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BGH - Entscheidung vom 29.05.2009

V ZR 137/08

Normen:
BGB § 444

BGH, Urteil vom 29.05.2009 - Aktenzeichen V ZR 137/08

DRsp Nr. 2009/14365

Begriff des arglistigen Verschweigens eines Mangels i.S. von § 444 BGB

1. Arglistiges Verschweigen von Mängeln eines verkauften Hausanwesens kann darin liegen, dass Fragen nach Feuchtigkeitsbeeinträchtigung der Wahrheit zuwider verneint und die Kenntnis von einem Insektenbefall der Schwelle zum Badezimmer und Fäulnis an Balken zwischen Keller und Wohngeschoss verschwiegen worden sind. 2. Ein Berufungsgericht darf sich nicht deshalb über ordnungsgemäß getroffene Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts über arglistig verschwiegene Mängel eines verkauften Hauses hinwegsetzen, weil sich dem angegriffenen Urteil nicht entnehmen lässt, für welche Stelle die getroffenen Feststellungen gelten, wenn letztere nach dem Prozessverlauf nicht zweifelhaft ist.

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Juni 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 444 ;

Tatbestand:

Der Beklagte erwarb 1994 ein Grundstück in O. bei H. . Das an einem Hang gelegene Grundstück ist mit einem etwa 100 Jahre alten teilweise in Fachwerkbauweise errichteten Haus bebaut. Das Gebäude wird vom Tal her auf der Kellerebene betreten. Eine Fundamentsohle besteht nicht. Die hangseitige Wand des Kellergeschosses ist nicht gegen Feuchtigkeit isoliert. Der Fußboden des Wohngeschosses über dem Kellergeschoss lagert auf Balken.

Der Beklagte nahm an dem Haus eigenhändig Arbeiten vor. 1995 vermietete er es. Das Mietverhältnis endete im Sommer 2006. Der Beklagte bot das Grundstück zum Kauf an. Die Kläger besichtigten das Haus und kauften das Grundstück mit Notarvertrag vom 20. Juni 2006 für 65.000 EUR unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel.

Die Kläger bezahlten den Kaufpreis. Das Grundstück wurde aufgelassen und übergeben. Die Kläger haben den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Sie behaupten, das Haus sei von Ameisen und Schimmel befallen und durchfeuchtet. Zur Renovierung hätten sie den Fußbodenbelag im Wohngeschoss aufgehoben und hierdurch erkannt, dass die Balken zwischen Keller und Obergeschoss teilweise verfault und nicht mehr tragfähig seien. Auch das übrige Balkenwerk sei zum Teil durch Feuchtigkeit und Insekten erheblich geschädigt. Dies sei dem Beklagten aufgrund Reklamationen der Mieterin und aufgrund seiner Tätigkeit im Hause bekannt. Die Mängel habe er beim Verkauf arglistig verschwiegen.

Mit der Klage verlangen sie nach näherer Maßgabe die Erstattung ihrer Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks, die Freistellung von ihren Verpflichtungen aus dem Kauf gegenüber dem Finanzamt, die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz weiterer Schäden und seines Verzugs mit der Annahme der Rückübertragung des Grundstücks. Der Beklagte hat widerklagend beantragt, die Kläger zur Zahlung anteiliger Grundsteuer zu verurteilen.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und der Einnahme eines Augenscheins der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Beide Parteien haben das Urteil des Landgerichts angefochten. Das Oberlandesgericht hat der Berufung des Beklagten stattgegeben, die Klage abgewiesen und die Berufung der Kläger zurückgewiesen.

Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Verurteilung des Beklagten nach den von ihnen im Berufungsverfahren gestellten Anträgen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält ein arglistiges Verhalten des Beklagten für nicht bewiesen. Es meint, einen Hinweis auf Schimmel habe es nach 2002 nicht mehr gegeben; die Einlassung des Beklagten, er sei nach der Neueindeckung einer Hälfte des Dachs der Auffassung gewesen, dessen Undichtigkeit sei behoben, sei nicht widerlegt. Dass der Keller feucht sei, hätten die Kläger bei der Besichtigung ohne weiteres bemerken können; dass er, wie von dem Landgericht festgestellt, nur mit Gummistiefeln betreten werden könne, hätten weder der von den Klägern beauftragte Sachverständige noch der Zeuge S. bestätigt, der das Haus zusammen mit der Mieterin A. über Jahre hinweg bewohnt habe. Dass der Beklagte den Zustand der Balken über dem Kellergeschoss gekannt habe, könne nicht festgestellt werden. Die insoweit von dem Landgericht getroffene Feststellung, der Beklagte habe Arbeiten an einer Wand vorgenommen und dabei den angrenzenden Boden geöffnet, wodurch ihm der Zustand der Deckenbalken bekannt geworden sei, sei nicht nachzuvollziehen, weil dem Urteil des Landgerichts nicht zu entnehmen sei, an welcher Wand welchen Raumes der Beklagte tätig geworden sei. Dass der Beklagte die Kläger über den schlechten Zustand der Schwellen nicht aufgeklärt habe, hätten die Kläger nicht bewiesen.

II.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das von dem Beklagten den Klägern verkaufte Haus war erkennbar renovierungsbedürftig. Nach den insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts brauchten die Kläger jedoch nicht davon auszugehen, dass nicht offen liegende konstruktive Teile des Gebäudes irreparabel geschädigt sind. Die Haftung des Beklagten ist insoweit im Kaufvertrag vom 20. Juni 2006 zwar ausgeschlossen. Nach § 444 BGB ist dem Beklagten die Berufung auf den vereinbarten Haftungsausschluss aber verwehrt, wenn er diese Mängel arglistig verschwiegen hat.

Arglistiges Verschweigen liegt vor, wenn der Verkäufer einen Mangel kennt oder für möglich hält und weiß oder damit rechnet, dass der Käufer bei Offenbarung des Mangels den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abgeschlossen hätte (st. Rspr. vgl. Senat , Urt. v. 10. Juni 1983, V ZR 292/81, WM 1983, 990; Urt. v. 20. März 1987, V ZR 27/86, NJW 1987, 2511 ; Urt. v. 7. Juli 1989, V ZR 21/88, NJW 1989, 42).

Das Landgericht hat hierzu festgestellt, dass der Beklagte die Frage nach einer Feuchtigkeitsbeeinträchtigung des Hauses der Wahrheit zuwider verneint habe und seine Kenntnis von dem Insektenbefall der Schwelle zum Badezimmer und davon, dass die Balken zwischen Keller und Wohngeschoß verfault sind, den Klägern verschwiegen habe. Letzteres folge daraus, dass der Beklagte im unteren Bereich einer Wand und an dem angrenzenden Bereich des Fußbodens Arbeiten vorgenommen habe. Der Schaden an Wand und Boden bilde eine Einheit; die Arbeiten des Beklagten hätten entgegen seiner Angaben beide Bereiche erfasst. Hierbei könne dem Beklagten der Zustand der Boden- bzw. Deckenbalken nicht verborgen geblieben sein. Bei der gebotenen Offenbarung hätten die Kläger den Vertrag vom 20. Juni 2006 nicht geschlossen.

Die hiervon abweichende Feststellung des Berufungsgerichts wird, wie die Revision zutreffend rügt, von dem Verfahrensrecht nicht getragen. Dass dem Urteil des Landgerichts nicht zu entnehmen ist, für welche Wand und damit für welchen angrenzenden Bodenbereich die von dem Landgericht getroffenen Feststellungen gelten, führt nicht dazu, dass diese unzutreffend oder verfahrensfehlerhaft getroffen wären. Die abweichende Meinung des Berufungsgerichts entbehrt einer Grundlage im Prozessrecht. Welche Teile des Bodens und welche Wand das Landgericht in seinem Urteil angesprochen hat, kann nach dem Prozessverlauf nicht zweifelhaft sein. Soweit das Berufungsgericht es für erforderlich angesehen hat, die von dem Landgericht festgestellten Arbeiten des Beklagten näher zu lokalisieren, konnte es die Parteien hiernach fragen. Sie waren bei der Augenscheinsaufnahme des Landgerichts zugegen; der genaue Ort von Wand und Boden, für den die Feststellungen des Landgerichts getroffen sind, ist ihnen bekannt.

Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil es an den notwendigen Feststellungen fehlt. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hierbei hat der Senat von § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung werden auch die weiteren Angriffe der Revision gegen die getroffenen Feststellungen zu berücksichtigen sein.

Hinweise:

Verkündet am: 29. Mai 2009

Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 12.06.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 10 U 122/07
Vorinstanz: LG Heilbronn, vom 09.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 370/06