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BGH - Entscheidung vom 16.07.2009

I ZB 54/07

Normen:
MarkenG § 3 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 322
ZPO § 325

BGH, Beschluss vom 16.07.2009 - Aktenzeichen I ZB 54/07

DRsp Nr. 2010/1868

Eintritt der Wirkung der nicht vollständigen Zahlung der Beschwerdegebühr kraft Gesetzes; Heranziehen des in den §§ 322 , 325 Zivilprozessordnung ( ZPO ) zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens für die Beurteilung der Wirkungen im Löschungsverfahren ergangener gerichtlicher Entscheidungen

Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der an Verkündungs Statt am 2. Mai 2007 zugestellte Beschluss des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000 € festgesetzt.

Normenkette:

MarkenG § 3 Abs. 2 Nr. 2 ; ZPO § 322 ; ZPO § 325 ;

Gründe:

I. Für die Markeninhaberin ist seit dem 20. August 1996 die nachfolgend abgebildete farbige (rot) dreidimensionale Marke Nr. 395 03 037 für die Ware "Spielzeug, nämlich Spielbausteine" eingetragen:

Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke beantragt, weil sie zum einen nicht markenfähig, zum anderen nicht unterscheidungskräftig und im Übrigen freihaltebedürftig sei.

Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag als unzulässig verworfen. Sie hat angenommen, es handele sich um die Wiederholung des von der R. H. Inc. gestellten Löschungs- antrags, so dass die materielle Rechtskraft des im vorangegangenen Löschungsverfahren ergangenen Beschlusses der Markenabteilung vom 7. März 2002 dem erneuten Löschungsbegehren entgegenstehe.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Bundespatentgericht die Löschung der Marke angeordnet (BPatGE 50, 147).

Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde. Die Antragstellerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II. Das Bundespatentgericht hat den Löschungsantrag als zulässig und begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Dem Löschungsantrag stehe nicht der Einwand der Rechtskraft des Beschlusses vom 7. März 2002 entgegen, mit dem der frühere Löschungsantrag der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin zurückgewiesen worden sei. Der Beschluss der Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts sei nicht rechtskräftig geworden.

Der Löschungsantrag sei auch begründet, weil die angegriffene Marke löschungsreif sei. Der Markeneintragung habe das Schutzhindernis aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegengestanden, das auch weiterhin bestehe. Vom Markenschutz ausgeschlossen seien nach dieser Vorschrift Warenformen, deren wesentliche Merkmale eine technische Funktion erfüllten. Davon sei für die vorliegende Marke auszugehen.

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Das Bundespatentgericht hat die Zulässigkeit des Löschungsantrags bejaht. Es hat angenommen, dem Löschungsantrag stehe nicht die Rechtskraft des Beschlusses vom 7. Mai 2002 entgegen, mit dem der frühere Löschungsantrag der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin zurückgewiesen worden sei. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aus dem Jahre 2002 sei nicht rechtskräftig geworden, weil der Löschungsantrag vor Eintritt der Rechtskraft des patentamtlichen Beschlusses zurückgenommen worden sei. Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin habe gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts fristgerecht Beschwerde eingelegt, wodurch der Eintritt der Rechtskraft gehemmt worden sei. Diese Wirkung sei trotz der nicht vollständigen Zahlung der Beschwerdegebühr im vorangegangenen Löschungsverfahren eingetreten. Aus § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG ergebe sich die Notwendigkeit der Feststellung, dass die Beschwerde als nicht erhoben gelte. Bevor diese Wirkung rechtskräftig festgestellt sei, könne der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss nicht rechtskräftig werden.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Löschungsantrag des vorliegenden Verfahrens ist unzulässig. Dem erneuten Löschungsverfahren steht die bestandskräftige Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002 entgegen.

a) Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht auf die Frage des Vorliegens des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beschränkt.

aa) Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass dieses auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfrage beschränkt ist (vgl. BGHZ 90, 318 , 320 - Zinkenkreisel; 130, 187, 191 - Füllkörper).

bb) Zudem hätte durch eine auf die Beurteilung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beschränkte Zulassung die Frage der entgegenstehenden Rechtskraft des Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002 nicht von der Überprüfung durch den Senat ausgenommen werden können. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Revision beschränkt auf die Frage zugelassen werden, ob dem Klagebegehren die Rechtskraft eines früheren Urteils entgegensteht (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1989 - IVb ZR 19/89, NJW 1990, 1795 , 1797). Durch eine nur beschränkte Zulassung des Rechtsmittels kann aber nicht umgekehrt die Frage der entgegenstehenden Rechtskraft einer anderen Entscheidung von der Prüfung ausgeklammert werden. Die Rechtskraftwirkung einer früheren Entscheidung ist auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen und steht, solange der Einwand der Rechtskraft nicht ausgeräumt ist, einer Sachprüfung entgegen (vgl. BGHZ 123, 30 , 35 - Indorektal II).

b) Entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts ist der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002 bestandskräftig geworden, bevor die Antragstellerin jenes Verfahrens den Löschungsantrag mit Eingabe vom 13. März 2003 zurückgenommen hat. Die Antragstellerin jenes Verfahrens hatte zwar gemäß § 66 MarkenG Beschwerde gegen die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts eingelegt. Ihre Beschwerde galt jedoch nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht erhoben, weil die Antragstellerin des ersten Löschungsverfahrens die Beschwerdegebühr nicht vollständig eingezahlt hat. Die Einzahlung der Beschwerdegebühr ist zwingende Voraussetzung für die Rechtsmitteleinlegung; von ihr hängt ab, ob ein Beschwerdeverfahren überhaupt anhängig wird (vgl. BGHZ 83, 271, 273 - Einsteckschloss; Knoll in Ströbele/Hacker, Markengesetz , 9. Aufl., § 66 Rdn. 46). Diese Wirkung der nicht vollständigen Zahlung der Beschwerdegebühr tritt kraft Gesetzes ein (vgl. Benkard/Schäfers, PatG , 10. Aufl., § 73 Rdn. 46; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, § 66 MarkenG Rdn. 11; Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, Bd. I, 1. Teil, Kap. 2 Rdn. 167). Die in § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG vorgesehene Entscheidung des Rechtspflegers, dass die Beschwerde als nicht erhoben gilt, hat dementsprechend nur deklaratorische Wirkung. War danach wegen der nicht vollständigen Zahlung der Beschwerdegebühr durch die Antragstellerin des vorausgegangenen Löschungsverfahrens ein Beschwerdeverfahren nicht wirksam in Gang gesetzt und die Entscheidung des Amtes über den Löschungsantrag deswegen bestandskräftig, konnte dieser Antrag nicht mehr rechtswirksam zurückgenommen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.1985 - I ZB 17/84, GRUR 1985, 1052, 1053 - LECO).

Daran ändert auch der von der Antragstellerin des früheren Löschungsverfahrens gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nichts. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hemmt den Eintritt der Rechtskraft nicht; vielmehr tritt eine Hemmung der Rechtskraft erst rückwirkend mit der Entscheidung ein, mit der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird (vgl. BGHZ 1, 200, 203). Eine entsprechende, die Wiedereinsetzung bewilligende Entscheidung ist nicht ergangen.

c) Die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002, durch die der Löschungsantrag der R. H. Inc. zurückge- wiesen worden ist, wirkt zu Lasten der Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens.

aa) Zwischen den Beteiligten ist nicht umstritten, dass die Antragstellerin des vorliegenden Löschungsverfahrens mit der Antragstellerin des ersten vom Deutschen Patent- und Markenamt bestandskräftig entschiedenen Löschungsverfahrens identisch ist und in der Zeit zwischen beiden Löschungsverfahren lediglich eine Umfirmierung der Antragstellerin erfolgt ist.

bb) Die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002, durch die der erste Löschungsantrag zurückgewiesen worden ist, wirkt in entsprechender Anwendung des § 322 ZPO gegen die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist der in den §§ 322 , 325 ZPO zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke für die Beurteilung der Wirkungen im Löschungsverfahren ergangener gerichtlicher Entscheidungen heranzuziehen (vgl. BGHZ 123, 30 , 33 f. - Indorektal II). Der Sinn dieser Regelung liegt in der endgültigen Befriedung eines kontradiktorischen Parteienstreits, der über denselben Streitgegenstand nicht wiederholt werden soll. Der Rechtsgedanke ist indessen nicht auf eine gerichtliche Entscheidung im Löschungsverfahren beschränkt. Vielmehr sind die Grundsätze des § 322 ZPO auf eine bestandskräftige Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts im Löschungsverfahren übertragbar. Im Hinblick auf die Justizförmigkeit des Verfahrens ist eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung auf das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung nicht ausgeschlossen (zum PatG : BGH, Beschl. v. 10.5.1994 - X ZB 7/93, GRUR 1994, 724 , 725 - Spinnmaschine; zum markenrechtlichen Verfahren: BPatGE 42, 250, 253; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO. § 56 MarkenG Rdn. 1; Kirschneck in Ströbele/Hacker aaO. § 56 Rdn. 1). Dies gilt auch für die Anwendung des Rechtsgedankens des § 322 ZPO auf einen im Löschungsverfahren ergangenen bestandskräftigen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, weil auch insoweit wiederholte Löschungsverfahren zwischen denselben Beteiligten über dieselbe eingetragene Marke im Interesse einer endgültigen Befriedung durch eine bestandskräftige Entscheidung ausgeschlossen werden sollen.

3. Eine Zurückverweisung an das Bundespatentgericht gemäß § 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG kann vorliegend unterbleiben. Durch die Entscheidungen vom heutigen Tag in den parallelen Löschungsverfahren I ZB 53/07 und I ZB 55/07 wird die Anordnung der Löschung der auch im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Marke rechtskräftig. Aus Gründen der Prozessökonomie besteht nach rechtskräftiger Löschung der angegriffenen Marke kein Anlass, die Sache an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen; vielmehr kann der Senat in der Sache ausnahmsweise selbst entscheiden (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.1997 - I ZB 7/95, GRUR 1998, 394 , 396 = WRP 1998, 185 - Active Line).

IV. Es besteht kein Grund, die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen (§ 90 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ). Die aufgeworfenen Rechtsfragen ließen das Begehren der Antragstellerin nicht von vornherein als aussichtslos erscheinen. Danach entspricht es der Billigkeit, von einer Kostenentscheidung abzusehen (§ 90 Abs. 1 Satz 3 MarkenG ).

Vorinstanz: BPatG, vom 20.12.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 26 W (pat) 86/05