 Abs. 1
StGB § 56 Abs. 2
StGB § 64

BGH, Urteil vom 28.01.2009 - Aktenzeichen 5 StR 465/08

DRsp Nr. 2009/7058

Zu berücksichtigende Gesichtspunkte i.R.e. Bewährungsfrage bei übermäßigem Cannabiskonsum und bewaffnetem Handeltreibens; Grad der Einschränkung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. April 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist und die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Übrigen wird die Revision verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

BtMG § 29a Abs. 2 ; StGB § 21 ; StGB § 56 Abs. 1 ; StGB § 56 Abs. 2 ; StGB § 64 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, einmal in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung dieser Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden. Ferner hat das Landgericht einen Betrag von 1.755 Euro für verfallen erklärt und sichergestellte Betäubungsmittel sowie zur Begehung bzw. Vorbereitung der Straftaten gebrauchte Gegenstände eingezogen.

Mit der auf die Sachrüge gestützten Revision der Staatsanwaltschaft, die von dem Generalbundesanwalt vertreten wird, wird eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG im ersten Fall erstrebt sowie die Strafzumessung, die Gewährung von Strafaussetzung und das Absehen von der Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB beanstandet. Dieses Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

1.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgendes festgestellt:

Der im Jahr 2000 einschlägig mit einer 2002 erlassenen Bewährungsstrafe verurteilte, ansonsten unbestrafte Angeklagte unterhielt im Jahre 2007 in der Küche und der Kammer seiner Einzimmerwohnung eine Plantage von Cannabispflanzen, die im März 2007 von Polizeibeamten bei einer Durchsuchung entdeckt wurde. Aufgefunden wurde unterschiedliches Cannabismaterial mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt über 50 Gramm THC, von dem der von staatlichen Sozialleistungen lebende Angeklagte etwa ein Viertel in Form von getrocknetem Blattmaterial zum gewinnbringenden Weiterverkauf, den Rest zum Eigenverbrauch bestimmt hatte. Der Angeklagte pflegte durch schwere unfallbedingte Knochenverletzungen verursachte starke Schmerzen unerlaubt mit Hilfe von übermäßigem Cannabiskonsum zu dämpfen. Nach Aussetzung der Hauptverhandlung wegen eines einzuholenden Gutachtens wurde im August 2007 wiederum eine Cannabis-Kleinplantage in der Wohnung des Angeklagten entdeckt, deren zum Eigenkonsum bestimmtes Material über 8,5 Gramm THC enthielt.

2.

Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Die Erwägungen des Landgerichts, mit denen es bei einer abgesägten Holzgardinenstange und einem Spatenstiel, die bei der ersten Durchsuchung an verschiedenen Stellen der Wohnung aufgefunden worden sind, die subjektive Zweckbestimmung im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verneint hat, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Ausführungen der Strafkammer dazu sind weder lückenhaft noch unklar. Damit ist die Beweiswürdigung der Strafkammer dem Eingriff des Senats entzogen (vgl. BGH NJW 2005, 2322 , 2326 ; BGH NStZ-RR 2008, 146 , 147).

3.

Der Strafausspruch ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei.

Die Strafkammer ist nicht etwa entgegen der Auffassung des Sachverständigen vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB , sondern von einer lediglich "eingeschränkten Steuerungsfähigkeit" ausgegangen. Die Erheblichkeitsschwelle nach § 21 StGB sieht die Strafkammer damit nicht als überschritten an. Diese findet nämlich im Urteil weder Erwähnung noch lässt sie sich aus dem Zusammenhang erschließen, zumal eine Betäubungsmittelabhängigkeit allein nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB führt (BGH NJW 2002, 2043 , 2045) . Im Übrigen ist die Vorschrift des § 21 StGB nicht in der Liste der angewandten Vorschriften aufgeführt.

Die mit der unbedenklich angenommenen nicht erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit einhergehende besondere Tatmotivation der Schmerzbekämpfung rechtfertigt vor dem Hintergrund, dass Tatobjekte lediglich "weiche" Drogen waren, ohne weiteres die jeweilige Wahl des Strafrahmens des § 29a Abs. 2 BtMG . Strafrahmenwahl und allgemeine Strafzumessung sind auch nicht lückenhaft. Soweit nicht nur der Einziehung, sondern bedenklicherweise auch dem Verfall strafmildernde Wirkung zuerkannt worden ist, schließt der Senat ein Beruhen des Strafausspruchs auf dieser im Kontext nebensächlichen Wendung aus.

4.

Durchgreifenden Bedenken unterliegt indes die Begründung der Entscheidung der Strafkammer, dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zuzubilligen. Dabei waren alle für diese Entscheidung wesentlichen Tatumstände umfassend zu bewerten.

Hierzu zählt aber - neben dem früheren positiven Bewährungsverlauf, auf den die Strafkammer maßgeblich abstellt - ohne weiteres der gegenläufige Umstand, dass der Angeklagte sich im Verlauf des Verfahrens zu Fall 1 abermals einschlägig strafbar gemacht hat (vgl. nur BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 22). Dies bedurfte in diesem Zusammenhang als einer positiven Prognose widerstreitendes Indiz, dessen Gewicht auch unter den gegebenen besonderen Fallumständen nicht offensichtlich entfällt, unbedingt der Erörterung.

5.

Eben dieser Umstand war auch im Zusammenhang mit der Frage der Unterbringung nach § 64 StGB unbedingt erörterungsbedürftig. Es liegt auf der Hand, dass der einschlägige Rückfall während des laufenden Strafverfahrens die Annahme der Strafkammer, es fehle an der Gefährlichkeit eines Hanges, in Frage stellen konnte und deshalb in diesem Zusammenhang nicht anders als bei der Bewährungsfrage unbedingt behandelt werden musste. Dass die Anordnung der Maßregel von vornherein aussichtslos sein könnte, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.

Über die Maßregel, gegebenenfalls auch ihre Aussetzung, muss daher, wieder mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO ), ebenso wie über die Strafaussetzung erneut tatrichterlich verhandelt werden.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 03.04.2008