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BGH - Entscheidung vom 22.01.2009

V ZB 91/08

Normen:
ZVG § 63
ZVG § 63 Abs. 4
ZVG § 63
ZVG § 63 Abs. 4

BGH, Beschluss vom 22.01.2009 - Aktenzeichen V ZB 91/08

DRsp Nr. 2009/4075

Voraussetzungen des Verzichts auf die Einzelausbietung im Zwangsversteigerungsverfahren

Von einer Einzelausbietung darf nur abgesehen werden, wenn die in § 63 Abs. 4 S. 1 ZVG genannten Beteiligten hierauf verzichten. Der Verzicht auf die Einzelausbietung im Versteigerungstermin erfordert grundsätzlich, dass der Verzicht ausdrücklich erklärt und protokolliert wird.

Tenor:

Auf die Rechtbeschwerde des Schuldners werden die Beschlüsse der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 24. Juni 2008 und des Amtsgerichts Gießen vom 11. Februar 2008 aufgehoben, soweit darin zum Vorteil des Beteiligten zu Nr. 7 befunden worden ist. Diesem wird der Zuschlag versagt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 119.100 EUR.

Normenkette:

ZVG § 63 ; ZVG § 63 Abs. 4 ;

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 (Schuldner) ist u.a. Eigentümer der im Rubrum zu a) näher bezeichneten Grundstücke, deren Zwangsversteigerung angeordnet worden ist. In dem ersten Versteigerungstermin am 14. März 2005 hatte der Schuldner das Gesamtausgebot aller Grundstücke unter Verzicht auf das Einzelausgebot beantragt, ist darauf aber in den Terminen vom 9. Mai 2005, 2. Oktober 2006 und 11. Dezember 2006 nicht mehr zurückgekommen.

In dem Versteigerungstermin vom 29. Oktober 2007, in dem neben betreibenden Gläubigern auch der Schuldner mit seinem Verfahrensbevollmächtigten zugegen gewesen ist, hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 2 (Gläubigerin) mit Blick auf die im Rubrum zu a) genannten Grundstücke beschlossen und in den Versteigerungsbedingungen festgestellt, dass ein Doppelausgebot aller Grundstücke bzw. ein Gruppenausgebot erfolgen solle. Die anwesenden Beteiligten haben hiergegen im Termin keine Einwände erhoben. In der sodann durchgeführten Versteigerung ist der Beteiligte zu 7 Meistbietender geblieben. Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2008 hat der Schuldner eingewandt, der Erteilung des Zuschlages stehe entgegen, dass im Termin nicht auf eine Einzelausbietung verzichtet worden sei. Im Übrigen müsse ein Verzicht - woran es hier fehle - zu Protokoll erklärt werden. Es sei nicht auszuschließen, dass bei einer Einzelausbietung ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre.

Mit Beschluss vom 11. Februar 2008 hat das Vollstreckungsgericht dem Beteiligten zu 7 den Zuschlag erteilt. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte er die Versagung des Zuschlags erreichen. Soweit das Vollstreckungsgericht mit weiterem Beschluss vom 11. Februar 2008 der Beteiligten zu 8 ein Grundstück zugeschlagen hat, verfolgt der Schuldner die Anfechtung des Zuschlages nicht weiter.

II.

Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, § 63 ZVG sei nicht verletzt. Der Schuldner habe auf das Einzelausgebot wirksam verzichtet. Keiner der in dem Termin Anwesenden habe dem Antrag der Beteiligten zu 2 widersprochen. Auch auf den Beschluss des Vollstreckungsgerichts seien keine Einwendungen erhoben worden. Bereits dadurch sei eine schlüssige Verzichtserklärung begründet worden. Das gelte umso mehr, als der Schuldner Anträge gestellt, er insbesondere Sicherheitsleistung verlangt habe, und er selber in einem der früheren Versteigerungstermine unter Verzicht auf das Einzelausgebot das Gesamtausgebot beantragt habe. Eine Protokollierung des Verzichts sei nicht erforderlich.

III.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Versagung des Zuschlags (§ 100 i.V.m. § 83 Nr. 2 ZVG ).

1.

Das Absehen von dem Einzelausgebot hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a)

Allerdings geht das Beschwerdegericht zu Recht davon aus, dass von einem Einzelausgebot nur abgesehen werden darf, wenn die in § 63 Abs. 4 Satz 1 ZVG genannten Beteiligten hierauf verzichten (vgl. Senat , Beschl. v. 30. Oktober 2008, V ZB 41/08, zur Veröffentlichung bestimmt). Es legt auch zutreffend zugrunde, dass der von dem Schuldner in dem ersten Versteigerungstermin am 14. März 2005 erklärte Verzicht auf das Einzelausgebot verfahrensrechtlich überholt ist und nicht mehr fortwirkt (vgl. auch Stöber, ZVG , 18. Aufl., § 63 Rdn. 2.2; Hintzen in Dassler/Schiffhauer u.a., ZVG , 13. Aufl., § 63 Rdn. 9).

b)

Das Beschwerdegericht nimmt jedoch zu Unrecht an, dass der Schuldner in dem Versteigerungstermin am 29. Oktober 2007 erneut auf das Einzelausgebot verzichtet hat. Der Senat hat bereits - allerdings erst nach der Beschlussfassung durch das Beschwerdegericht - entschieden, dass der Verzicht ein positives Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt voraussetzt, das zudem stets zu protokollieren ist (Senatsbeschluss v. 30. Oktober 2008, aaO). Daran fehlt es hier.

Dass der in dem Versteigerungstermin anwesende Schuldner oder sein Verfahrensbevollmächtigter den Verzicht auf das Einzelausgebot erklärt hätte, lässt sich dem Protokoll schon nicht entnehmen. Zwar kann sich ein nicht ausdrücklich vermerkter Vorgang gleichwohl aus dem Zusammenhang des im Übrigen Protokollierten ergeben, wenn der protokollierte Vorgang ohne den nicht protokollierten schlechterdings nicht denkbar ist - so kann etwa aus der protokollierten Rückgabe einer Sicherheit geschlossen werden, dass diese zuvor geleistet worden ist (Senatsbeschluss v. 30. Oktober 2008, aaO). Vergleichbar verhält es sich hier jedoch nicht. Dass keiner der in dem Termin anwesenden Beteiligten dem Antrag der Beteiligten zu 2 widersprochen hat, lässt auch im Zusammenspiel mit dem Umstand, dass der Schuldner Sicherheitsleistung verlangt und im Übrigen Einwendungen erhoben hat, nicht denknotwendig (zwingend) den Schluss auf eine Verzichtserklärung zu. Im Übrigen kann auch von einem positiven Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt keine Rede sein.

c)

Offen gelassen hat der Senat bislang, ob in Ausnahmefällen das Einzelausgebot auch ohne die Verzichtserklärung anwesender Beteiligter unter dem Blickwinkel des Rechtsmissbrauchs unterbleiben kann (Senatsbeschluss v. 30. Oktober 2008, aaO, m.w.N.). Die Frage braucht auch hier nicht entschieden zu werden, weil die aufgezeigten Umstände auch bei verständiger Gesamtwürdigung nicht für die Annahme eines Rechtsmissbrauches ausreichen.

2.

Da nicht auszuschließen ist, dass bei einem Einzelausgebot ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre, ist der Zuschlag auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 84 ZVG zu versagen.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Anwendung der §§ 91 ff. ZPO steht grundsätzlich entgegen (vgl. dazu insbesondere Senat, BGHZ 170, 378 , 381 m.w.N.), dass sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde und in einem sich daran anschließenden Rechtsbeschwerdeverfahren in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen. Die Bestimmung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 , 54 Abs. 2 Satz 1 GKG (vgl. dazu Senat , Beschl. v. 5. Oktober 2006, V ZB 168/05, AGS 2007, 99, 100).

Vorinstanz: LG Gießen, vom 24.06.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 7 T 178/08
Vorinstanz: AG Alsfeld, vom 11.02.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 33 K 11/03