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BGH - Entscheidung vom 20.04.2009

AnwZ (B) 22/08

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 36a Abs. 2
InsO § 26 Abs. 2
ZPO § 915

BGH, Beschluss vom 20.04.2009 - Aktenzeichen AnwZ (B) 22/08

DRsp Nr. 2009/11227

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfall; Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO

1. Vermögensverfall eines Rechtsanwalts wird gesetzlich vermutet, wenn er in das Schuldnerverzeichnis des Vollstreckungsgerichts (hier: wegen Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse) eingetragen ist. 2. Um die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, muss der betroffene Rechtsanwalt aufgrund seiner Mitwirkungspflicht nach § 36a Abs. 2 BRAO seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegen und eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorlegen und im Einzelnen darlegen, ob diese Forderungen inzwischen erfüllt sind oder in welcher Weise er sie zu erfüllen gedenkt.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 17. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ; BRAO § 36a Abs. 2 ; InsO § 26 Abs. 2 ; ZPO § 915 ;

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist seit dem 5. April 1982, zuletzt im Bezirk der Antragsgegnerin, als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 24. Juli 2007 widerrief die Antragsgegnerin seine Zulassung wegen Vermögensverfalls. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Das nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 4 BRAO zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat , Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002, AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577 ). Wird der Rechtsanwalt in das von dem Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO oder das von dem Insolvenzgericht nach § 26 Abs. 2 InsO zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen, wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet.

2. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids vor.

a)

Zu diesem Zeitpunkt wurden gegen den Antragsteller unter anderen folgende Vollstreckungsverfahren betrieben:

1.

73 DR 3 : Versorgungskammer M. wegen einer Forderung von 23.177,00 EUR,

2.

73 DR 9 : Dr. B. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. H. GmbH & Co. KG N. wegen einer Forderung von 52.962,64 EUR,

3.

73 DR 6 und 73 DR 1 : Raiffeisenbank I. wegen einer Forderung von 25.000,00 EUR.

Außerdem hatte er mit Stand 7. Februar 2006 Steuerschulden in Höhe von mindestens 83.653,02 EUR. Die vorgenannten Schulden hat der Antragsteller vor dem Anwaltsgerichtshof eingeräumt. Einen wegen der erwähnten Steuerschulden gestellten Antrag des Zentralfinanzamts M. auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers lehnte das Amtsgericht - Insolvenzgericht - M. mit Beschluss vom 29. Dezember 2005 (1506 IN 2........) mangels Masse ab. Der Antragsteller ist seitdem in das Schuldnerverzeichnis des Insolvenzgerichts eingetragen. Außerdem war er seit dem 15. Februar 2006 mit einem Haftbefehl in das Schuldnerverzeichnis des Vollstreckungsgerichts eingetragen. Diese Eintragungen begründeten die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls.

b)

Diese Vermutung hatte der Antragsteller bei Erlass des Widerrufsbescheids nicht widerlegt. Um die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, muss der betroffene Rechtsanwalt aufgrund seiner Mitwirkungspflicht nach § 36a Abs. 2 BRAO seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegen; insbesondere muss er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorlegen und im Einzelnen darlegen, ob diese Forderungen inzwischen erfüllt sind oder in welcher Weise er sie zu erfüllen gedenkt (Senat , Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083 , 2084; Beschl. v. 29. September 2003, AnwZ (B) 68/02, unveröff.; Beschl. v. 12. Januar 2004, AnwZ (B) 26/03, unveröff.; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 8/07, BRAK-Mitt 2008, 221 [Ls]). Eine solche Darstellung hat der Antragsteller der Antragsgegnerin nicht vorgelegt.

c)

Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet (Senat , Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, [...]). Das ist in der Regel auch der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senat , Beschl. v. 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter II 2 a). Anhaltspunkte dafür, dass das hier bei Erlass des Widerrufsbescheids ausnahmsweise nicht der Fall war, sind nicht ersichtlich.

3.

Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung des Antragstellers sind, was zu berücksichtigen wäre (Senat, BGHZ 75, 356; 84, 149), auch nicht im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens entfallen.

a)

Gegen den Antragsteller streitet nach wie vor die Vermutung des Vermögensverfalls. Denn die Löschungsfrist von fünf Jahren (§ 26 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 InsO ) ist noch nicht verstrichen. Die zur Widerlegung der Vermutung erforderliche umfassende Übersicht über seine Verbindlichkeiten und Einnahmen hat der Antragsteller nach wie vor nicht vorgelegt. Seine Vermögenslage hat sich nach seinen Angaben vor dem Senat nicht wesentlich verändert. Danach bestehen folgende Verbindlichkeiten:

1.

Versorgungskammer M. 23.000 EUR,

2.

Dr. B. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. H. GmbH & Co. KG N. 50.000 EUR,

3.

Raiffeisenbank I. 25.000 EUR,

4.

Steuerschulden 90.000 EUR (Das Zentralfinanzamt M. beziffert seine Forderung per 12. Januar 2009 auf 126.189,41 EUR).

Damit haben sich die Verbindlichkeiten, auf die sich der Anwaltsgerichtshof bei seiner Beurteilung konzentriert hat, nicht zu seinen Gunsten verändert. Außerdem ist er jetzt mit vier weiteren Haftbefehlen im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Dabei ist nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller im Namensverzeichnis des Vollstreckungsgerichts weiterhin mit weiteren Vollstreckungsverfahren eingetragen ist, deren Erledigung der Antragsteller weder dargelegt noch nachgewiesen hat.

b)

Seinen nach wie vor hohen Verbindlichkeiten stehen nach den Angaben des Antragstellers folgende Forderungen gegenüber:

1.

grundpfandlich gesicherte Forderungen über 38.000 EUR,

2.

Forderungen gegen die Firma Schuh H. über 47.000 EUR,

3.

laufende Forderungen gegen Mandanten über insgesamt 25.000 EUR.

Bei den zuerst genannten Forderungen handelt es sich nach den Angaben des Antragstellers vor dem Anwaltsgerichtshof um Forderungen gegen W. G. , die durch Zwangssicherungshypotheken gesichert sind. Diese hat der Antragsteller vor dem Anwaltsgerichtshof selbst für den Fall als uneinbringlich bezeichnet, dass es zu einer Zwangsversteigerung kommt. Er meint zwar, bei einem freihändigen Verkauf der Grundstücke durch den Schuldner die Hälfte der Forderungen realisieren zu können. Dass der Käufer die vorrangigen Grundpfandrechte übernimmt oder deren Gläubiger mit einem freihändigen Verkauf zu den von dem Antragsteller erwarteten Bedingungen einverstanden sind, hat er aber nicht dargelegt. Die Forderungen gegen die Firma Schuh H. sind wegen des laufenden Insolvenzverfahrens nicht aufrechenbar, können deshalb auch nicht zur Schuldentilgung eingesetzt werden. Die laufenden Forderungen gegen Mandanten sind nicht näher erläutert. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob sie bestritten oder unbestritten und ob sie einbringlich sind. Jedenfalls hat der Antragsteller bislang keine dieser Forderungen dazu verwandt, seine - zudem wegen der Zinsen und Säumniszuschläge stetig wachsenden - Schulden nennenswert zurückzuführen.

c)

Geordnete Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller auch nicht dadurch herstellen können, dass er mit dreien seiner Gläubiger Ratenzahlungsvereinbarungen abgeschlossen hat, nämlich mit der Versorgungskammer über monatlich 250 EUR, mit Dr. B. über monatlich 500 EUR und mit der Raiffeisenbank I. über monatlich 500 EUR. Erstens fehlt eine solche Vereinbarung mit der Steuerbehörde, der der Antragsteller nach wie vor mindestens 90.000 EUR schuldet. Zweitens hat der Antragsteller keine umfassende Übersicht über seine etwaigen sonstigen Verbindlichkeiten vorgelegt. Ohne nähere Darlegungen dazu kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die getroffenen Ratenzahlungsvereinbarungen, die der Antragsteller im Übrigen auch nicht eingehalten hat, dem Antragsteller ein geordnetes Wirtschaften erlauben. Drittens ist nicht erkennbar, wie der Antragsteller bei dem bisher dargelegten Reingewinn von (für 2006) 15.000 EUR im Jahr, der sich nicht verändert hat, auf Dauer die schon eingegangenen Ratenzahlungsverpflichtungen von 1.250 EUR im Monat und die noch erforderlichen zusätzlichen Ratenzahlungsverpflichtungen mit der Steuerbehörde und etwaigen anderen Gläubigern erfüllen und daneben noch geordnet wirtschaften will.

d)

Dass die Interessen der Rechtsuchenden angesichts des unverändert bestehenden Vermögensverfalls ausnahmsweise nicht gefährdet sein könnten, ist nicht erkennbar.

Vorinstanz: AGH Bayern, I - 35/07 vom 17.01.2008,