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BGH - Entscheidung vom 10.09.2009

VII ZB 21/08

Normen:
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3
ZPO § 522 Abs. 1 S. 4
ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2
GG Art. 2 Abs. 1

Fundstellen:
ZfBR 2010, 64

BGH, Beschluss vom 10.09.2009 - Aktenzeichen VII ZB 21/08

DRsp Nr. 2009/23311

Inhaltliche Anforderungen an die Berufungsbegründung

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 13. Februar 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 3.615,70 EUR

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ; ZPO § 522 Abs. 1 S. 4; ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 , 2 ; GG Art. 2 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Werklohnansprüche aus verschiedenen Rechnungen für Reparaturarbeiten an Lastkraftwagen und Bussen der Beklagten geltend. Die Beklagte hat Ansprüche wegen mangelhafter Ausführung eines Teils der Reparaturarbeiten geltend gemacht und begehrt widerklagend Schadensersatz wegen der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs.

Das Amtsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

1.

Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, da zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ). Indem das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten zu Unrecht (siehe hierzu unter 2. b) als unzulässig verworfen hat, hat es das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Es hat der Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a)

Das Berufungsgericht #meint, die Berufung sei nicht in der gesetzlichen Form des § 520 Abs. 3 ZPO begründet worden. Es sei nicht dargelegt, für welche der verschiedenen streitgegenständlichen Werklohnansprüche der Klägerin die Ausführungen in der Berufungsbegründung von rechtlicher Relevanz seien. Soweit die Berufungsbegründung einen Verstoß gegen die Denkgesetze durch die amtsgerichtliche Entscheidung rüge, sei nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Urteil hierauf beruhe. Zu den Rügen, das Amtsgericht habe die Fragen der Technik falsch verstanden und einen Beweisantrag übergangen, sei nicht nachvollziehbar vorgetragen, wieso dies das ganze Urteil fehlerhaft mache. Gleiches gelte für weitere Ausführungen zum Sachverhalt. Zur Widerklage verweise die Berufungsbegründung lediglich auf das Vorbringen erster Instanz, was keine ausreichende Begründung darstelle. Ausführungen zur Werklohnforderung bzgl. der Arbeiten an der Standheizung eines Busses seien unerheblich, da insoweit die Klage durch das Amtsgericht abgewiesen worden sei.

b)

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die rechtlichen Ausführungen in einer Berufungsbegründung überspannt.

aa)

Allerdings ist das Berufungsgericht bei der Auslegung der Norm von einem rechtlich zutreffenden Ansatz ausgegangen.

Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsführers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 - VIII ZB 133/02, MDR 2003, 1130 = NJW-RR 2003, 1580 m.w.N.).

Im Falle der uneingeschränkten Anfechtung muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Bei einem teilbaren Streitgegenstand muss sich die Berufungsbegründung daher in hinreichend bestimmter Weise auf alle Teile des Urteils erstrecken, deren Änderung begehrt wird (BGH, Urteil vom 11. November 1999 - VII ZR 68/99, NZBau 2000, 77 = NJW-RR 2000, 1015 ).

bb)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts genügt die Berufungsbegründung der Beklagten diesen Anforderungen. Denn aus ihr geht noch hinreichend deutlich hervor, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die Beklagte das amtsgerichtliche Urteil für unrichtig erachtet.

Die Klageforderung setzte sich aus Teilbeträgen aus 12 Rechnungen für unterschiedliche Reparaturarbeiten an verschiedenen Fahrzeugen der Beklagten zusammen. Davon waren die Ansprüche aus 10 Rechnungen in einer Gesamthöhe von 1.696,26 EUR nicht streitig. Lediglich die Rechnung vom 7. Dezember 2005 betreffend die Standheizung eines M. über 709,27 EUR und die Rechnung vom 9. März 2006 betreffend die Bremsen eines Busses über 1.463,63 EUR standen zwischen den Parteien im Streit. Insoweit machte die Beklagte Mängel der Werkleistung geltend und bestritt daher ihre Zahlungspflicht. Die Klage wegen der Ansprüche betreffend die Reparatur der Standheizung (Rechnung vom 7. Dezember 2005) hat das Amtsgericht abgewiesen. Soweit die Beklagte hierzu noch in der Berufungsbegründung vorträgt, soll dieser Vortrag nur das technische Fehlverständnis des Erstgerichts belegen. Die Angriffe der Berufung richten sich daher erkennbar ausschließlich gegen die Verurteilung zur Zahlung aus der Rechnung vom 9. März 2006 betreffend die Bremsanlage des Busses und die Aberkennung der Gegenforderungen aus der Anmietung des Ersatzfahrzeuges. Dies verkennt das Landgericht, wenn es ausführt, die Darlegungen der Berufungsbegründung ließen nicht erkennen, für welche Werklohnansprüche die Ausführungen von rechtlicher Relevanz seien.

Die Berufung bemängelt an der erstinstanzlichen Entscheidung insoweit, dass sie den Zusammenhang früherer, vergeblicher Reparaturen an der Hydraulik mit den Arbeiten an der Bremsanlage, die der Rechnung vom 9. März 2006 zugrunde lagen, verkannt habe. Hierzu habe sie Beweis durch Sachverständigengutachten angeboten, dem das Amtsgericht nicht nachgegangen sei. Mehrfache frühere Reparatur- und Nachbesserungsversuche der Klägerin seien fehlgeschlagen, weil die Klägerin die eigentliche Ursache des Aufleuchtens der Kontrolllampe, nämlich die defekten Bremsleitungen, nicht erkannt habe. Deshalb sei die Klageforderung unbegründet. Das stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine hinreichend begründete Anfechtung des Ersturteils dar, weil die Beklagte dargelegt hat, dass das Amtsgericht nach ihrer Ansicht zu Unrecht der Klägerin die Ansprüche aus der Rechnung vom 9. März 2006 betreffend die Reparatur der Bremsen zuerkannt hat. Ob diese Rechtsansicht zutreffend ist oder nicht, stellt eine Frage der Begründetheit der Berufung dar, ohne dass dadurch ihre Zulässigkeit in Frage gestellt wird.

Zur Aberkennung der Gegenansprüche wegen der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs meint das Landgericht, die Beklagte habe sich unzulässigerweise auf die Verweisung auf ihr Vorbringen erster Instanz beschränkt. Dabei übersieht das Landgericht, dass die Ausführungen zu den erfolglosen Nachbesserungsversuchen der Hydraulik und der Bremsanlage auch der Begründung der Dauer des Ausfalls des Fahrzeugs durch die lange Reparaturdauer dienen und die erfolglosen Versuche der Klägerin, die Mangelursache aufzufinden, eine Pflichtverletzung darstellen sollen, die in Verbindung mit der Rechnung über das angemietete Fahrzeug einen Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin begründen könnten. Auch das stellt die Mitteilung von Umständen dar, die das Urteil in diesem Punkt aus der Sicht des Berufungsführers in Frage stellen. Weitere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Frage der Zulässigkeit der Berufung ist insbesondere ohne Bedeutung, ob diese Überlegungen des Berufungsführers in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind.

III.

Da der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO ), ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es sich nunmehr mit der Begründetheit der Berufung befassen kann.

Vorinstanz: LG Saarbrücken, vom 13.02.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 2 S 59/07
Vorinstanz: AG Sankt Wendel, vom 27.02.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 4 C 794/06
Fundstellen
ZfBR 2010, 64