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BGH - Entscheidung vom 07.05.2009

RiZ (R) 1/08

Normen:
DRiG § 21 Abs. 2
DRiG § 22 Abs. 2

Fundstellen:
BGHReport 2009, 968
BGHZ 181, 29
DRiZ 2009, 371
NJW 2009, 2828

BGH, Urteil vom 07.05.2009 - Aktenzeichen RiZ (R) 1/08

DRsp Nr. 2009/16050

Entlassung einer schwerbehinderten Richterin aus dem Richterverhältnis auf Probe

1. Gegen das Urteil eines Landgerichts - Dienstgerichts für Richter -, mit dem die Entlassung eines Richters auf Probe bestätigt wird, ist die Revision gemäß § 80 Abs. 2 DRiG stets zuzulassen. 2. Ist der Richter auf Probe schwerbehindert, muss der Hauptschwerbehindertenvertreter ordnungsgemäß entsprechend § 128 Abs. 3 , Abs. 2 SGB IX beteiligt werden. Eine ausdrückliche Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung zu der beabsichtigten Maßnahme ist dagegen nicht erforderlich. 3. Ein Richter, der aufgrund charakterlicher Mängel in gravierender Weise seiner besonderen Vertrauensstellung nicht gerecht wird und hierdurch das Vertrauen der Rechtsuchenden in die unabhängige rechtsstaatliche Justiz und das Ansehen der Justiz schädigt, ist auch bei hervorragender fachlicher Leistung für den Richterberuf nicht geeignet. 4. Von charakterlichen Mängeln einer Proberichterin ist auszugehen, wenn sie ein Mietrechtsdezernat bearbeitet, in dem überwiegend Verfahren einer Wohnungsbaugesellschaft anfallen, mit deren Justitiar sie eine persönliche Beziehung unterhält und sie dies den Verfahrensbeteiligten und dem Präsidium des Gerichts nicht anzeigt, sondern ihr Interesse an einer Fortdauer der von ihr als günstig empfundenen Arbeitsbelastung über das Interesse der Prozessbeteiligten stellt.

Tenor:

Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig - Dienstgericht für Richter - vom 27. November 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen

Normenkette:

DRiG § 21 Abs. 2 ; DRiG § 22 Abs. 2 ;

Tatbestand:

Die am geborene Antragstellerin wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 2002 zur Richterin auf Probe im Dienst des Freistaates Sachsen ernannt. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100. Seit dem 2. Oktober 2005 ist sie verheiratet; sie hat keine Kinder.

Die Antragstellerin wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 2002 dem Amtsgericht zugewiesen. Dort war sie in der Abteilung für Mietsachen tätig; in dem ihr zugewiesenen Referat bearbeitete sie insbesondere Verfahren der Wohnungs- und Baugesellschaft WB, des größten Vermieters in . Die zunächst einjährige Zuweisung an das Amtsgericht wurde auf Wunsch der Antragstellerin mehrfach verlängert. Ihr letzter Antrag auf Verlängerung und Ernennung als Richterin auf Lebenszeit am Amtsgericht vom März 2005 wurde abgelehnt; die Antragstellerin wurde mit Wirkung vom 1. April 2005 der Staatsanwaltschaft zugewiesen.

Mindestens seit Sommer 2004 bestand zwischen der Antragstellerin und dem Justiziar der WB, Herrn K. , mit dem sie seit 22. Oktober 2005 verheiratet ist, eine enge persönliche Beziehung. Im Dezember 2004 bezogen beide eine gemeinsame Wohnung. Die Antragstellerin zeigte dies weder ihrem Dienstvorgesetzten an noch teilte sie es in der Folgezeit den Verfahrensbeteiligten in Verfahren mit, an denen die WB als Partei beteiligt war. Sie bearbeitete weiterhin Verfahren, in denen die WB von Herrn K. in seiner Eigenschaft als deren Justiziar vertreten wurde.

Nach ihrem Vorbringen im Herbst 2004 vereinbarte die Antragstellerin mit ihrem heutigen Ehemann, dass dieser für die in ihrem Referat anhängigen Verfahren keine Schriftsätze mehr fertigen und in mündlichen Verhandlungen nicht mehr auftreten solle. Diese Vereinbarung wurde allerdings nicht durchgängig eingehalten. Von Juni 2004 bis Januar 2005 entschied die Antragstellerin in mindestens 17 Verfahren, in denen die WB als Partei durch ihren heutigen Ehemann vertreten wurde.

Die Beziehung der Antragstellerin zu ihrem heutigen Ehemann wurde im Zusammenhang mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde und einem nachfolgenden Befangenheitsantrag einer von der WB verklagten Mieterin bekannt; diese teilte am 18. Januar 2005 dem Präsidenten des Amtsgerichts mit, dass die Antragstellerin und der Justiziar der WB eine gemeinsame Wohnung bewohnten.

Im Februar 2005 wurde zwischen dem Präsidenten des Amtsgerichts und der Antragstellerin vereinbart, dass diese bis zum Ende ihrer Zuweisung keine weiteren Verfahren mit Beteiligung der WB bearbeiten solle.

Das Sächsische Staatsministerium der Justiz erlangte am 18. Februar 2005 Kenntnis von dem Verhältnis der Antragstellerin zu ihrem heutigen Ehemann und der Nichtanzeige von Befangenheitsgründen. Mit Schreiben vom 20. September 2005 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass ihre Zuweisung an die Staatsanwaltschaft aus dienstlichen Gründen verlängert und eine Entscheidung über ihre Bewährung in der Probezeit innerhalb angemessener Frist nach Ablauf der regulären Probezeit getroffen werde. In einem Personalgespräch am 21. September 2005 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass ihre Entlassung wegen mangelnder charakterlicher Eignung geprüft werde. Sie teilte im Rahmen dieses Gesprächs unter anderem mit, sie habe hinsichtlich der möglichen Interessenkollision ein Problembewusstsein gehabt, jedoch wohl nicht richtig reagiert. Sie habe mit Kollegen der Zivilabteilung des Amtsgerichts über die Sache gesprochen. Diese seien durchaus bereit gewesen, die WB-Verfahren aus ihrem Referat zu übernehmen. Im Gegenzug hätte sie dann aber andere Verfahren übernehmen müssen. Hierzu sei sie nicht bereit gewesen, da die WB-Verfahren kaum arbeitsintensiv gewesen seien. Hätte sie "normale" Mietrechtsfälle bearbeiten müssen, wäre die Arbeit für sie nicht zu bewältigen gewesen.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 wurde die Antragstellerin zu der beabsichtigten Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe angehört.

Der Hauptstaatsanwaltsrat stimmte der beabsichtigten Entlassung am 14. Dezember 2005 zu.

Die Hauptschwerbehindertenvertretung nahm zu der beabsichtigten Entlassung am 20. Dezember 2005 Stellung und führte aus, sie stimme einer Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe zu, "wenn sich die Vorwürfe gegen Frau M. ... bestätigen. Wäre dies der Fall, ist aus Sicht der Hauptschwerbehindertenvertretung die charakterliche Eignung für ein Richterverhältnis auf Lebenszeit nicht gegeben." Das Staatsministerium der Justiz vernahm am 3. Februar 2006 mehrere Bedienstete des Amtsgerichts als Zeugen und ermittelte bei der Meldebehörde der Stadt den Umzugstag der Antragstellerin und ihres Ehemanns. Die Protokolle der neun Zeugenvernehmungen wurden dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zur Gewährung rechtlichen Gehörs am 15. März 2006 mitgeteilt.

Mit Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 9. Mai 2006 wurde die Entlassung der Antragstellerin aus dem Richterverhältnis auf Probe zum 30. September 2006 ausgesprochen.

Die Entlassung wurde auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG gestützt und damit begründet, die Antragstellerin weise charakterliche Mängel auf, die ihre Ungeeignetheit für das Richteramt zur Folge hätten. Sie habe während ihrer mietrichterlichen Tätigkeit beim Amtsgericht aus eigennützigen Motiven, um die von ihr bevorzugte Tätigkeit in der Abteilung für Mietsachen fortführen zu können, über einen längeren Zeitraum und in einer Vielzahl von Fällen eine ihr bekannte, evident bestehende Befangenheitssituation gegenüber den dienstaufsichtsführenden Stellen und den Parteien der von ihr bearbeiteten Verfahren nicht angezeigt. Hierdurch habe sie gezeigt, dass ihr das für ihr Amt unerlässliche hohe Maß an Vertrauen in eine unparteiliche und gerechte Aufgabenerfüllung nicht entgegengebracht werden könne. Auch bei der Staatsanwaltschaft sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen nicht gegeben gewesen.

Die Antragstellerin legte gegen den Bescheid vom 9. Mai 2006 am 8. Juni 2006 Widerspruch ein; dieser wurde mit Schriftsatz vom 10. Juli 2006 begründet. Die Antragstellerin wandte insbesondere ein, die Entlassungsverfügung sei auf einen unvollständigen Sachverhalt gestützt. Sie sei allein mit einer angeblich fehlenden charakterlichen Eignung begründet worden. Die Beurteilung der Eignung setze aber eine Gesamtschau voraus; hierbei könnten charakterliche Eignungsmängel hinter besonders guter Leistung und Befähigung zurücktreten. Dies sei bei ihr gegeben, wie sich aus den Probezeit-Beurteilungen des Präsidenten des Amtsgerichts und des leitenden Oberstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft ergebe.

Die Antragstellerin räume ein, dass sie sich an den Präsidenten des Amtsgerichts hätte wenden müssen. Sie habe aber versucht, durch eine Veränderung im Zuständigkeitsbereich ihres jetzigen Ehemanns den Anschein der Befangenheit zu vermeiden. Es sei verständlich, dass sie sich nicht an das Präsidium des Amtsgerichts gewandt habe, denn sie habe befürchten müssen, in eine andere Abteilung versetzt zu werden oder die Verfahren mit Beteiligung der WB nicht mehr bearbeiten zu dürfen. Sie habe das Problem mit Kollegen besprochen; deren Ratschläge seien nicht geeignet gewesen, ihr die verständliche Angst zu nehmen, das Mietrechts-Dezernat zu verlieren. Im Übrigen habe eine Befangenheitssituation objektiv nicht vorgelegen.

Mit Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 2. August 2006 wurde der Widerspruch der Antragstellerin zurückgewiesen; zugleich wurde die sofortige Vollziehung des Entlassungsbescheids angeordnet. Zur Begründung führte der Widerspruchsbescheid unter anderem aus, die Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe wegen fehlender charakterlicher Eignung sei auch bei mangelfreier oder hervorragender fachlicher Leistung zulässig. Die Erprobung des Richters beziehe sich auf sämtliche Merkmale der Eignung, Befähigung und Leistung; eine unzulängliche Bewährung hinsichtlich eines dieser Merkmale könne nicht durch anderweitige Vorzüge ausgeglichen werden. Das Verhalten der Richterin habe grundlegende charakterliche Mängel offenbart; diese seien so gravierend, dass nicht zu erwarten sei, dass die Antragstellerin den hohen persönlichen, charakterlichen und berufsethischen Anforderungen an das Richteramt gerecht werde.

Es liege auf der Hand, dass infolge der Liebesbeziehung der Antragstellerin zu dem Justiziar der WB eine objektive Befangenheitssituation gegeben gewesen sei. Die Antragstellerin habe dies auch erkannt, wie sich aus der - unzureichenden und nicht vollständig umgesetzten - internen Vereinbarung mit ihrem damaligen Lebensgefährten und der Einholung von kollegialen Ratschlägen ergebe. Sie habe eine Unterrichtung des Präsidenten des Amtsgerichts sowie des Präsidiums in der Erkenntnis unterlassen, dass sie in diesem Fall die von ihr bevorzugten Mietsachen nicht weiter würde bearbeiten können. Dieses eigennützige Ziel habe sie über die Interessen der Prozessbeteiligten und ihres Dienstherrn gestellt. Sie habe damit dem Ansehen der Justiz erheblich geschadet.

Am 4. September 2006 erhob die Antragstellerin beim Landgericht Leipzig - Dienstgericht für Richter - Klage gegen die Entlassungsverfügung vom 9. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2006. Am 26. September 2006 stellte sie den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wieder herzustellen. Mit ihrer Klage vertrat sie weiter die Auffassung, der Antragsgegner habe den Begriff der Eignung in § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG verkannt und sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt. Die von ihm verwendete Formulierung: "(die Antragstellerin) ist zu entlassen", zeige, dass der Antragsgegner rechtsfehlerhaft von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen sei. Die Beziehung zu ihrem heutigen Ehemann habe erst ab Sommer 2004 bestanden; sie habe nicht zwingend die Besorgnis der Befangenheit begründet. Sie habe die Umstände, auf welche der Antragsgegner die Entlassungsverfügung gestützt habe, nicht aus eigennützigen Motiven nicht aufgezeigt; ihr Interesse an einem Verbleib beim Amtsgericht habe vielmehr an den dort besseren Arbeitsbedingungen für Schwerbehinderte gelegen.

Der Antragsgegner beantragte Abweisung der Klage und bezog sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Gründe der Entlassungsverfügung und des Widerspruchsbescheids.

Das Dienstgericht für Richter hat den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage mit Beschluss vom 20. Dezember 2006 - 66 DG 8/06 - abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht Dresden - Dienstgerichtshof für Richter - mit Beschluss vom 6. Juni 2007 - DGH 1/07 -als unbegründet zurückgewiesen.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 27. November 2007 hat das Landgericht Leipzig - Dienstgericht für Richter - die Anfechtungsklage der Antragstellerin abgewiesen.

Zur Begründung hat das Dienstgericht unter anderem ausgeführt, die auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG gestützte Entlassung der Antragstellerin zum 30. September 2006, also zum Ablauf des vierten Jahres der Probezeit sei rechtlich nicht zu beanstanden. Sie sei zu Recht auf die in der Probezeit erkennbar gewordenen charakterlichen Mängel gestützt worden, die sie als dauerhaft ungeeignet für das Amt einer Richterin oder Staatsanwältin erscheinen ließen. Die Entscheidung, ob ein Richter auf Probe für das Richteramt geeignet ist, sei ein Akt wertender Erkenntnis, der dem Dienstherrn einen Beurteilungsspielraum eröffne, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt sei, ob allgemeingültige Maßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden. Hierfür seien vorliegend keine Anhaltspunkte vorhanden. Mangelnde charakterliche Eignung könne grundsätzlich für sich allein eine Entlassung rechtfertigen. Die Entlassung der Antragstellerin überschreite weder die Grenzen des Beurteilungsspielraums noch widerspreche sie dem Zweck der Ermächtigung. Die vom Antragsgegner angeführten Umstände seien geeignet, das Urteil mangelnder charakterlicher Eignung zu begründen. Die eigennützige Handlungsweise der Antragstellerin sei in höchstem Maße geeignet gewesen, das Vertrauen der Rechtssuchenden in die Unabhängigkeit der Justiz zu beeinträchtigen.

Eine enge persönliche Beziehung, erst recht eine Liebesbeziehung des zur Entscheidung berufenen Richters zu einem Verfahrensbeteiligten sei ein Umstand, der objektiv geeignet sei, Zweifel an der Unbefangenheit des Richters zu begründen. Es komme entgegen dem (erstmaligen) Vorbringen der Antragstellerin in der Hauptverhandlung nicht darauf an, ob das Zusammenziehen mit ihrem heutigen Ehemann zunächst nur zum Zweck einer Wohngemeinschaft erfolgt sei; Außenstehenden sei es regelmäßig nicht möglich, solche Motive oder Hintergründe zu prüfen. Auch das neue Vorbringen, die Liebesbeziehung sei nicht bereits im Sommer 2004 entstanden, rechtfertige daher die Klage nicht. Es komme auf die Sachlage aus objektiver Sicht an; die Entscheidung, ob die Besorgnis der Befangenheit begründet sei, obliege nicht dem betroffenen Richter.

Die Antragstellerin sei nicht berechtigt gewesen, ihr Interesse an einem Verbleib in der Mietrechtsabteilung des Amtsgerichts Leipzig sowie an ihrer Behinderung gerecht werdenden Arbeitsbedingungen eigenmächtig durchzusetzen.

Unzutreffend sei die Rechtsansicht der Antragstellerin, ein Proberichter könne eine unzureichende Bewährung hinsichtlich des Merkmals der Eignung durch andere Vorzüge ausgleichen. Es reiche auch nicht aus, wenn ein Richter auf Probe nur für einzelne Verwendungen oder Teilbereiche geeignet sei. Die Formulierung "ist zu entlassen" im angefochtenen Entlassungsbescheid zeige entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht, dass der Antragsgegner kein Ermessen habe ausüben wollen; vielmehr seien in dem Bescheid die einzelnen für das zusammenfassende Werturteil heranzuziehenden Gesichtspunkte ausdrücklich genannt; der Feststellung der Nichteignung liege kein Wertungsfehler zugrunde.

Schließlich könne dem Antragsgegner auch kein widersprüchliches Verhalten zur Last gelegt werden. Der Einstellungsbehörde habe nach Kenntniserlangung zunächst eine angemessene Prüfungsfrist zur Verfügung gestanden, durch welche der Ablauf des dritten Probejahrs überschritten wurde. Sodann sei die Entlassung zum nächstmöglichen Zeitpunkt gemäß § 22 Abs. 2 DRiG erfolgt. Die zwischenzeitliche Zuweisung an die Staatsanwaltschaft sei daher nicht widersprüchlich gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze und angefochtenen Entscheidungen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Gegen das am 7. Februar 2008 zugestellte Urteil hat die Antragstellerin am 11. März 2008 Revision beim Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - eingelegt und diese mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 9. Mai 2008 begründet. Wegen ihres Vorbringens wird auf die Revisionsbegründungsschrift vom 9. Mai 2008 Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Leipzig - Dienstgericht für Richter - vom 27. November 2007 die Entlassungsverfügung des Antragsgegners und Revisionsbeklagten vom 9. Mai 2006 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2006 aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Wegen seines Vorbringens wird auf die Revisionserwiderung vom 10. Juni 2008 Bezug genommen.

Beide Parteien haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Revision ist zulässig (§ 45 Abs. 2 SächsRiG, § 79 Abs. 2 , § 78 Ziffer 4 c, § 80 DRiG ). Gemäß § 80 Abs. 2 DRiG ist die Revision stets zuzulassen.

II.

Die Revision ist unbegründet.

1.

Zutreffend ist das Dienstgericht davon ausgegangen, dass der Hauptschwerbehindertenvertreter ordnungsgemäß entsprechend § 128 Abs. 3 , Abs. 2 SGB IX beteiligt wurde. Die Schwerbehindertenvertretung ist gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX in allen Angelegenheiten, die einen schwerbehinderten Menschen betreffen, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Dies ist hier geschehen; der Hauptschwerbehindertenvertreter wurde vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 unterrichtet; zugleich wurde ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine ausdrückliche Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung zu der beabsichtigten Maßnahme war nicht erforderlich. Schon deshalb ist es unschädlich, dass in der Stellungnahme vom 20. Dezember 2005 ausgeführt war, einer Entlassung werde "für den Fall" zugestimmt, dass sich die Vorwürfe bestätigen sollten. Es kommt daher nicht darauf an, dass, wie der Antragsgegner vorgetragen hat, dem Hauptschwerbehindertenvertreter die Ergebnisse der späteren Zeugenvernehmungen mitgeteilt wurden und er seine Stellungnahme am 28. April 2006 fernmündlich bestätigte. Anhaltspunkte dafür, dass sich die der Schwerbehindertenvertretung mitgeteilte und ihrer Stellungnahme zugrunde liegende Sachlage in ihrem Kern nicht bestätigt habe, sind weder von der Revision vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2.

Das Dienstgericht für Richter hat zutreffend erkannt, dass das Sächsische Staatsministerium der Justiz die Entlassungsverfügung zu Recht auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG gestützt hat.

a)

Der Begriff der Eignung im Sinne von § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG ist in den angefochtenen Entscheidungen nicht verkannt worden. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff; die Feststellung ist ein Akt wertender Erkenntnis, die nicht schematisch oder nach festen Maßstäben erfolgen kann. Zur Auslegung des Begriffs können auch die im Beamtenrecht entwickelten Grundsätze zum Begriff der Bewährung eines Beamten herangezogen werden (vgl. Schmidt-Räntsch, DRiG 5. Aufl. § 22 Rn. 10).

An die Eignung eines Richters, dem das Recht eine besonders hervorgehobene und verantwortungsvolle Stellung zuweist, sind strenge Maßstäbe anzulegen. Der Richter muss sich in der Probezeit in allen Bereichen bewähren (vgl. auch BGH NJW 1999, 2528 , 2529 f.) . Entgegen der Auffassung der Antragstellerin können Mängel der charakterlichen Eignung die Entlassung eines Richters auf Probe auch bei ausreichender oder hervorragender Leistung und fachlicher Eignung begründen, wenn sie so gravierend sind, dass sie den hohen persönlichen Anforderungen nicht gerecht werden, die an die Ausübung des Richteramts zu stellen sind. Die von der Antragstellerin hiergegen vorgetragene Ansicht, Merkmale der Leistung und der fachlichen Befähigung seien gegen solche der charakterlichen Eignung "abzuwägen" oder könnten deren Fehlen in einer eher schematischen Weise "kompensieren", findet im Gesetz keine Stütze. Ein Richter, der aufgrund charakterlicher Mängel in gravierender Weise seiner besonderen Vertrauensstellung nicht gerecht wird und hierdurch das Vertrauen der Rechtsuchenden in die unabhängige rechtsstaatliche Justiz und das Ansehen der Justiz schädigt, ist auch bei hervorragender fachlicher Leistung zum Richterberuf nicht geeignet.

b)

Diese Maßstäbe hat weder der Antragsgegner in seiner Entscheidung über die Entlassung der Antragstellerin noch das Dienstgericht für Richter in seiner angefochtenen Entscheidung verkannt. Zutreffend hat das Dienstgericht auch angenommen, dass die Antragstellerin sich durch ihr Verhalten als Mietrichterin beim Amtsgericht als charakterlich ungeeignet für den Richterberuf erwiesen hat. Dieser Wertung lag entgegen der Ansicht der Antragstellerin kein unzutreffender oder lückenhafter Sachverhalt zugrunde. Soweit die Antragstellerin rügt, das Dienstgericht für Richter habe rechtsfehlerhaft die von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht - Dienstgericht für Richter - beantragten Beweiserhebungen nicht durchgeführt, kam es hierauf, wie das Dienstgericht zutreffend erkannt hat, nicht an.

Ob und gegebenenfalls wann ein materieller Grund für die Annahme der Befangenheit eines Richters gegeben ist und ob eine Befangenheit tatsächlich besteht, ist für die Verpflichtung eines Richters, objektive Umstände anzuzeigen, welche die Besorgnis der Befangenheit aus Sicht der Parteien nahelegen können, grundsätzlich ohne Belang. Es kam daher vorliegend nicht darauf an, zu welchem genauen Zeitpunkt die enge persönliche Freundschaft der Antragstellerin zu dem Justiziar der WB sich zu einem Liebesverhältnis entwickelte. Ob gemeinsames Wohnen zweier Personen "nur" auf enger Freundschaft oder auf einer Liebesbeziehung beruht, kann von Außenstehenden naturgemäß regelmäßig nicht überprüft und beurteilt werden. Selbst wenn der Vortrag der Antragstellerin insoweit zuträfe, waren objektiv Umstände gegeben, welche die Besorgnis der Befangenheit fortdauernd evident nahe legten und die Antragstellerin dazu verpflichteten, dies ihrem Dienstvorgesetzten sowie den Parteien der von ihr bearbeiteten Verfahren anzuzeigen.

Dies hat die Antragstellerin nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Dienstgerichts sowie ihrem eigenen Vortrag auch nicht verkannt. Gerade ihre "interne" Vereinbarung mit ihrem späteren Ehemann sowie ihre Erkundigungen im Kollegenkreis zeigten, dass der Antragstellerin die sich aufdrängende Problematik bewusst war. Soweit die Antragstellerin sich darauf berufen hat, sie habe eine Zuweisung zur Staatsanwaltschaft vermeiden wollen, weil dort keine behindertengerechten Arbeitsbedingungen bestanden hätten, konnte dieses Motiv ihr Verhalten schon deshalb nicht rechtfertigen, weil es einer Veränderung der Aufgabenzuweisung innerhalb des Amtsgerichts nicht entgegen gestanden hätte. Es war aber, nach ihrem eigenen Vorbringen in dem Personalgespräch vom 21. September 2005, das Bestreben der Antragstellerin, weiterhin die überwiegend unproblematischen und einfach zu erledigenden Verfahren mit Beteiligung der WB zu bearbeiten; sie befürchtete, sich bei einem Wechsel des Referats nicht als leistungsfähig zu erweisen. Dass das Dienstgericht für Richter hieraus den Schluss gezogen hat, dass die Antragstellerin letztlich aus allein eigennützigen Motiven ihre Dienstpflichten gravierend und dauerhaft verletzt hat, lag nahe und ist rechtlich nicht zu beanstanden.

c)

Entgegen der Ansicht der Revisionsführerin kam es auch auf den unter Beweis gestellten Inhalt von vertraulichen Gesprächen mit Richtern des Amtsgerichts nicht an. Auch nach ihrem eigenen Vortrag war der Antragstellerin bewusst, dass es auf die Ansicht vertraulich befragter Kolleginnen nicht ankam, sondern dass sie die bestehende Befangenheitsproblematik dem Präsidium des Amtgerichts sowie ihrem Dienstvorgesetzten hätte vortragen müssen. Wenn sie dies nicht tat, weil sie befürchtete, man werde die Geschäftsverteilung ändern und ihr die Bearbeitung der ihr genehmen Mietsachen entziehen, zeigt dies, dass sie ihre persönlichen Interessen über diejenigen der rechtsuchenen Parteien und ihres Dienstherren zu stellen bereit war. Ob ihr die Zeugin Me. , wie von der Antragstellerin behauptet, vom Antragsgegner unter Verweis auf die Zeugenvernehmung der Richterin Me. durch das Staatsministerium der Justiz bestritten wird, auf Nachfrage mitteilte, sie selbst halte eine Befassung des Präsidiums des Amtsgerichts derzeit für nicht erforderlich, war für die Entscheidung ohne durchgreifenden Belang.

d)

Schließlich kommt es, entgegen der Ansicht der Antragstellerin, auch nicht darauf an, ob das Dienstgericht für Richter die von der Antragstellerin angefochtenen Probezeitbeurteilungen und den Prüfvermerk des Staatsministeriums der Justiz, die durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 22. Mai 2008 - 3 K 35/07 - aufgehoben worden sind, hätte verwerten dürfen. Auf die Frage, ob Leistung und Befähigung der Antragstellerin in den Beurteilungen zutreffend bewertet worden sind und ob die zusammenfassenden Beurteilungen auf diese Elemente "jeweils selbst tragend" gestützt werden konnten, kommt es vorliegend nicht an, da der hier festgestellte gravierende charakterliche Eignungsmangel aus den genannten Gründen auch durch andere Gesichtspunkte nicht kompensiert werden kann.

e)

Die Formulierung der Entlassungsverfügung, wonach die Antragstellerin "zu entlassen (war)", begründet entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht die Besorgnis, der Antragsgegner habe die Entlassung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 DRiG für eine gebundene Entscheidung gehalten. Dabei mag es dahinstehen, in welchem Umfang dem Dienstherrn ein Ermessensspielraum bleibt, wenn über die Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe zum Ende des vierten Jahres der Probezeit, also zum letztmöglichen Zeitpunkt, zu entscheiden und das Fehlen der charakterlichen Eignung festgestellt ist. Hier stellte die genannte Formulierung jedenfalls ersichtlich nur eine zusammenfassende Bewertung der für und gegen die Entlassung sprechenden Umstände dar, die der Antragsgegner in der Entlassungsverfügung ausdrücklich erörtert hat.

Eine Abmahnung der Antragstellerin musste vor ihrer Entlassung nicht erfolgen. Die Antragstellerin ist aufgrund charakterlicher Eignungsmängel entlassen worden, die einer Abmahnung und insbesondere einer nachfolgenden Überprüfung durch den Dienstherrn grundsätzlich nicht zugänglich sind. Verstöße gegen die Treue- und Neutralitätspflicht werden, wie der Antragsgegner zutreffend dargelegt hat, regelmäßig eher zufällig bekannt und entziehen sich einer fortlaufenden Kontrolle. Aufgrund des lang dauernden und gravierenden Verstoßes der Antragstellerin ihrer richterlichen Pflichten war nicht zu erwarten, dass die charakterlichen Mängel durch Abmahnung hätten beseitigt werden können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG , § 154 Abs. 2 VwGO .

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren entsprechend § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 21.032,12 EUR festgesetzt.

Vorinstanz: LG Leipzig, vom 27.11.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 66 DG 7/06
Fundstellen
BGHReport 2009, 968
BGHZ 181, 29
DRiZ 2009, 371
NJW 2009, 2828