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BGH - Entscheidung vom 12.02.2009

Xa ZR 116/07

Normen:
PatG § 9 Abs. 1

Fundstellen:
BGHReport 2009, 693
BGHZ 180, 1
GRUR 2009, 655

BGH, Urteil vom 12.02.2009 - Aktenzeichen Xa ZR 116/07

DRsp Nr. 2009/8130

Begrenzbarkeit eines jüngeren Patentrechts gegenüber dem Inhaber eines älteren Patents durch dessen Patentanspruch; Zustehen des älteren Patents nur für den ausschließlich dessen Lehre Benutzenden

Ein jüngeres Patentrecht kann gegenüber dem Inhaber eines älteren Patents durch dessen Patentanspruch begrenzt sein. Das ältere Patent steht nur demjenigen zur Seite, der ausschließlich dessen Lehre benutzt und nicht von zusätzlichen Merkmalen Gebrauch macht, die erst von dem jüngeren Patent gelehrt werden.

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 2007 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

PatG § 9 Abs. 1 ;

Tatbestand:

Die Klägerin ist Inhaberin des am 7. Februar 2001 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 073 813.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

"Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder Wandaufbau zum Erzielen einer Entkoppelung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung, wobei die Trägerplatte eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im Wesentlichen in eine Richtung verlaufende Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) auf einer Seite und auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche aufweist, zwischen denen Kammern (M 1 bis M 3) zur Aufnahme eines zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittels, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind und wobei an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies (2) vorgesehen ist,

dadurch gekennzeichnet, dass die Strukturierung aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und die Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N 2, N 4, N 6) besteht, wobei die gebildeten Kammern (M 1 bis M 3) umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen erhabene Stege (S 1 bis S 6) bildenden Ausprägungen (N 1 bis N 6) begrenzt sind und ein in einer Kammer (M 1 bis M 3) hineinragender Hinterschnitt (H 1 bis H 3) Teil eines Steges (S 1 bis S 6) bzw. einer Ausprägung (N 1 bis N 6) ist."

Die Beklagte vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung "D. " eine Entkoppelungsmatte und Verbundabdichtung für Fliesenbeläge, mit der die Verlegung auf Untergründen, die auf thermische Veränderungen bzw. Veränderungen der Luftfeuchtigkeit reagieren, ermöglicht wird.

Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung des Klagepatents und nimmt die Beklagte deswegen auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Verpflichtung zur Entschädigung und zum Schadensersatz in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - stattgeben. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (OLG Düsseldorf InstGE 8, 141). Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf Klagabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen bekleideten Bodenaufbau oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkoppelung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringende Flächenbekleidung.

Die Klagepatentschrift verweist einleitend darauf, dass das Aufbringen von Bekleidungen, insbesondere Keramikplatten, im Inneren oder außen an Gebäuden vielfach problematisch sei. Aufgrund unterschiedlicher Wärmeausdehnungen und den damit verbundenen Spannungen könnten Risse in der Bekleidung entstehen; auch das Ablösen von Bekleidungsplatten sei aufgrund solcher Spannungszustände feststellbar. Insbesondere Keramikplattenbeläge würden vielfach im sogenannten Dünnbettverfahren verlegt, bei dem ein geeigneter Kontaktmörtel Verwendung finde; dabei ergäben sich Schwierigkeiten aufgrund der unterschiedlichen Haftungsbedingungen an der Unterseite einer solchen Platte bzw. an dem Untergrund. Um in derartigen Anwendungsfällen auftretende Spannungsunterschiede abzubauen bzw. den Aufbau bezüglich der auftretenden Spannung vom Untergrund zu entkoppeln, seien bereits Trägerplatten aus folienartigem Kunststoff vorgeschlagen worden.

Eine entsprechende Platte sei aus der deutschen Offenlegungsschrift 37 04 414 bekannt. Durch abwechselnd nach beiden Plattenseiten hin schwalbenschwanzförmige Nuten sei dabei eine Trägerplatte gebildet, die sich bei Druck- und Zugbeanspruchung quer zum Verlauf dieser Nuten bewegen lasse. Um diese Platten am Untergrund zu befestigen, sei zumindest auf einer Plattenseite ein der Verklebung am Untergrund dienendes Vlies oder ein netzartiges Textilgewebe vorgesehen. Werde eine solche Trägerplatte am Untergrund befestigt und darauf eine Bekleidung mit entsprechendem Kontaktmittel aufgebracht, so könne ein Spannungsausgleich in dieser angegebenen Richtung herbeigeführt werden, wenn sichergestellt sei, dass sich die gebildeten Nuten nicht mit dem Kontaktmittel, beispielsweise einem Mörtel, vollständig ausfüllten. Um dieses Ausfüllen zu verhindern, sei bereits vorgeschlagen worden, solche Platten an einer Seite mit netzartigen Textilien oder einem Vlies zu versehen, wodurch eine erhöhte Kontaktfähigkeit erreicht werde. Solche Trägerplatten seien aber nur in einer Richtung dehnfähig bzw. zusammendrückbar. Vielfach sei daher mit solchen Platten ein notwendiger Spannungsabbau nicht ausreichend möglich.

Dem Klagepatent liegt das technische Problem zugrunde, eine im Hinblick auf die geschilderten Nachteile verbesserte Trägerplatte für den plattenbekleideten Bodenaufbau oder eine entsprechende Wand bereitzustellen, mit der die auftretenden unterschiedlichen Ausdehnungen zwischen Untergrund und Bekleidung und daraus möglicherweise resultierende Spannungen vollständiger abgebaut bzw. entkoppelt werden.

Erfindungsgemäß soll das durch eine Trägerplatte mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 erreicht werden, die das Berufungsgericht wie folgt gegliedert hat:

1.

Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkoppelung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung.

2.

Die Trägerplatte weist auf einer Seite eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im Wesentlichen in einer Richtung verlaufende Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) auf.

3.

Die Trägerplatte weist auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche auf, zwischen denen Kammern (M 1 bis M 3) zur Aufnahme eines zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittels, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind.

4.

An der Unterseite der Platte ist ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies (2) vorgesehen.

5.

Die Strukturierung besteht aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und die Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N 2, N 4, N 6).

6.

Die gebildeten Kammern (M 1 bis M 3) sind umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen, erhabene Stege (S 1 bis S 6) bildenden Ausprägungen (N 1 bis N 6) begrenzt, und ein in eine Kammer (M 1 bis M 3) hineinragender Hinterschnitt (H 1 bis H 3) ist Teil eines Steges (S 1 bis S 6) bzw. einer Ausprägung (N 1 bis N 6).

II.

Die Auslegung des Patentanspruchs durch das Berufungsgericht hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Begriff "Trägerplatte" nach Merkmal 1 vermittele dem Durchschnittsfachmann die Vorstellung, dass ein flächiges Gebilde angesprochen werde, dessen Ausdehnung in Länge und Breite ein Vielfaches der Dicke ausmache. Über die geometrischen Umrisse der Trägerplatte und deren Abmessungen sage Anspruch 1 nichts, auch der Beschreibung lasse sich insoweit keine Beschränkung entnehmen. Insbesondere müssten die Platten kein bestimmtes Größenverhältnis in Bezug auf die auf ihnen zu verlegenden Beläge aufweisen. Die Klagepatentschrift mache auch keine Angaben dazu, dass es zur bestimmungsgemäßen Verwendung eventuell einer bestimmten Fugenstruktur bedürfe, wie sie sich bei der Verlegung von Platten zwischen einzelnen Trägerplatten ergebe. Weder müssten die Trägerplatten schachbrettartig aneinandergesetzt werden, noch eine nur begrenzte Anzahl von Strukturelementen, insbesondere Kammern, aufweisen. Hierfür sei auch kein technischer Grund ersichtlich. Es sei im Gegenteil naheliegend, die Trägerplatte in einer solchen Größe vorzusehen, dass sie handhabbar sei und einen möglichst großen Bereich des Untergrundes oder der Wand abdecken könne, auf der die Flächenbekleidung aufzubringen sei. Nichts anderes könne der Durchschnittsfachmann der deutschen Offenlegungsschrift 37 01 414 entnehmen, welche bereits eine Trägerplatte mit den Merkmalen des Oberbegriffs, also den Merkmalen 1 bis 4, zeige. Schließlich werde auch im Zusammenhang mit den Figurenbeschreibungen des Klagepatents ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um Darstellungen von Trägerplatten "im Ausschnitt", also nicht etwa um eine vollständige Trägerplatte, handele. Die Klagepatentschrift mache darüber hinaus keinerlei Angaben dazu, welche Aufbauhöhe durch eine bestimmungsgemäß aufgebaute Trägerplatte erreicht werden müsse und in welchem Dickebereich sich der angesprochene folienartige Kunststoff, auf dem die Stege, Nuten und Kammern gebildet würden, bewegen müsse. Die Verwendung des Begriffs der "Trägerplatte" sei mithin nicht geeignet, aus ihm Rückschlüsse auf die Dicke des verwendeten Kunststoffs und die Höhe des Plattenaufbaus zu ziehen. Damit falle jede nach den Merkmalen 1 bis 6 gestaltete Matte oder Platte, die geeignet sei, den angestrebten Entkoppelungseffekt zum Spannungsabbau zu erreichen, unter den patentgemäßen Begriff der Trägerplatte.

Dieser Platte werde die Funktion zugewiesen, etwas zu tragen - daher Trägerplatte, nämlich die aufzubringende Flächenbekleidung, bei der es sich, wie die Klagepatentschrift an mehreren Stellen angebe, insbesondere um Keramikplattenbeläge handele. Der Durchschnittsfachmann gewinne aus der Gesamtheit der Anspruchsmerkmale ohne weiteres das Verständnis, dass die Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff nur dann in der Lage sei, die ihr zugewiesenen Funktionen zu erfüllen, wenn sie in Bezug auf die im Klagepatent angesprochenen Eigenschaften Elastizität, Dehnfähigkeit und Zusammendrückbarkeit genügend Dicke, Steifigkeit und Widerstandsfähigkeit aufweise, um die Flächenbekleidung zu tragen. Dem Durchschnittsfachmann sei damit klar, dass es sich bei dem folienartigen Kunststoff nicht etwa um ein dünnes Material ohne jede Festigkeit handeln könne.

Wie die in Merkmal 6 vorgegebenen Hinterschneidungen im Einzelnen beschaffen seien, lasse der Patentanspruch offen. Die Stege müssten weder T-förmig noch schwalbenschwanzförmig sein; es genüge jede von den Stegen ausgehende Verengung des Randes der Öffnungen der Kammern.

2.

Die Revision meint demgegenüber, das Berufungsgericht habe es zu Unrecht unterlassen, zwischen erfindungsgemäßen Trägerplatten und Matten zu differenzieren, und auch die Bedeutung der Vorgabe "folienartig" verkannt, die ein relativ dünnes Material verlange. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verwirkliche zudem ein schwalbenschwanzförmiger Hinterschnitt Merkmal 6 nicht.

3.

Damit kann die Revision nicht durchdringen:

Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend angenommen, dass unter den patentgemäßen Begriff der "Trägerplatte" auch eine Matte fällt, wie sie Gegenstand der angegriffenen Ausführungsform ist. Es hat sich dabei rechtsfehlerfrei daran orientiert, was die Trägerplatte erfindungsgemäß leisten soll (vgl. BGH, Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909 - Spannschraube) und insoweit darauf abgestellt, dass eine erfindungsgemäße Trägerplatte am zu verkleidenden Untergrund befestigt werden soll, um darauf anzubringende Plattenbekleidungen zu tragen (vgl. Sp. 1 Z. 6, Sp. 2 Z. 34 f.). Das Klagepatent setzt dabei ein - relativ - dünnes (folienartiges) Kunststoffmaterial voraus, das einerseits genügende Steifigkeit aufweist, um in einem Arbeitsgang eine gewisse Fläche bedecken zu können (Platte), andererseits aber auch die erfindungsgemäßen, beispielsweise durch Vakuumformen ausgebildeten (Sp. 2 Z. 39; Sp. 3 Z. 33; Sp. 4 Z. 10) Ausprägungen an der Ober- (bzw. Unter-)Seite formstabil halten zu können. Unerheblich ist demgegenüber zum einen die Bemaßung einer aus einem solchen Kunststoff gefertigten Platte, die lediglich eine Frage der günstigsten praktischen Handhabung ist. Zum anderen kommt es auch nicht darauf an, ob die Trägerplatten - wie die angegriffene Ausführungsform - in Rollenform angeboten werden, zumal die Trägerplatte in Merkmal 1 auch als "folienartige Platte" bezeichnet wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Klagepatentschrift in Bezug genommenen deutschen Offenlegungsschrift 37 01 414. Die Schrift differenziert nicht, wie die Revision meint, zwischen Kunststoffplatten und -folien, sondern verwendet beide Begriffe nebeneinander ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied.

Soweit die Revisionsbegründung weiter meint, der Begriff der "Trägerplatte" werde durch den Begriff des "folienartigen Kunststoffs" begrenzt, aus dem die Trägerplatte patentgemäß bestehen solle, worunter aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein vergleichsweise dünnes Material zu verstehen sei, verkennt sie, dass die Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff nur dann in der Lage ist, die ihr zugewiesene Funktion zu erfüllen, wenn sie eine ausreichende Dicke und Steifigkeit aufweist, um die Flächenbekleidung funktionsgemäß tragen zu können. Auf die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den vom Klagepatent angesprochenen Fachmann unzutreffend bestimmt, kommt es somit nicht an.

Auch Merkmal 6 des Klagepatents hat das Berufungsgericht zutreffend verstanden. In der Beschreibung der Klagepatentschrift wird ausdrücklich erwähnt (Sp. 4 Z. 12-13), dass der Hinterschnitt H1 anstelle der in Figuren 1a und 1b gezeigten T-förmigen Ausbildung der Verbreiterung der Nuten N 1, N 2 auch "schwalbenschwanzförmig" ausgebildet sein kann. Ein solcher Schnitt des Nutenprofils verengt wie eine T-förmige Ausbildung des Hinterschnitts die (Mörtel-)Kammern (M 1-M 3) im Sinne des Klagepatents.

III.

Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht die Benutzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform rechtsfehlerfrei bejaht.

IV.

Schließlich bekämpft die Revision auch ohne Erfolg die Annahme des Berufungsgerichts, diese Benutzung sei nicht durch die zugunsten der Beklagten unterstellte Lizenz gerechtfertigt, die der Beklagten an dem älteren europäischen Patent 1 068 413 und dem deutschen Gebrauchsmuster 299 24 526 zusteht.

1.

Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, die Benutzung des Klagepatents sei jedenfalls nicht von diesen älteren Schutzrechten gedeckt. Ein Benutzungsrecht, das einem älteren Recht entspringe, könne nur dann die Benutzung der Lehre des Klagepatents rechtfertigen, wenn ausschließlich die Lehre des älteren Rechts benutzt und nicht von Merkmalen Gebrauch gemacht werde, die sich erst in den Ansprüchen des jüngeren Patents fänden. Dabei sei auf den Gegenstand des Patents abzustellen, nicht auf dessen Schutzbereich; Äquivalenzüberlegungen fänden daher nicht statt. Gegenstand des älteren europäischen Patents sei die Verwendung einer aus flexiblen Kunststoffplattenteilen gebildeten Platte als Verputzplatte. Eine Verwendung als Trägerplatte im Sinne des Klagepatents sei weder ausdrücklich noch implizit vorgesehen. Dementsprechend fehle auch das nach Merkmal 4 des Klagepatents an der Unterseite der Platte vorgesehene netzartige Gewebe oder Vlies, das dazu diene, ein Verfüllen der rückseitig offenen Nuten der Nutenscharen zu verhindern. Das in Anspruch 3 des älteren Patents erwähnte Gitter könne nicht als netzartiges Gewebe oder Vlies angesehen werden; es diene vielmehr als zusätzliches Verankerungs- oder Armierungsmittel. Ebenso wenig sei dem älteren Patent der in Merkmal 1 des Klagepatents beschriebene Entkoppelungseffekt zu entnehmen. Entsprechendes gelte für das ältere Gebrauchsmuster.

2.

Die Revision hält den rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts unter Berufung auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 159, 11, 12 = GRUR 1939, 178 - Dauerwellflachwicklung) für unzutreffend. Der Inhaber eines später angemeldeten Patents könne dem Inhaber des älteren Rechts nicht verbieten, dieses in demselben Umfang zu benutzen, in dem er die Benutzung Dritten zu untersagen berechtigt sei. Deshalb sei auf den Schutzumfang des älteren Patents abzustellen, nicht auf seinen Gegenstand. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass sämtliche Merkmale der von der Klägerin geltend gemachten Patentansprüche zumindest implizit in den Lizenzschutzrechten enthalten seien. Sie beschrieben, dass die Platte in der Lage sei, Druck aufzunehmen, nicht nur in der Hauptebene, sondern auch mit den Außenseiten der vorgesehenen hohlen Vorsprünge, und damit nichts anderes als eine Entkopplungsfunktion. Über die Eng- oder Weitmaschigkeit des Gitters gäben die älteren Schutzrechte keine unmittelbare Auskunft. Figur 3 könne der Fachmann ohne weiteres entnehmen, dass es sich um ein netzartiges Gewebe handele, dass mangels Vorgabe einer Maschenweite auch so engmaschig ausgestaltet sein könne, dass es einem Vlies entspreche.

3.

Damit kann die Revision nicht durchdringen.

§ 9 Abs. 1 Satz 1 PatG verleiht dem Patentinhaber das ausschließliche Recht, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Ein jüngeres Patentrecht kann deswegen gegenüber dem Inhaber eines älteren Patents durch dessen Patentanspruch begrenzt sein, denn sein Ausschlussrecht gibt dem Berechtigten aus dem älteren Patent ein Abwehrrecht gegen die Rechte aus einem jüngeren Patent (BGH, Urt. v. 30.10.1962 - I ZR 46/61, GRUR 1963, 563, 565 - Aufhängevorrichtung; Urt. v. 18.6.1964 - Ia ZR 173/63, GRUR 1964, 606, 610 - Förderband). Auf das ältere Schutzrecht kann sich auch derjenige stützen, dem von dessen Inhaber die Benutzung gestattet worden ist (RGZ aaO - Dauerwellflachwicklung; RGZ 169, 289, 290 - Muffentonrohre; RG, Urt. v. 11.9.1939 - I 31/39, GRUR 1940, 23, 25 - Wasserröhrenkessel; BGH aaO - Aufhängevorrichtung; aaO - Förderband; Benkard/Scharen, PatG , 10. Aufl., § 9 Rdn. 6; Busse/Keukenschrijver, PatG , 6. Aufl., § 9 Rdn. 25). Ob sich auf das ältere Recht nur berufen kann, wer von dessen Gegenstand Gebrauch macht, oder ob es genügt, dass die Benutzungsform in den Schutzbereich des älteren Patents fällt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

Denn das ältere Patent steht jedenfalls nur demjenigen zur Seite, der ausschließlich dessen Lehre benutzt und nicht von zusätzlichen Merkmalen Gebrauch macht, die erst von dem jüngeren Schutzrecht gelehrt werden (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 2.4.1996 - 4 O 229/91, Entsch. 1996, 24, 26 [www.duesseldorferentscheidungen.de]; Schulte/Kühnen, PatG , 8. Aufl., § 9 Rdn. 11). Andernfalls könnte der an einem älteren Recht Berechtigte - jedenfalls solange er sich im Rahmen des Wortsinns des Patentanspruchs hielte -von sämtlichen abhängigen Erfindungen Gebrauch machen, was deutlich über das mit dem älteren Patent verliehene Ausschließlichkeitsrecht hinausginge. Eine solche Rechtsfolge haben dementsprechend bereits das Reichsgericht und Wichards, auf die sich die Revision beruft, für ungerechtfertigt erachtet (RG GRUR 1940, 23, 25 - Wasserröhrenkessel; Wichards, GRUR 1937, 895, 898; ebenso Benkard/Scharen, aaO, Rdn. 5; Mes, PatG , 2. Aufl., § 9 Rdn. 7; Schulte/Kühnen, aaO Rdn. 9; vgl. ferner zum Vorbenutzungsrecht BGH, Urt. v. 13.11.2001 - X ZR 32/99, GRUR 2002, 231 - Biegevorrichtung).

Danach hat das Berufungsgericht der Beklagten die Berufung auf die älteren Rechte zu Recht schon deshalb versagt, weil erst das Klagepatent lehrt, die Platte an ihrer Unterseite mit einem netzartigen Gewebe oder Vlies zu versehen, das die Funktion hat, ein Verfüllen der rückseitig offenen Nuten der Nutenscharen N1 und N2 zu verhindern. Für eine entsprechende Funktion des in den älteren Rechten beschriebenen Gitters bieten Ansprüche und Beschreibung keinerlei Anhalt; auch die Revision zeigt hierfür nichts auf. Vielmehr hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und auch von der Revision hingenommen ausgeführt, dass das Gitter als Armierungsmittel dient und daher von dem Verputzmaterial durchdrungen werden muss. Auch wenn dazu, wie die Revision geltend macht, keine vollständige Verfüllung des Hohlraums, sondern nur erforderlich sein mag, dass sich das Verputzmittel in dem Gitter verankert, so ist damit doch ausgeschlossen, das Gitter so engmaschig auszubilden, dass es die Absperrfunktion erfüllt, die dem netzartigen Gewebe oder Vlies nach dem Klagepatent zukommt.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 12.07.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U 15/06
Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 10.01.2006 - Vorinstanzaktenzeichen O 19/05
Fundstellen
BGHReport 2009, 693
BGHZ 180, 1
GRUR 2009, 655