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BGH - Entscheidung vom 14.01.2009

XII ZB 146/08

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 2
ZPO § 3
BGB § 1379 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
BGHReport 2009, 527
FamRB 2009, 137
FamRZ 2009, 592
MDR 2009, 521
NJW-RR 2009, 793

BGH, Beschluss vom 14.01.2009 - Aktenzeichen XII ZB 146/08

DRsp Nr. 2009/4467

Bestimmung der Beschwer eines zur Auskunft über sein Endvermögen verurteilten Ehegatten bei Verpflichtung zur Abgabe von Angaben über Firmenbeteiligungen; Zulässigkeit einer Bestimmung der Beschwer einer zur Auskunft verurteilten Partei nach deren Interesse auf Nichterteilung der Auskunft

Zur Beschwer eines zur Auskunft über sein Endvermögen verurteilten Ehegatten, der u.a. Angaben über Firmenbeteiligungen zu machen hat, die sich auf einen zwischen zwei Bilanzstichtagen liegenden Zeitpunkt beziehen.

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 25. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Juni 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: bis 1.500 EUR.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

Der im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zugewinnausgleich in Anspruch genommene Beklagte wurde durch Teilurteil des Amtsgerichts verurteilt,

der Klägerin durch Vorlage eines vollständigen und geordneten Bestandsverzeichnisses Auskunft zu erteilen über alle Aktiva und Passiva seines Endvermögens zum 10. Februar 2006 sowie die Auskunft hinsichtlich der Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen durch Vorlage der geschlossenen Gesellschaftsverträge und der Bilanzen mit Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 2001 bis 2005 zu belegen.

Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, der von den Parteien geschlossene Ehevertrag, durch den u.a. Gütertrennung vereinbart worden war, sei unwirksam, da die Gesamtheit der einzelnen Regelungen die Klägerin in unangemessener Weise benachteilige, so dass ungeachtet der in den Vertrag aufgenommenen salvatorischen Klausel von einer Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB ) des gesamten Vertrages auszugehen sei.

Die gegen das Teilurteil eingelegte Berufung des Beklagten verwarf das Oberlandesgericht als unzulässig, weil der Wert der Beschwer 600 EUR nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt.

1.

Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1 , 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ; vgl. BGHZ 154, 288 , 296) .

2.

Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Beschwer des Beklagten ist mit mehr als 600 EUR zu bewerten.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung im Wesentlichen ausgeführt: Der Wert der Beschwer sei nach dem Interesse des Beklagten zu bemessen, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Ohne Belang sei dabei, ob die Verurteilung zu Recht erfolgt sei. Das Abwehrinteresse bemesse sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordere, wobei ein gegebenenfalls vorhandenes Geheimhaltungsinteresse zusätzlich zu berücksichtigen sei. Nach dem Vorbringen des Beklagten lägen die zu überlassenden Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen vor; es sei auch bereits eine Zusammenstellung der Strukturen der im Besitz des Beklagten befindlichen Firmenanteile erfolgt. Zwar werde geltend gemacht, die erstellten Übersichten machten nur einen Teil der zu erteilenden Auskunft aus. Es fehle aber jeglicher Anhalt dafür, aus welchen Gründen die Erfüllung der Ausgleichspflicht bezüglich des nicht dargelegten restlichen Teils Kosten von mehr als 600 EUR verursache. Ein besonderes Geheimhaltungsinteresse sei jedenfalls nicht substantiiert dargelegt worden.

3.

Gegen diese Beurteilung wendet die Rechtsbeschwerde ein, das Berufungsgericht habe maßgeblichen Vortrag des Beklagten nicht berücksichtigt. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liege darin, dass der Beklagte über umfangreiches Vermögen verfüge, nämlich 11 direkte und/oder indirekte Firmenbeteiligungen, Grundbesitz - teils als Sonderbetriebsvermögen, teils als Privatvermögen - sowie weitere Vermögenswerte in Form von Forderungen und Bankguthaben. Andererseits sei er mit Verbindlichkeiten belastet. Die Erfüllung der Auskunftspflicht erfordere, dass der Beklagte in erheblichem Umfang Aufstellungen anzufertigen und Unterlagen beizubringen habe. Die bereits überreichte Vermögensübersicht stelle keine Erfüllung des Auskunftsanspruchs dar, weil diese in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig sei.

Diesem Einwand ist der Erfolg nicht zu versagen.

4.

a)

Zu Recht und in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats, ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, dass sich die Beschwer einer zur Auskunft verurteilten Partei nach deren Interesse richtet, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Für die Bewertung dieses Abwehrinteresses kommt es, soweit ein besonderes Geheimhaltungsinteresse nicht zu erkennen ist, auf den Zeit- und Arbeitsaufwand an, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft verursacht (BGH - GSZ - 128, 85, 87 f.;Senatsbeschluss vom 16. April 2008 - XII ZB 192/06 - FamRZ 2008, 1336 m.w.N.). Zutreffend ist weiterhin, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes nur nach dem Interesse zu bemessen ist, die restliche Auskunft nicht erteilen zu müssen. Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist grundsätzlich der Zeitpunkt seiner Einlegung maßgebend (Senatsbeschlüssevom 8. Juli 1987 - IVb ZB 73/87 - FamRZ 1988, 156 ;vom 27. November 1991 - XII ZB 102/91 - FamRZ 1992, 425 , 426 ; Senatsurteilevom 7. April 2002 - XII ZR 267/01 - FUR 2002, 423 undvom 10. Dezember 2008 - XII ZR 108/05 - zur Veröffentlichung bestimmt).

b)

Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass der restliche Teil der Auskunft mit Kosten von mehr als 600 EUR verbunden sei, ist indessen nicht gerechtfertigt.

Der Beklagte hat nach dem Teilurteil Auskunft über alle Aktiva und Passiva seines Endvermögens zum 10. Februar 2006zu erteilen. Die von seinem Steuerberater angefertigte Übersicht verhält sich dagegen zu dem Vermögen des Beklagten zum 31. Dezember 2006. Dadurch ist die Auskunftspflicht auch nicht teilweise erfüllt worden. Anhaltspunkte dafür, dass das Amtsgericht entgegen der Formulierung im Tenor des Teilurteils die Auskunftspflicht auch für die Vermögensaufstellung auf vollständige Geschäftsjahre bezogen hat, sind nicht ersichtlich. Vielmehr unterscheidet sich die Auskunftspflicht, die auf dem Stichtag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (10. Februar 2006) bezogen ist, insofern von der Belegpflicht, die die Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen für vollständige Geschäftsjahre umfasst. Diese Differenzierung hat aber notwendigerweise zur Folge, dass der Beklagte die zusammenzustellenden Vermögenswerte nicht ohne weiteres den Bilanzen entnehmen kann, weil die Angaben für einen zwischen zwei Bilanzstichtagen liegenden Zeitpunkt zu machen sind.

Dass der Beklagte angesichts des Umfangs seiner Firmenbeteiligungen und seines sonstigen Vermögens - die Aktiva sind zum 31. Dezember 2006 mit mehr als 30 Mio. EUR beziffert worden - für die danach geschuldete Auskunft, wie er geltend macht, sachkundiger Hilfe, nämlich derjenigen eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers bedarf, liegt auf der Hand. Nach dem weiteren Vortrag des Beklagten hat sein Steuerberater nach einer zweistündigen Vorbesprechung für die bisher gefertigte Zusammenstellung der Unterlagen weitere fünf Stunden benötigt. Entsprechender Zeit- und Kostenaufwand fällt zumindest für die teilweise noch nicht erteilte Auskunft an. Selbst wenn für den Steuerberater nicht ein Stundensatz von 200 EUR, sondern mit der Rechtsbeschwerde lediglich ein solcher von 150 EUR angesetzt wird, übersteigt die Beschwer bereits den Betrag von 600 EUR. Dazu kommt noch der Aufwand für das Anfertigen von Kopien von 55 Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen (5 Jahre x 11 Firmenbeteiligungen) sowie von 11 Gesellschaftsverträgen. Darüber hinaus ist auch der eigene Zeiteinsatz des Beklagten zu bewerten (vgl. BGH Urteil vom 7. März 2001 - IV ZR 155/00 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 47;Senatsbeschluss vom 21. Juni 2000 - XII ZB 12/97 - FamRZ 2001, 1213 , 1214) .

Insgesamt kann es danach nicht zweifelhaft sein, dass die für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Beschwer erreicht ist, ohne dass es noch darauf ankommt, ob ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Beklagten vorliegt.

Vorinstanz: OLG Köln, vom 27.06.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 25 UF 44/08
Vorinstanz: AG Köln, vom 08.02.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 313 F 338/05
Fundstellen
BGHReport 2009, 527
FamRB 2009, 137
FamRZ 2009, 592
MDR 2009, 521
NJW-RR 2009, 793