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BGH - Entscheidung vom 17.02.2009

VI ZB 60/07

Normen:
ZPO § 4 Abs. 1

Fundstellen:
AGS 2009, 344
FamRZ 2009, 867
NJW-Spezial 2009, 380
SP 2009, 380
SVR 2009, 312
VersR 2009, 806

BGH, Beschluss vom 17.02.2009 - Aktenzeichen VI ZB 60/07

DRsp Nr. 2009/5926

Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten bei der Bemessung des Streitwerts

Geltend gemachte vorprozessuale Anwaltskosten sind als streitwerterhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen, wenn und soweit der geltend gemachte Hauptanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die nicht anrechenbaren vorprozessualen Anwaltskosten sich auf einen Teil des ursprünglich geltend gemachten Anspruchs beziehen, der vorprozessual ausgeglichen wurde und deshalb nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist.

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 25. Oktober 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: bis 900,-- EUR

Normenkette:

ZPO § 4 Abs. 1 ;

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 4. Juli 2005 in Anspruch. Auf den ursprünglich geltend gemachten Schaden von 3.053,61 EUR zahlte die Beklagte zu 3 als Haftpflichtversicherer vorgerichtlich 1.859,08 EUR. Mit seiner Klage hat der Kläger daraufhin zunächst den sich ergebenden Differenzbetrag von 1.194,53 EUR nebst Zinsen geltend gemacht, in der Folge aber die Klage mit Zustimmung der Beklagten in Höhe von 65,-- EUR zurückgenommen. Daneben begehrte er den Ersatz des auf die Verfahrensgebühr nicht anrechenbaren Teils der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 186,82 EUR.

Das Amtsgericht hat dem Kläger unter Zugrundelegung einer Mitverschuldensquote von 20 % einen Betrag von 536,81 EUR zuerkannt und eine Ersatzverpflichtung hinsichtlich der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten verneint. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und sein Klagebegehren in Höhe des ihm vom Amtsgericht nicht zuerkannten Differenzbetrages von 592,72 EUR sowie der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von 186,82 EUR weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die erforderliche Berufungssumme von 600 EUR nicht erreicht sei. Die außergerichtlichen Anwaltskosten seien dabei Nebenforderungen im Sinne des § 4 Abs. 1 2. Halbs. ZPO und daher nicht zu berücksichtigen.

II.

1.

Die gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Sie ist auch begründet, da im vorliegenden Fall die vorprozessualen Kosten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts (teilweise) streitwerterhöhend zu berücksichtigen sind.

a)

Der erkennende Senat hat mit seinem Beschluss vom 4. Dezember 2007 - VI ZB 73/06 - VersR 2008, 557 , den das Berufungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung freilich noch nicht kennen konnte, entschieden, dass die geltend gemachten vorprozessualen Anwaltskosten als streitwerterhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen sind, wenn und soweit der geltend gemachte Hauptanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Entsprechendes gilt auch für den hier vorliegenden Fall, in dem sich die nicht anrechenbaren vorprozessualen Anwaltskosten auf einen Teil des ursprünglich geltend gemachten Anspruchs beziehen, der von der Beklagtenseite vorprozessual ausgeglichen wurde und deshalb nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist.

b)

Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs nicht werterhöhend wirken, wenn dieser Hauptanspruch Gegenstand des laufenden Verfahrens ist. Wird der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig und stellt deshalb eine Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO dar. Dieses - eine Werterhöhung ausschließende - Abhängigkeitsverhältnis besteht, solange die Hauptforderung Gegenstand des Rechtsstreits ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 - VersR 2007, 1102 ; Senatsurteil vom 12. Juni 2007 - VI ZR 200/06 - [...] Rdn. 5 ff.; Senatsbeschlüsse vom 15. Mai 2007 - VI ZB 18/06 - BGH-Report 2007, 845, 846; vom 25. September 2007 - VI ZB 22/07 - [...] Rdn. 5 f. und vom 4. Dezember 2007 - VI ZB 73/06 -aaO).

c)

Soweit die Hauptforderung nicht mehr Prozessgegenstand ist, etwa weil eine auf die Hauptforderung oder einen Teil der Hauptforderung beschränkte Erledigung erklärt worden ist, wird die Nebenforderung zur Hauptforderung, weil sie sich von der sie bedingenden Forderung "emanzipiert" hat und es ohne Hauptforderung keine Nebenforderung gibt (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2007 - VI ZB 73/06 - aaO m.w.N.). Entsprechendes gilt für den vorliegenden Fall, in dem sich ein Teil der ursprünglich geltend gemachten Hauptforderung bereits vorgerichtlich durch Zahlung erledigt hat und deshalb von vorneherein nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist.

2.

Für den Streitfall ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass der Wert des Beschwerdegegenstands nicht nur die im Berufungsverfahren geltend gemachte restliche Hauptforderung von 592,72 EUR umfasst, sondern durch die vorprozessualen Rechtsanwaltskosten, die auf den vorprozessual erledigten Teil der ursprünglichen Gesamtforderung entfallen, auf über 600 EUR erhöht wird. Mithin ist die Berufung zulässig (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ).

Vorinstanz: LG Görlitz, vom 25.10.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 2 S 51/07
Vorinstanz: AG Görlitz, vom 31.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 4 C 850/05
Fundstellen
AGS 2009, 344
FamRZ 2009, 867
NJW-Spezial 2009, 380
SP 2009, 380
SVR 2009, 312
VersR 2009, 806