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BGH - Entscheidung vom 24.03.2009

X ZB 7/08

Normen:
PatG § 100 Abs. 3
GebrMG § 18 Abs. 4

BGH, Beschluss vom 24.03.2009 - Aktenzeichen X ZB 7/08

DRsp Nr. 2009/8217

Umfang des rechtlichen Gehörs im Zivilverfahren

Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt nicht, dass das Gericht in der von ihm nach dieser Prüfung erlassenen Entscheidung auf jedes tatsächliche oder rechtliche Vorbringen auch ausdrücklich eingeht. So bedarf insbesondere ein Vorbringen, das ersichtlich oder ausgehend von der sonstigen Begründung der Entscheidung nach Auffassung des Gerichts unerheblich oder unsubstanziiert war, keiner besonderen Behandlung. Insbesondere kann die inhaltliche Richtigkeit der vom Gericht getroffenen Entscheidung nicht mit der Gehörsrüge zur Überprüfung gestellt werden.

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 19. Dezember 2007 verkündeten Beschluss des 5. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt.

Normenkette:

PatG § 100 Abs. 3 ; GebrMG § 18 Abs. 4 ;

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 299 14 453, dessen Schutzanspruch 1 ohne Bezugszeichen wie folgt lautet:

Deck- und Fassadenplatte für die Bogenschnitt-Deckung (deutsche Deckung) von Gebäudedächern oder -fassaden, bestehend aus einer im Wesentlichen quadratischen Platte aus Schiefer, Naturstein, Faserzement od. dgl., wobei die Ecke zwischen zwei Längsseiten, die bei der Dach- oder Fassadendeckung die Sichtkante bilden, im Bogenschnitt geformt und zugerichtet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Bogenschnittabschnitt rund, insbesondere kreisrund ist und die Platte symmetrisch bezüglich einer den Bogenschnittabschnitt und die Platte halbierenden Diagonalen ausgebildet ist, wobei der Übergangsbereich Bogenschnitt zu Längsseiten unstetig ist und jeweils eine Ferse ausbildet und die dem Bogenschnittabschnitt gegenüberliegenden Längsseiten senkrecht zur Plattenebene gesägt oder umgekehrt zugerichtet sind.

Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf diesen Schutzanspruch rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 wird auf das Streitgebrauchsmuster verwiesen.

Den Löschungsantrag der Antragstellerin gegen das Streitgebrauchsmuster hat das Deutsche Patent- und Markenamt zurückgewiesen. Unter Aufhebung dieses Beschlusses hat das von der Antragstellerin mittels Beschwerde angerufene Bundespatentgericht das Streitgebrauchsmuster gelöscht. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 sei ebenso wie der zweier hilfsweiser Fassungen angesichts des vorveröffentlichten deutschen Geschmacksmusters 498 07 218 nicht neu; der Gegenstand der dritten hilfsweise geltend gemachten Fassung habe sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus diesem Geschmacksmuster ergeben.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Rechtsbeschwerde.

Die Antragstellerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

II.

Obwohl sie von dem Bundespatentgericht nicht zugelassen worden ist, ist die Rechtsbeschwerde zulässig, weil mit ihr geltend gemacht wird, der Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör vor dem Bundespatentgericht sei verletzt (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG i.V. mit § 18 Abs. 4 Satz 2 GebrMG ). Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist jedoch nicht begründet, weil der gerügte Mangel des Verfahrens vor dem Bundespatentgericht nicht festgestellt werden kann.

1.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör setzt - soweit es angesichts des zur Begründung der Rechtsbeschwerde Vorgebrachten hier von Bedeutung ist -voraus, dass das Gericht das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und auf seine sachlichrechtliche oder verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit prüft (Sen. Beschl. v. 02.12.2008 - X ZB 33/07 Tz. 2, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt hingegen nicht, dass das Gericht in der von ihm nach dieser Prüfung erlassenen Entscheidung auf jedes tatsächliche oder rechtliche Vorbringen auch ausdrücklich eingeht. Insbesondere Vorbringen, das ersichtlich oder ausgehend von der sonstigen Begründung der Entscheidung nach Auffassung des Gerichts unerheblich oder unsubstantiiert war, bedarf keiner besonderen Behandlung (Sen. Beschl. v. 24.07.2007 - X ZB 17/05, GRUR 2007, 996 Tz. 11 - Angussvorrichtung für Spritzgießwerkzeuge, m.w.N.).

2.

Das von der Rechtsbeschwerde Vorgebrachte, ergibt die behaupteten Gehörsverletzungen nicht.

a)

Das Bundespatentgericht hat als zum Stand der Technik gehörend das deutsche Geschmacksmuster 498 07 218 angesehen und bei seiner Beschwerdeentscheidung deshalb hierauf abgestellt, wobei es wegen der besseren Darstellung der Abbildungen die Fotos des mit dem Geschmacksmuster gegenstandsgleichen parallelen WIPO-Zertifikats herangezogen hat. Insbesondere dem dortigen Foto Nr. 16 hat es sodann entnommen, dass der das Streitgebrauchsmuster kennzeichnende unstetige (geknickte) Übergang des Eckbogens in die jeweilige gerade Längsseite der Platte vorbekannt gewesen sei.

Das Bundespatentgericht hat mithin den auch aus den Fotos des WIPO-Zertifikats entnehmbaren Offenbarungsgehalt des Geschmacksmusters als maßgeblich für seine Beschwerdeentscheidung gehalten, in drei verteidigten Fassungen sei das Streitgebrauchsmuster neuheitsschädlich getroffen und in der weiter verteidigten Fassung sei es nahegelegt gewesen. Dann aber konnte das Bundespatentgericht für unerheblich halten, wie die Antragstellerin die von ihr gehandelten, angeblich dem Geschmacksmuster entsprechenden Decksteine beworben hat, wie diese in der Verlegeanleitung beschrieben sind oder ob die Antragstellerin auch schon vor dem Löschungsverfahren oder vor dem angefochtenen Beschluss des Bundespatentgerichts zu der Erkenntnis gelangt war, keine bloßen Rundbogenplatten, sondern Platten mit unstetem Bogenabschnitt zu vertreiben. Das diesbezügliche Vorbringen der Antragsgegnerin, auf das sich die Rechtsbeschwerde unter Angaben verschiedener Einzelheiten stützt, brauchte das Bundespatentgericht deshalb nicht zu behandeln. Aus dem Fehlen entsprechender Ausführungen kann daher auch nicht darauf geschlossen werden, das Bundespatentgericht habe dieses Vorbringen oder Einzelheiten hiervon überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.

b)

Soweit die Rechtsbeschwerde dem Bundespatentgericht ferner vorhält, theoretische geometrische Überlegungen bezüglich des deutschen Geschmacksmusters angestellt zu haben, ohne den Vortrag der Antragsgegnerin zur Sicht- und Vorgehensweise des einschlägigen Fachmanns zu berücksichtigen, verkennt die Rechtsbeschwerde schon den Inhalt der beanstandeten Ausführungen des angefochtenen Beschlusses. Das Bundespatentgericht hat die von der Rechtsbeschwerde als theoretisch geometrisch bezeichneten Ausführungen für notwendig gehalten, weil der Schutzanspruch 1 in allen seinen streitigen Fassungen Vorgaben macht, deren räumliche Parameter (z.B. symmetrisch, halbierende Diagonale) eine abstrakte Befassung mit geometrischen Formen erfordert. Deshalb deutet auch nichts darauf hin, dass das Bundespatentgericht sich nicht mit der tatsächlichen Sicht des Fachmanns befasst und hierbei insbesondere nicht auch das Vorbringen der Antragsgegnerin hierzu zur Kenntnis genommen und erwogen hat.

c)

Dem Umstand, dass das Bundespatentgericht das von der Antragsgegnerin zur Stützung des Streitgebrauchsmusters angezogene Urteil des Landgerichts Köln nicht erwähnt und sich auch nicht mit der von ihm abgeänderten Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts auseinandergesetzt hat, deutet ebenfalls nicht auf eine Gehörsverletzung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt nach dem eingangs Ausgeführten nicht, dass das Gericht seine Entscheidung gegenüber derjenigen eines anderen Gerichts oder einer Behörde rechtfertigt. Gerade wenn es um die Offenbarung einer Entgegenhaltung geht, steht eine Wertung in Frage (vgl. Sen. Urt. v. 16.12.2008 - X ZR 89/07 Tz. 25 f. - Olanzapin, für BGHZ vorgesehen), die das Gericht eigenverantwortlich vorzunehmen hat (vgl. Sen. Urt. v. 17.04.2007 - X ZR 1/05, GRUR 2007, 59 Tz. 20 - Pumpeinrichtung; BGHZ 171, 120 Tz. 18 f. - Kettenradanordnung, jeweils m.w.N.). Das schließt ein, andere entgegenstehende Entscheidungen für unerheblich zu halten, weshalb aus dem von der Rechtsbeschwerde gerügten Unterlassen nichts dafür hergeleitet werden kann, dass das Bundespatentgericht den sich auf die Entscheidung des Landgerichts Köln und den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts beziehenden Vortrag der Antragsgegnerin außer Acht gelassen hat.

d)

Zu Unrecht wirft die Rechtsbeschwerde dem Bundespatentgericht vor, den Hinweis der Antragsgegnerin nebst Erläuterungen unberücksichtigt gelassen zu haben, beim erfindungsgemäßen Deckstein seien die kennzeichnenden Kanten doppelt vorhanden, so dass jede Decksteinausrichtung möglich sei. Denn dem angefochtenen Beschluss lässt sich nicht entnehmen, dass das Bundespatentgericht von etwas anderem ausgegangen ist. Ein Unterschied besteht nur insoweit, als das Bundespatentgericht angenommen hat, der Fachmann sehe solche Kanten fachnotorisch vor, zumal sie auch aus den Fotos 9 bis 13 des WIPO-Zertifikats zu ersehen seien, während die Antragsgegnerin die erfindungsgemäß vorausgesetzte Bearbeitung beider Längsseiten als nicht in den Stand der Technik hineinlesbar ansieht. Damit stellt die Antragsgegnerin jedoch nur die inhaltliche Richtigkeit der vom Bundespatentgericht getroffenen Entscheidung in Frage. Das kann mit der Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs nicht zur Überprüfung gestellt werden (Sen. Beschl. v. 16.09.2008 - X ZB 28/07, GRUR 2009, 90 Tz. 7 - Beschichten eines Substrats, m.w.N.).

e)

Der Sache nach wünscht die Antragsgegnerin schließlich eine auf eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde hin nicht mögliche inhaltliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auch insoweit, als die Rechtsbeschwerde geltend macht, man könne nicht - wie das Bundespatentgericht - lapidar sagen, eine Ausbildung mit zwei unsteten Fersen gehe deutlich und eindeutig aus dem deutschen Geschmacksmuster hervor, weil zwei unstetige Fersen nur in den Figuren des Streitgebrauchsmusters wirklich eindeutig wahrnehmbar seien, und als ferner die vom Bundespatentgericht angenommene Erkennbarkeit der gegenüberliegenden Längsseiten und deren Beschaffenheit in den Fotos 9 bis 13 des WIPO-Zertifikats angezweifelt wird. Weitere Ausführungen zu diesen Beanstandungen erübrigen sich deshalb.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG i.V. mit § 18 Abs. 4 Satz 2 GebrMG . Eine mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich.

Vorinstanz: BPatG, 5 W pat 403/07 vom 19.12.2007,