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BGH - Entscheidung vom 31.03.2009

X ZR 29/07

Normen:
ZPO § 406

BGH, Beschluss vom 31.03.2009 - Aktenzeichen X ZR 29/07

DRsp Nr. 2009/13240

Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen

Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen besteht nicht, wenn dieser, ein Universitätsprofessor, zwar mit Studenten eine Exkursion durchgeführt hat, bei der neben anderen auch das Werk eines Unternehmens besichtigt worden ist, das zwar nicht Partei des vorliegenden Rechtsstreits ist, jedoch ein gleichgelagertes Interesse am Interesse des Rechtsstreits hat, und wenn diese Exkursion zwar mit einer finanziellen Zuwendung unterstützt worden ist, die jedoch auch andere Unternehmen geleistet haben und die den Studenten zugute gekommen sind.

Tenor:

Das gegen den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. F. G. gerichtete Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.

Normenkette:

ZPO § 406 ;

Gründe:

I.

Die Beklagten sind Inhaber des deutschen Patents 42 03 820, das eine fahrbare Betonpumpe betrifft. Die Klägerin hat vor dem Bundespatentgericht das Streitpatent mit der Nichtigkeitsklage angegriffen. Diese Klage hat das Bundespatentgericht abgewiesen.

Im Berufungsverfahren hat der Senat Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und Prof. Dr.-Ing. F. G. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Nach Einreichung des schriftlichen Gutachtens haben die Beklagten den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und geltend gemacht:

Der Sachverständige stehe in engen Beziehungen zu der P. AG, die zwar nicht Partei des Nichtigkeitsverfahrens sei, die jedoch ebenso wie die Nichtigkeitsklägerin vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Patentverletzung in Anspruch genommen werde. Die Nichtigkeitsklägerin und die P. AG hätten deshalb ein identisches Interesse an der Vernichtung des Streitpatents.

Das Institut, dem der Sachverständige vorstehe, habe in der Woche vom 7. bis 20. Juni 2005 eine Exkursion in die Schweiz und nach Österreich durchgeführt, bei der auch abschließend die P. AG besucht worden sei. Diese habe den größten Teil der Reisekosten übernommen, wofür sich der Sachverständige in dem Vorwort zu einem von ihm verfassten Reisebericht ausdrücklich bedankt habe. Der Reisebericht lese sich im Übrigen wie eine Werbebroschüre und sei auch teilweise wörtlich den Werbeunterlagen der P. AG entnommen. Die Beklagte hält dies zwar für "vollkommen in Ordnung", vertritt aber gleichwohl den Standpunkt, die Annahme von zweckgebundenen Geldgeschenken begründe Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen, zumal das Institut bei verständiger Würdigung habe annehmen dürfen, auch weiterhin mit finanziellen Unterstützungen bedacht zu werden. Dies zeige sich auch daran, dass nochmals im Jahre 2007 eine Exkursion durchgeführt worden sei, die in gleicher Weise von der P. AG unterstützt worden sei. Zudem werbe die P. AG damit, dass der Firmengründer, K. S. , am 4. April 2007 den ... Innovationspreis des Instituts für ... erhalten habe. Die Laudatio habe bei dieser Gelegenheit der gerichtliche Sachverständige gehalten. Auch diese Begebenheit begründe vernünftige Zweifel daran, dass der gerichtliche Sachverständige die gebotene Neutralität wahre. In seiner Laudatio habe der gerichtliche Sachverständige das Lebenswerk des Preisträgers gewürdigt, indem er ausgeführt habe, dass das wissenschaftliche Denken und zahlreiche bahnbrechende Innovationen die von ihm als Student 1958 gegründete Firma zum Welterfolg geführt habe.

Zum Zeitpunkt der Bestellung des gerichtlichen Sachverständigen hätten die Beklagten keinerlei Veranlassung gehabt, an dessen Neutralität zu zweifeln. Erst der Inhalt des Sachverständigengutachtens, in dem der Sachverständige Ausführungen zu den Großmastpumpen der P. AG gemacht habe, habe Veranlassung gegeben, über die Beziehungen des gerichtlichen Sachverständigen zu der P. AG Nachforschungen anzustellen. Deshalb treffe die Beklagte kein Verschulden daran, dass der Antrag auf Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen erst jetzt erfolgt sei, weshalb das Ablehnungsgesuch nicht gemäß § 406 Abs. 2 ZPO verspätet und deshalb unzulässig sei.

II.

Das Ablehnungsgesuch bleibt ohne Erfolg.

Ein Sachverständiger kann nach § 406 ZPO , der auch im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen anwendbar ist, abgelehnt werden, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hegt. Maßgeblich ist vielmehr, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende Partei der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit besteht (Sen. Beschl. v. 4.12.2001 - X ZR 199/00, GRUR 2002, 369 - Sachverständigenablehnung; Beschl. v. 23.10.2007 - X ZR 100/05, GRUR 2008, 191 - Sachverständigenablehnung II).

Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen, ihre rechtzeitige Anbringung zugunsten der Beklagten unterstellt, bei verständiger Würdigung nicht die Annahme, der gerichtliche Sachverständige werde die erforderliche Unparteilichkeit nicht aufbringen.

Die Beziehungen des gerichtlichen Sachverständigen zur P. AG geben - auch aus der Sicht der Beklagten - keinen Anlass, an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu zweifeln. Exkursionen mit Werksbesichtigungen gehören zur Ausbildung von Studenten und rechtfertigen als solche bei verständiger Würdigung die Besorgnis der Befangenheit nicht. Soweit die P. AG die Exkursion mit einer Zuwendung von 500,-- EUR unterstützt hat, rechtfertigt dieser Umstand im Streitfall keine andere Beurteilung, da die Exkursion auch von anderen Unternehmen und nicht allein von der P. AG unterstützt wurde, der Geldbetrag zudem nicht dem Institut des gerichtlichen Sachverständigen zugewendet wurde, sondern den an der Exkursion teilnehmenden Studenten. Darüber hinaus hat - wie die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat - nicht der gerichtliche Sachverständige die Exkursionsberichte erstellt, diese sind vielmehr von den teilnehmenden Studenten angefertigt worden, wobei auch die sonstigen die Exkursion unterstützenden Unternehmen benannt wurden. Bei der Ehrung des Gründers der P. AG K. S. hat zwar der Sachverständige die Laudatio gehalten, weitere Beziehungen bestehen jedoch nicht. Anlässlich der Laudatio hat der gerichtliche Sachverständige die für die Preisverleihung ausschlaggebenden Leistungen gewürdigt, die auch die Beklagte als solche nicht in Abrede stellt.

Aus den genannten Umständen kann daher im Streitfall auch in ihrer Zusammenschau ein Ablehnungsgrund nicht hergeleitet werden.

Vorinstanz: BPatG, 3 Ni 42/05 vom 30.11.2006,