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BGH - Entscheidung vom 16.04.2009

VII ZR 177/06

Normen:
HOAI § 15
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
BauR 2009, 1173
NJW-RR 2009, 1100
NZBau 2009, 456
ZfBR 2009, 561

BGH, Beschluss vom 16.04.2009 - Aktenzeichen VII ZR 177/06

DRsp Nr. 2009/11415

Umfang des rechtlichen Gehörs im Zivilverfahren

Wird zur Höhe der Mängelbeseitigungskosten im Architektenhaftungsprozess ein Gutachten eingeholt und werden die Berechnungen des Sachverständigen von den beklagten Architekten angegriffen, während sich der Kläger die Ergebnisse des eingeholten Gutachtens zu eigen macht, ist der Sachverständige dazu anzuhören, wenn die Parteien zum Beweis die Einholung eines Gutachtens beantragt haben. Folgt das Gericht ohne Beweiserhebung den Einwendungen der Beklagten mit der Begründung, der Kläger hätte den neuen Vortrag der Beklagten substanziiert bestreiten müssen, übergeht es den Beweisantrag und verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör.

Tenor:

Der Beschwerde des Klägers wird teilweise stattgegeben.

Das Urteil des 10. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 27. Juli 2006 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 84.392,40 EUR nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 94.392,40 EUR (84.392,40 EUR + 10.000,00 EUR)

Stattgebender Teil: 84.392,40 EUR

Normenkette:

HOAI § 15 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihm infolge von Mängeln bei einem Dachgeschossausbau entstanden ist.

Der Kläger und die Beklagten zu 1 und 2 schlossen 1992 einen Architektenvertrag über den Dachgeschossausbau in fünf Wohneinheiten, der die Leistungsphasen 1 bis 9 gemäß § 15 HOAI umfasste. Über dem 1. Obergeschoss sollte eine zweite Decke eingezogen werden und zwar durch neue Deckenbalken als tragende Konstruktion. Ursprünglich hatten die Hauptträger aus Stahl bestehen und 24 cm hoch sein sollen. Die Konstruktion wurde dahingehend abgeändert, dass anstelle von einigen Stahlträgern Leimholzbinder von 45 cm Höhe eingebaut werden sollten, um Durchbrüche für Entsorgungsleitungen vornehmen zu können. Ein durch den Kläger beauftragter Statiker fertigte einen

1.

Nachtrag zur statischen Berechnung und forderte für die vorgesehenen Durchbrüche der Leimholzbinder einen Herstellernachweis.

Die Zimmerer- und Holzbauarbeiten wurden ohne eine Prüfstatik durch die Beklagte zu 3 ausgeführt; die Beklagten zu 1 und 2 führten die Bauaufsicht.

In der Tragkonstruktion wurden erhebliche Mängel festgestellt.

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 621.000,00 DM (= 317.512,25 EUR) zuzüglich Zinsen verurteilt und festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 9/10 der über 691.000,00 DM hinausgehenden Schäden zu ersetzen.

Das Berufungsgericht hat die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zur Zahlung in Höhe von 175.638,51 EUR zuzüglich Zinsen verurteilt und festgestellt, dass die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 9/10 der über 235.228,43 EUR hinausgehenden Schäden zu ersetzen. Hinsichtlich der Beklagten zu 3 ist die Berufung zurückgenommen worden. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Der Kläger verfolgt seinen Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten zu 1 und 2 nach Maßgabe der Schlussanträge in der Berufungsinstanz weiter. Er greift jedoch den durch das Berufungsgericht vorgenommenen Abzug für eine durch den Kläger gezogene Bürgschaft in Höhe von 36.067,07 EUR ebenso wenig an wie die Abweisung von Schadensersatz wegen zu erwartender Unterbringungskosten der Mieter über einen Betrag in Höhe von 12.150,00 EUR hinaus.

II.

Das Berufungsurteil beruht, wie der Kläger zu Recht rügt, hinsichtlich der durch das Berufungsgericht festgestellten Kosten der Mängelbeseitigung auf einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör. Es ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, soweit das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz in Höhe von 84.392,40 EUR aberkannt hat.

Der Betrag in Höhe von 84.392,40 EUR ergibt sich aus den klägerischen Anträgen in der Berufungsinstanz in Höhe von 321.313,19 EUR (317.512,25 EUR und 3.800,94 EUR) abzüglich des in dem Berufungsurteil zugesprochenen Betrages in Höhe von 175.638,51 EUR, also 145.674,68 EUR, sowie abzüglich der nicht mehr geltend gemachten Beträge in Höhe von 36.067,07 EUR und 25.215,21 EUR (2 x 40.600,00 DM x 9/10 = 37.365,21 EUR - 12.150,00 EUR).

Das Berufungsgericht hat ein Gutachten zu den voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten eingeholt. Nach der Schätzung des Gutachters betragen die Mängelbeseitigungskosten 375.394,00 EUR. Die Beklagte hat diese Berechnung angegriffen und unter Vorlage von Kostenvoranschlägen dargelegt, die Mängelbeseitigungskosten für die von dem Gutachter vorgeschlagene Sanierung betrügen lediglich 217.505,16 EUR. Der Kläger hat diese Berechnung in mehrfacher Weise angegriffen. Insbesondere hat er die niedrigeren Mengenansätze der Beklagten beanstandet und die von den Unternehmern angebotenen Preise als unrealistisch untersetzt bezeichnet. Beide Parteien haben zum Beweis die Einholung eines Gutachtens beantragt.

Das Berufungsgericht hat seine Schadensberechnung auf der Grundlage der von den Beklagten vorgenommenen Berechnungen vorgenommen. Die Beklagten hätten unter Verwendung der Angaben des Gutachters Kostenvoranschläge eingeholt. Die Massen seien nach Angaben der Beklagten an Hand der Bauzeichnung und der Markierung des Sachverständigen präziser als von diesem geschätzt ermittelt worden. Der Kläger hätte die detaillierten Angaben der Beklagten konkret widerlegen müssen. Das sei nicht geschehen.

Damit hat das Berufungsgericht gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verstoßen.

Zwischen den Parteien war die Höhe der Mängelbeseitigungskosten streitig. Das Gericht hat dazu ein Gutachten eingeholt. Die Beklagte hat Angriffe gegen dieses Gutachten geführt. Der Kläger hat in der Sache dieses Gutachten verteidigt und sich die Ergebnisse des Gutachtens jedenfalls insoweit zu eigen gemacht, als sie ihm günstig waren. Auf die Angriffe des Beklagten gegen das Gutachten hätte das Gericht eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters jedenfalls deshalb herbeiführen müssen, weil auch der Kläger es beantragt hat.

Das Übergehen des Beweisantrags findet im materiellen Recht keine Stütze. Ohne jede Grundlage ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe den neuen Vortrag der Beklagten substantiiert bestreiten müssen. Der Kläger konnte sich auf das bereits erstattete Gutachten berufen und insbesondere Mengen und Preise in den Berechnungen der Beklagten bestreiten, ohne dazu weitere Angaben zu machen. So wie von dem Kläger - wie das Berufungsgericht noch erkennt - zu Beginn des Prozesses keine näheren Angaben zu Mängelbeseitigungsmaßnahmen und deren Kosten verlangt werden konnten, konnten ihm solche Angaben auch nicht nach Vorlage der Angebote abverlangt werden. Mit diesen Angeboten sollten die Berechnungen des Sachverständigen in Frage gestellt werden. Es wäre deshalb notwendig gewesen, den Sachverständigen dazu zu hören.

Die Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör ist auch entscheidungserheblich, denn das Berufungsgericht hätte eine weitere gutachterliche Stellungnahme zu dem Aufwand der Mängelbeseitigung einholen müssen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Klärung zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre.

III.

Soweit der Kläger das Berufungsurteil hinsichtlich der über 235.228,43 EUR hinausgehenden Mängelbeseitigungskosten und sonstigen Schäden wegen der auf 75 % des Dachgeschossausbaus beschränkten Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten angegriffen hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine Anpassung dieses im Feststellungstenor genannten Betrages, ab dem eine weitere Schadensersatzpflicht der Beklagten besteht, ist im Wege der Auslegung des Feststellungstenors nach erneuter Feststellung der Mängelbeseitigungskosten vorzunehmen.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO ).

Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 27.07.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 10 U 36/01
Vorinstanz: LG Hamburg, vom 30.05.2001 - Vorinstanzaktenzeichen 325 O 312/96
Fundstellen
BauR 2009, 1173
NJW-RR 2009, 1100
NZBau 2009, 456
ZfBR 2009, 561