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BGH - Entscheidung vom 08.07.2009

2 StR 54/09

Normen:
StPO § 249 Abs. 2
StPO § 344 Abs. 2

Fundstellen:
BGHR StPO § 249 Abs. 2 Selbstleseverfahren 3
BGHR StPO § 97 Richterliche Aufzeichnungen 1
BGHSt 54, 37
JR 2010, 135
NJW 2009, 2836
NStZ 2009, 582
StV 2010, 118
StraFo 2009, 385
wistra 2009, 403

BGH, Beschluss vom 08.07.2009 - Aktenzeichen 2 StR 54/09

DRsp Nr. 2009/16701

Möglichkeit einer Protokollberichtigung mit der Folge einer "Rügeverkümmerung"

1.Eine Protokollberichtigung mit der Folge einer "Rügeverkümmerung" ist nicht möglich, wenn in der Hauptverhandlung Feststellungen über die Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden im Selbstleseverfahren unterblieben sind. 2. Die Mitschriften, die ein nunmehr als Zeuge vernommener Richter in einer früheren Hauptverhandlung als erkennender Richter angefertigt hat, sind einer Beweisaufnahme nicht zugänglich.

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 7. August 2008 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StPO § 249 Abs. 2 ; StPO § 344 Abs. 2 ;

Gründe:

Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 13. Juni 2006 wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil wurde auf die Revision des Angeklagten mit Urteil des Senats vom 27. April 2007 (2 StR 490/06 = BGHSt 51, 325) wegen eines durchgreifenden Verfahrensfehlers aufgehoben. Nach Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil nunmehr erneut wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Der auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO ).

Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 24. April 2009 bemerkt der Senat:

1.

a)

Die dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter und Schöffen, vom Inhalt des Ordners "Selbstleseverfahren" (im Urteil: "Selbstleseverfahren I") sehr wohl Kenntnis genommen zu haben, obwohl in das Hauptverhandlungsprotokoll keine dahin gehende Feststellung gemäß § 249 Abs. 2 S. 3 StPO aufgenommen worden ist, sind für den Senat unbeachtlich. Eine Berichtigung des Protokolls mit der Folge der "Verkümmerung" der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge wäre nicht möglich gewesen (vgl. zu deren grundsätzlicher Zulässigkeit die Beschlüsse des Großen Senats für Strafsachen vom 23. April 2007, GSSt 1/06 = BGHSt 51, 298, 308 ff. und des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2009, 2 BvR 2044/07 = NJW 2009, 1469). Das Protokoll ist inhaltlich richtig, weil der zu protokollierende Verfahrensvorgang der Feststellung über die Kenntnisnahme in der Hauptverhandlung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Auf Grund seiner negativen Beweiskraft hat der Senat damit auch davon auszugehen, dass der Inhalt der Urkunden nicht zur Kenntnis gelangt war (BGH NStZ 2000, 47 ; 2005, 160 ), soweit das Landgericht ihn nicht durch Verlesung einzelner Bestandteile des betroffenen Selbstleseordners in die Hauptverhandlung eingeführt hat.

b)

Das Urteil beruht jedoch nicht auf dem Verfahrensfehler, da der Senat angesichts der ansonsten sehr sorgfältigen Beweiswürdigung ausschließen kann, dass die Strafkammer ohne die Verwertung des Urkundeninhalts zu anderen Feststellungen gelangt wäre.

Die Feststellungen zum Inhalt der Beratungen und Entscheidungen des Stadtrates vom 13. März und 26. Juni 1997 stützt das Landgericht auf die Zeugenaussagen des damaligen Oberstadtdirektors Dr. R. sowie vier weiterer Teilnehmer der beiden Ratssitzungen. Auch angesichts der eingehenden Beweiswürdigung zum weiteren Verlauf der kommunalpolitischen Diskussion bis in das Jahr 1999 hat die Verwertung der beiden Sitzungsprotokolle lediglich ergänzenden Charakter.

Die Feststellungen zum Verhalten des selbst nicht revidierenden Mitangeklagten Rü. im Zuge der Beratungen und Entscheidungen über die Teilprivatisierung der Abfallwirtschaftsbetriebe in der Folge des Ratsbeschlusses vom 16. Dezember 1999 lassen schon wegen des zur Tatzeit in der ersten Jahreshälfte noch ganz unerwarteten Ausgangs der Kommunalwahl im September 1999 allenfalls in sehr begrenztem Umfang Rückschlüsse auf das Zustandekommen der Unrechtsvereinbarung zu, die der Zahlung der Wahlkampfspende durch den Abfallunternehmer T. zu Grunde lag. Schon vor diesem Hintergrund hat die Verwertung der Urkunden betreffend die Zahlungen, die T. in den Jahren 2000/2001 an den ehemaligen Kölner ÖTV-Vorsitzenden S. und an den CDU-Ratsfraktionsvorsitzenden Prof. Dr. B. geleistet hatte, ebenfalls nur ergänzenden Charakter. Dies gilt um so mehr angesichts der Einbettung in den Gesamtzusammenhang der Würdigung der Aussagen der Zeugen Dr. A. , Prof. Dr. B. , Dr. R. und Bü. sowie der durch zeugenschaftliche Vernehmung des Oberstaatsanwalts Bu. eingeführten Verteidigererklärung vom 7. September 2004, die der Zeuge T. sich ausdrücklich zu eigen gemacht hatte.

Aus demselben Grund hat auch die Verwertung des Antrags der CDU-und FDP-Ratsfraktionen vom 29. November 1999 sowie der Tischvorlage für die Ratssitzung vom 16. Dezember 1999 keine selbständige Beweisbedeutung. Ohnehin kam es für die Feststellungen zum Agieren des Mitangeklagten Rü. nach der von seiner Partei verlorenen Wahl auf die inhaltlichen Details des letztlich erfolgreichen Privatisierungsantrages nicht an.

2.

Die Rüge, die Aufklärungspflicht (§ 249 Abs. 2 StPO ) habe die Beschlagnahme der Mitschriften der Zeugen VRLG Ba. und RLG W. geboten, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO ). Zudem hat das Landgericht die Beschlagnahme zu Recht abgelehnt, da ihr ein Beweiserhebungsverbot entgegengestanden hätte. Die richterlichen Aufzeichnungen aus der Hauptverhandlung in Strafsachen erlangen in ihrem fortschreitenden Entstehen den Schutz durch das Beratungsgeheimnis. Sie sind einer Beweisaufnahme nicht zugänglich (Schmidt-Räntsch DRiG 6. Aufl. § 43 Rn. 5; vgl. auch Fischer StraFo 2004, 420, 421 f.) .

3.

Die Grundsätze, welche der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in den Urteilen vom 28. Oktober 2004 ( 3 StR 301/03 = BGHSt 49, 275 ) und vom 28. August 2007 (3 StR 212/07 = NJW 2007, 3446) für eine einschränkende Auslegung der §§ 331 , 333 StGB bei Einwerbung von Wahlkampfspenden für einen Amtsträger aufgestellt hat, sind hier schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich vorliegend nicht um eine grundsätzlich zulässige Spende mit dem Ziel allgemeiner politischer "Klimapflege" handelte, sondern um eine unzulässige Einflussspende mit dem Ziel, ein bestimmtes, dem Spender wirtschaftlich vorteiliges dienstliches Verhalten des Amtsträgers als Gegenleistung zu erlangen (§ 332 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB ; vgl. BGHSt 49, 275 , 286 f.) . Von dieser Bewertung abzugehen, zu der der Senat obiter dictu bereits in dem den Mitangeklagten Rü. betreffenden Urteil vom 12. Juli 2006 ( 2 StR 557/05 = NStZ 2007, 36 , 37) gelangt war, geben die Feststellungen des angefochtenen Urteils keinen Anlass.

Vorinstanz: LG Köln, vom 07.08.2008
Fundstellen
BGHR StPO § 249 Abs. 2 Selbstleseverfahren 3
BGHR StPO § 97 Richterliche Aufzeichnungen 1
BGHSt 54, 37
JR 2010, 135
NJW 2009, 2836
NStZ 2009, 582
StV 2010, 118
StraFo 2009, 385
wistra 2009, 403