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BGH - Entscheidung vom 21.01.2009

IV ZB 35/08

Normen:
ZPO § 3
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 21.01.2009 - Aktenzeichen IV ZB 35/08

DRsp Nr. 2009/3668

Streitwert und Rechtsmittelbeschwer bei Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft

Streitwert und Wert der Beschwer bei Verurteilung des Testamentsvollstreckers zur Erteilung einer Auskunft über den Bestand des Nachlasses bemessen sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der der zur Auskunft verurteilten Partei entsteht.

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. Juli 2008 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Wert: bis 300 EUR

Normenkette:

ZPO § 3 ; ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I.

Der Kläger, von Beruf Steuerberater, ist in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker zur Auskunft an eine Erbengemeinschaft verurteilt worden, unter anderem "über die Vertragsbedingungen und die Entwicklung des Festgeld-/Wertpapierdepots der Erblasserin in Höhe von 100.000 DM zur Zeit des Erbfalls ..., inzwischen an die Erben ausgekehrt, und zwar unter Vorlage der Zinsberechnungen" (Ziff. 2 des Tenors). Seine gegen dieses Urteil gerichtete Berufung nahm er zurück, nachdem das Berufungsgericht den Wert des Berufungsverfahrens im Hinblick auf den zur Erteilung der Auskunft erforderlichen Aufwand auf insgesamt 1.000 DM (511,29 EUR) festgesetzt hatte.

Die Erben, die Beklagten des jetzigen Verfahrens, betrieben die Zwangsvollstreckung und erwirkten die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 15.000 EUR, ersatzweise Zwangshaft von einem Tag für je 1.000 EUR, und nachdem das Zwangsgeld nicht beigetrieben werden konnte, den Erlass eines Haftbefehls gegen den Kläger. Die Rechtsbehelfe des Klägers im Vollstreckungsverfahren blieben ohne Erfolg.

Der Kläger hat daraufhin Vollstreckungsgegenklage mit dem Antrag erhoben, die Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil bezüglich des Tenors Ziff. 2 für unzulässig zu erklären, da er die geforderte Auskunft mittlerweile erteilt habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Wert auf 15.000 EUR festgesetzt. Das Berufungsgericht hat dem Kläger aufgegeben, den mit der Erfüllung des titulierten Anspruchs verbundenen Aufwand gemäß § 511 Abs. 3 ZPO glaubhaft zu machen, und die Berufung anschließend als unzulässig verworfen, weil die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht überschritten sei. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO , die auch bei der Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 2008 - IV ZB 14/07 - NJW-RR 2008, 889 Tz. 3; vom 23. Mai 2007 - IV ZB 48/05 - VersR 2007, 1535 Tz. 5, jeweils m.w.N.), sind nicht gegeben. Die vom Kläger dargelegten Rechtsfragen sind von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt. Der Rechtssache kommt somit weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sonst eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

1.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Wert der Vollstreckungsgegenklage und entsprechend die Beschwer des Klägers durch deren Abweisung bestimmten sich nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung. Maßgeblich sei das Interesse des Klägers, den titulierten Anspruch nicht erfüllen zu müssen. Dieses wiederum sei ausschließlich nach dem mit der Auskunftserteilung verbundenen Zeit- und Kostenaufwand zu bemessen, der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils objektiv noch geboten sei. Dem gegenüber sei das Interesse des Klägers, die weitere Vollstreckung des Zwangsgeldbeschlusses und den Vollzug des Haftbefehls zu verhindern, als bloßes Folgeinteresse zu bewerten, das bei der Wertfestsetzung keine Berücksichtigung finden könne.

Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass mit der Auskunftserteilung der geltend gemachte Aufwand von 5.518,40 EUR verbunden sei. Auf die Abgabe einer - zudem lediglich angebotenen - eidesstattlichen Versicherung komme es nicht an, weil der Kläger mit diesem Mittel der Glaubhaftmachung nicht zugelassen werden dürfe (§ 511 Abs. 3 ZPO ). Der Aufwand sei daher vom erkennenden Gericht zu schätzen; dabei erscheine ein Zeitaufwand von bis zu 10 Stunden als ausreichend, der in Anlehnung an § 21 Satz 1 JVEG mit 12 EUR/Std. anzusetzen sei zuzüglich 100 EUR für die Vorlage von Belegen und gegebenenfalls die Fertigung von Kopien. Die Mitwirkung von Sonderfachleuten - wie Rechtsanwälten oder Steuerberatern - sei zur Erfüllung des titulierten Anspruchs nicht erforderlich.

Das erstinstanzliche Gericht hätte für eine Zulassung der Berufung auch dann keine Veranlassung gehabt, wenn es bei seiner Entscheidung ebenfalls davon ausgegangen wäre, dass der Wert der Beschwer den Betrag von 600 EUR nicht übersteige. Denn im Streitfall seien die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht erfüllt.

2.

Das lässt zulassungsrelevante Rechtsfehler nicht erkennen.

a)

Bei der Prüfung, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes den für eine Wertberufung maßgeblichen Betrag von 600 EUR übersteigt, ist das Berufungsgericht an die Streitwertfestsetzung durch das erstinstanzliche Gericht nicht gebunden. Es stellt den Wert des Beschwerdegegenstandes vielmehr im Rahmen der ihm von Amts wegen obliegenden Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach eigenem Ermessen fest (BGH, Urteile vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06 - NJW 2008, 218 Tz. 12; vom 20. Oktober 1997 - II ZR 334/96 -NJW-RR 1998, 573 unter 2; Beschlüsse vom 9. Februar 2006 - IX ZB 310/04 - NJW-RR 2006, 1146 Tz. 5; vom 9. Juli 2004 - V ZB 6/04 - NJW-RR 2005, 219 unter II 2 a). Dem ist das Berufungsgericht hier nachgekommen; es hat zudem die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gegeben sind, in der gebotenen Weise nachgeholt (vgl. Urteil vom 14. November 2007 aaO).

b)

Der Wert des Aufwandes für die Auskunftserteilung war, da der Kläger den von ihm behaupteten Aufwand nicht glaubhaft gemacht hat, vom Berufungsgericht gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Eine solche Festsetzung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1997 aaO vor 1; Beschlüsse vom 9. Februar 2006 aaO Tz. 7; vom 9. Juli 2004 aaO unter II 2 b aa; vom 9. Juni 2004 - VIII ZB 124/03 - NJW 2004, 2904 unter II 2 b). Das macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich.

(1)

Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts wird die Wertgrenze von 600 EUR vielmehr nicht überschritten. Das gilt auch für den Fall, dass für den seitens des Berufungsgerichts veranschlagten Zeitaufwand von bis zu 10 Stunden entsprechend §§ 20, 22 JVEG ein Satz von 17 EUR/Std. zugrunde gelegt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Februar 2008 aaO Tz. 14) zuzüglich 100 EUR für Schreib- und Kopierauslagen. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Erteilung einer Auskunft über den Bestand des Nachlasses sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten richtet, der der zur Auskunft verurteilten Partei entsteht (Senatsbeschlüsse vom 30. April 2008 - IV ZR 287/07 - FamRZ 2008, 1346 Tz. 6; vom 20. Februar 2008 aaO; vom 5. September 2007 - IV ZB 13/07 - ZEV 2007, 535 Tz. 7; vom 3. Juli 2002 - IV ZR 191/01 - FamRZ 2003, 87 unter 4; BGH, Beschluss vom 16. Juni 2008 - VIII ZB 87/06 - WuM 2008, 615 Tz. 6; GSZ BGHZ 128, 85 , 87) . Denn der Wert ist mit Blick darauf zu bestimmen, inwieweit die ergangene Entscheidung dem Rechtsmittelkläger einen rechtlichen Nachteil bringt, dessen Beseitigung er mit dem Rechtsmittel erstrebt (BGH, Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 208/96 - NJW 1997, 3246 unter II 2).

(2)

Der danach ermittelte Wert von bis zu 300 EUR wird durch den Vortrag des Klägers bestätigt, mit dem er darlegt, er habe den zu vollstreckenden Anspruch bereits erfüllt. Dazu ist nach eigenem - und zutreffendem - Vorbringen (lediglich) die Auskunft erforderlich, es habe zum Zeitpunkt des Erbfalles im Jahre 1997 kein "Depot" über 100.000 DM (mehr) gegeben, sondern die Erblasserin habe ihm seit den Jahren 1989/90 einen Betrag in dieser Höhe darlehensweise zu einem Zinssatz von zunächst 5,5% p.a. und später 5% p.a. überlassen. Zwar habe er im Umfang eines Darlehens von ursprünglich 300.000 DM ein Wertpapierdepot bei einem Bankhaus unterhalten, das der Beklagten als Sicherheit gedient habe. Dieses Depot sei aber schon im Jahre 1989 aufgelöst worden. Das Darlehen selbst in Höhe von restlichen 100.000 DM sei - unstreitig - im Jahre 1997 einschließlich der für dieses Jahr angefallenen anteiligen Zinsen an die Erben zurückgeführt worden. Über die an die Erblasserin bis zum Erbfall gezahlten Zinsen habe er Abrechnungen erstellt und den Erben vorgelegt. Die betreffenden Zinsabrechnungen hat der Kläger zu den Akten gereicht; es ist nicht ersichtlich, dass bei erneuter Erteilung der Auskunft deren Erstellung den vom Berufungsgericht angesetzten Zeitaufwand von bis zu 10 Stunden übersteigen könnte, selbst wenn der Auffassung des Landgerichts in seinem mit der Berufung angefochtenen Urteil gefolgt wird, es fehle bislang an einer geordneten Zusammenfassung der bisherigen Abrechnungen und Einzelangaben des Klägers, so dass die Auskunft noch nicht ordnungsgemäß erfüllt und vom Kläger deshalb zu wiederholen sei.

c)

Die dargestellten Grundsätze gelten auch für den Wert der vom Kläger erhobenen Vollstreckungsgegenklage. Er bestimmt sich nach dem Nennbetrag des vollstreckbaren (Haupt-)Anspruchs, soweit dieser mit dem Antrag der klagenden Partei angegriffen wird (BGH, Beschlüsse vom 2. Februar 1962 - V ZR 70/60 - NJW 1962, 806; vom 12. März 2008 - VIII ZB 60/07 - WuM 2008, 296 Tz. 7; vom 9. Februar 2006 aaO Tz. 9; vom 23. September 1987 - III ZR 96/87 - NJW-RR 1988, 444). Das ist hier die Verurteilung zur Auskunft gemäß Ziff. 2 des Tenors; allein in diesem Umfang möchte der Kläger erreichen, dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt wird. Das Berufungsgericht hat sich daher zu Recht an dem Wert des zu vollstreckenden (Teil-) Anspruchs orientiert, dessen Wert lediglich bis 300 EUR beträgt; es besteht keine Veranlassung, insoweit von der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abzuweichen.

d)

Der Rechtsbeschwerde ist insbesondere nicht darin zu folgen, zusätzlich und werterhöhend sei das Interesse des Klägers, die weitere Vollstreckung des Zwangsgeldbeschlusses und den Vollzug des Haftbefehls zu verhindern, einzubeziehen. Die Rechtsbeschwerde macht in diesem Zusammenhang geltend, es handele sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht um ein bloßes Folgeinteresse. Bei Ermittlung der Rechtsmittelbeschwer hätten lediglich solche Interessen außer Betracht zu bleiben, die Dritten gegenüber bestünden. Das diesbezügliche Interesse des Klägers habe indes kein drittgerichtetes Ziel, sondern beziehe sich auf den Gegenstand des Rechtsstreits, denn ein Erfolg der Vollstreckungsgegenklage führe unmittelbar dazu, dass eine Vollstreckung des von den Beklagten erwirkten Zwangsgeldbeschlusses und des Haftbefehls nicht mehr statthaft sei.

(1)

Das verkennt zum einen den Gegenstand der Vollstreckungsgegenklage. Nach § 767 Abs. 1 ZPO kann der Kläger beim Prozessgericht Einwendungen geltend machen, die den durch das Urteil festgestellten - und wertbestimmenden - Anspruch selbst betreffen. Es handelt sich dabei um eine rechtsgestaltende Klage (Senat in BGHZ 167, 150 , 154) mit dem Ziel, die Vollstreckbarkeit des Urteils zu beseitigen, soweit die Partei durch den rechtskraftfähigen Inhalt der Entscheidung materiell belastet wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1995 - XII ZR 220/94 -NJW 1995, 3318 unter II 2 b). Durch ein der Vollstreckungsgegenklage stattgebendes Urteil werden eingeleitete oder bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen nicht ohne weiteres - als unmittelbare Folge der rechtsgestaltenden Entscheidung - hinfällig, sondern der obsiegende Schuldner muss, wie bereits das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, unter Vorlage einer Ausfertigung des die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärenden Urteils - gegebenenfalls auch unter Nachweis einer von ihm zu erbringenden Sicherheitsleistung - die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung beim zuständigen Vollstreckungsorgan gesondert beantragen. Die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung hat sodann unter Bezeichnung des Einstellungsgrundes durch Beschluss zu erfolgen; bereits getroffene Maßnahmen sind ebenfalls im Beschlusswege aufzuheben (§§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ; Zöller/Stöber, ZPO 27. Aufl. § 775 Rdn. 10). Es kann daher keine Rede davon sein, dass es sich bei einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme um einen unmittelbar aus dem rechtskräftigen Urteil fließenden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 - VIII ZB 33/05 - Tz. 5) und mit einer erfolgreichen Vollstreckungsgegenklage ohne weiteres beseitigten Nachteil handelt, der sich werterhöhend auszuwirken hätte.

(2)

Der von der Rechtsbeschwerde eingenommene Standpunkt würde zum anderem dem Charakter des Zwangsgeldbeschlusses als eigenständiger Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht gerecht. Der Zwangsgeldbeschluss erlangt formelle Rechtskraft und ist zugleich selbst Vollstreckungstitel i.S. des § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (Zöller/Stöber aaO § 888 Rdn. 13). Er unterliegt der sofortigen Beschwerde; in dem Rechtsmittelverfahren hat bis zu dessen Abschluss der Einwand der Erfüllung Berücksichtigung zu finden, da die Nichterfüllung der geschuldeten Handlung - hier die unterbliebene Auskunftserteilung - gemäß § 888 ZPO i.V. mit § 887 ZPO eine tatbestandliche Voraussetzung für den Erlass des Zwangsgeldbeschlusses ist. Der Schuldner ist also nicht nur im Verfahren der Vollsteckungsgegenklage, sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren mit dem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt (BGHZ 161, 67 , 72) .

Vorinstanz: OLG Köln, vom 25.07.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U 44/08
Vorinstanz: LG Bonn, vom 13.03.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 7 O 340/07