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BGH - Entscheidung vom 23.04.2009

IX ZB 25/08

Normen:
BEG § 28 Abs. 1
BEG § 41 Abs. 2
BEG § 176 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 23.04.2009 - Aktenzeichen IX ZB 25/08

DRsp Nr. 2009/13218

Überprüfung der Entschädigung im Fall einer koronaren Herzerkrankung

Erreicht ein Verfolgter trotz der hierdurch bewirkten Leiden eine durchschnittliche Lebenserwartung übersteigendes Alter, so ist deswegen noch nicht auszuschließen, dass er ohne das Verfolgungsschicksal noch länger gelebt hätte (BGH - IV ZR 205/65 - 07.12.1966).

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. August 2007 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Normenkette:

BEG § 28 Abs. 1; BEG § 41 Abs. 2; BEG § 176 Abs. 2;

Gründe:

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision (§ 219 Abs. 2 BEG) besteht nicht.

1.

Sofern der Aussage des behandelnden Arztes Dr. S. als unmittelbarem Beweismittel von dem medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. nicht die gebührende Beachtung geschenkt worden ist und das Berufungsgericht hier nicht nachgefasst hat, wäre ein möglicher Verfahrensfehler, welcher nur den Einzelfall betrifft, zulassungsrechtlich ohne Bedeutung.

Eine Verfahrensfrage von grundsätzlicher Bedeutung, welche die Beschwerde in der Behandlung der eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten durch das Berufungsgericht erblicken will, wirft die tatrichterliche Beweiswürdigung auch im Übrigen nicht auf. Mit Recht beanstandet die Beschwerde zwar auch, dass das Berufungsgericht die Aussage des Sachverständigen Prof. Dr. T. bei seiner Vernehmung am 10. Mai 2007 in den Entscheidungsgründen seines Urteils abweichend von ihrem protokollierten Inhalt wiedergibt und hieran Folgerungen knüpft, die so nicht haltbar sind. Erreicht ein Verfolgter, wie der Ehemann der Klägerin, trotz der hierdurch bewirkten Leiden ein die durchschnittliche Lebenserwartung übersteigendes Alter, so ist deswegen noch nicht auszuschließen, dass er ohne das Verfolgungsschicksal noch länger gelebt hätte (vgl. BGH, Urt. v. 7. Dezember 1966 - IV ZR 205/65, RzW 1967, 138; siehe außerdem die Sachverständigenaussage Prof. Dr. T. vom 10. Mai 2007, Protokoll S. 3). Die Ansicht des Berufungsgerichts, der mögliche verfolgungsbedingte Verursachungsanteil einer koronaren Herzerkrankung werde im Laufe der Jahre für das individuelle Lebensschicksal immer geringer, ist deshalb nicht zwingend. Diese Beweisannahme des Berufungsgerichts enthält jedoch keinen Rechtssatz. Ihr kann deshalb auch weder grundsätzliche Bedeutung zukommen noch kann darin eine Abweichung von dem zuvor genannten Urteil vom 7. Dezember 1966 gesehen werden, welches den anders liegenden Fall der abgrenzbaren Verschlimmerung eines vor der Verfolgung bestehenden Leidens betraf.

2.

Unzureichende Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die Ursachen der koronaren Herzerkrankung und ihre Gewichtung begründen keine Beweishilfe gemäß § 176 Abs. 2 BEG. Die hier anderweitig einschlägige Sondervorschrift des § 171 Abs. 2 Buchst. a) BEG betrifft nicht den Fall, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der verfolgungsbedingten Gesundheitsschädigung und dem Tod des Verfolgten im Rahmen des § 41 BEG nicht festgestellt werden kann, weil hierüber in der ärztlichen Wissenschaft Unklarheit besteht (BGH, Urt. v. 12. Juni 1986 - IX ZR 164/85, BGHR BEG 171 Abs. 2 Buchst. a, Kausalzusammenhang 1).

3.

Der Beschwerde ist zwar zuzugeben, dass die hier in Betracht kommende Beweishilfe wegen Beweisverlustes gemäß § 176 Abs. 2 Satz 2 BGB weder zu den insoweit erheblichen Verlustzeiträumen und Verlustgründen noch in ihrer Anwendbarkeit neben den Beweiserleichterungen, welche bereits die § 28 Abs. 1 Satz 2, § 41 Abs. 2 Satz 1 BEG durch den Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewähren, durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geklärt ist. Einer solchen Grundsatzentscheidung bedarf es jedoch auch aus Anlass des Streitfalles nicht. Denn es ist völlig offen, ob die verlorenen Beweismittel überhaupt geeignet waren, weiterführende Erkenntnisse über die Ursachen des Bluthochdrucks und die Entstehung der koronaren Herzerkrankung des verstorbenen Verfolgten zu vermitteln. Soweit ärztliche Befunde zu diesen Erkrankungen zu Lebzeiten des Verfolgten nicht erhoben worden sind, liegt schon kein Beweismittelverlust vor. Ob dem Verfolgten in dieser Hinsicht eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht zur Last gelegt werden könnte, ist nicht entscheidungserheblich.

4.

An den Grundsätzen seines Urteils vom 6. Juni 2002 ( IX ZR 35/02, MDR 2002, 1248 f), welche die Beschwerde zur Überprüfung stellen möchte, hält der Senat uneingeschränkt fest und erachtet sie auch keiner Klarstellung für bedürftig. Einzuräumen ist nur, dass dem Berufungsgericht die rechtliche Instruktion der Sachverständigen anscheinend nicht ganz gelungen ist. Der Sachverständige Prof. Dr. E. hätte sonst nicht - wie in seiner Vernehmung vom 8. Dezember 2003 (Protokoll Seite 2) - annehmen können, die Gewichtung der drei von ihm benannten wahrscheinlichen Todesursachen sei das Problem. Auch die Aussage des Sachverständigen Prof. Dr. T. in seiner Vernehmung vom 10. Mai 2007, dass der Bluthochdruck zu einem Drittel durch Stresssymptome verursacht sei, es könnten aber auch mehr oder weniger sein (Protokoll Seite 2 unten), war zweideutig, je nachdem, ob dabei an eine entsprechende Verschlimmerung bei dem Verfolgten gedacht war oder an eine statistische Wahrscheinlichkeit.

Wie die Klägerin zutreffend vorgetragen hat, ist eine überwiegend verfolgungsbedingte Mitverursachung des Todes in Fällen des § 41 BEG nicht erforderlich, damit der Anspruch auf Hinterbliebenenrente entstehen kann. Es bedarf nur der Wahrscheinlichkeit einer Mitverursachung, was nicht mit dem Umfang der Mitverursachung gleichgesetzt werden darf. Diese Wahrscheinlichkeit schwächt sich mathematisch ab, je weiter der Tod des Verfolgten in der kausalen Stufenfolge von seiner möglichen Verfolgungsursache entfernt ist. Unterstellt man, dass die koronare Herzerkrankung eines Verfolgten mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 v.H. auch auf dem Verfolgungsschicksal beruht und der Tod mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 v.H. auf der koronaren Herzerkrankung, so wäre der Ursachenzusammenhang in der Gesamtwürdigung nicht wahrscheinlich; denn er hätte nur eine Möglichkeit von 48 v.H. für sich, es spräche also mehr dagegen. Liefe, wofür im Streitfall kein Anhaltspunkt besteht, von dem Verfolgungsschicksal zum Tod des Opfers noch ein zusätzlicher Ursachenstrang, etwa derart, dass der Verfolgte durch die Erinnerung an die seinerzeitigen Verfolgungserlebnisse in einen psychischen Zustand versetzt worden ist, welcher das unmittelbare Todesereignis möglicherweise auch ohne den verfolgungsbedingten Einfluss auf anderweitige Vorerkrankungen ausgelöst hat, so kann sich in der Gesamtwürdigung aller möglichen Ursachenbeiträge zum Tod eines Verfolgten auch dann noch eine wahrscheinliche Mitverursachung des Todes durch das Verfolgungsschicksal ergeben. Es ist die nicht einfache Aufgabe der Tatsacheninstanzen, die Sachaufklärung entsprechend zielgerichtet zu steuern und dazu den medizinischen Sachverständigen die innerhalb der Gesamtrechtsordnung ungewöhnliche Ursachenbewertung des Wiedergutmachungsrechts zu verdeutlichen. Weitere Revisionsurteile können jedoch zur Erfüllung dieser wichtigen Pflicht nicht mehr beitragen.

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 16.08.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 13 U E 109/99
Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 23.02.1999 - Vorinstanzaktenzeichen 27 O E 100/94