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BGH - Entscheidung vom 18.08.2009

1 StR 222/09

Fundstellen:
NStZ 2010, 100

BGH, Beschluss vom 18.08.2009 - Aktenzeichen 1 StR 222/09

DRsp Nr. 2010/4809

1. Dem Angeklagten C. C. wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 14. August 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.

2. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 14. August 2008 wird

a) auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich Fall 10809 der Anklage der Staatsanwaltschaft München II vom 10. April 2007 (Vertrag Nr. 186.695 vom 21. Dezember 2002) eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen;

b) das genannte Urteil im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte A. C. des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 79 Fällen schuldig ist.

3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil werden als unbegründet verworfen.

4. Die Beschwerdeführer haben die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten A. C. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 80 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und die Angeklagten U. C. und O. B. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in vier Fällen, hierbei in einem Fall in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen, in einem Fall in 16 rechtlich zusammentreffenden Fällen, in einem Fall in elf rechtlich zusammentreffenden Fällen und in einem Fall in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten bzw. fünf Jahren verurteilt. Der Angeklagte C. C. wurde wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug in 35 rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Mit ihren Revisionen machen die Angeklagten ein Verfahrenshindernis geltend und rügen die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Im Zusammenhang mit der Begründung einer Verfahrensrüge beantragt der Angeklagte C. C. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Die Revisionen der Angeklagten führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO . Diese bringt die Berichtigung des Schuldspruchs hinsichtlich des Angeklagten A. C. mit sich. Hinsichtlich der anderen Angeklagten ist eine Berichtigung des Schuldspruchs nicht veranlasst, da der Schuldspruch in diesen Fällen nicht von der Teileinstellung beeinflusst wird. Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es nicht, da das Landgericht bei der Strafzumessung die Tat, hinsichtlich der die Teileinstellung erfolgte, bereits nicht berücksichtigte.

Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO . Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:

Soweit die Angeklagten einen Verstoß gegen § 243 Abs. 3 StPO geltend machen, da Teile der knapp 1.000 Seiten umfassenden Anklage (hiervon 938 Seiten Tabellen mit 22.371 Einzelpositionen) nicht verlesen worden seien, sind die Rügen bereits unzulässig, da die Revisionen nicht mitgeteilt haben, welche Teile der Anklage nicht verlesen wurden, was den Instanzverteidigern nicht entgehen konnte, (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ). Die Rügen wären auch unbegründet, da im Hauptverhandlungsprotokoll festgehalten ist, dass die Anklage verlesen wurde (§ 274 StPO ). Im Übrigen würde das Urteil nicht auf dem behaupteten Verfahrensverstoß beruhen. Der Senat kann ausschließen, dass das Urteil ohne die behauptete Gesetzesverletzung anders ausgefallen wäre. Insbesondere die Informationsfunktion, die der Verlesung der Anklage zukommt, wäre dadurch, dass das Verlesen von Teilen der o.g. Tabellen der Anklage unterlassen wurde, nicht beeinträchtigt. Der Verteidiger des Angeklagten U. C., Rechtsanwalt K., hatte insoweit in einem Schriftsatz an die Strafkammer, in dem er die Ersetzung der Verlesung eines Teiles der Anklageschrift in analoger Anwendung des § 249 Abs. 2 StPO anregt, zutreffend ausgeführt:

"Es ist, ................, ohne weiteres abzusehen, dass der Sinn und Zweck der Verlesung des Anklagesatzes durch die Mitverlesung des bezeichneten Teils ad absurdum geführt werden würde: ................................. Insoweit würde die Verlesung dem puren Formalismus der 'vollständigen Verlesung', nicht mehr aber dem eigentlichen Sinn des § 243 Abs. 3 S. 1 StPO Rechnung tragen, nach dem die Verfahrensbeteiligten über den Gegenstand des gegen die Angeklagten gerichteten Tatvorwurfs unterrichtet und informiert werden sollen.

Auch im vorliegenden Fall würden die absehbare Monotonie des Inhalts und die Schnelligkeit des Vortrags lediglich dessen akustische Wahrnehmung, nicht aber seine Aufnahme oder ein intellektuelles Verarbeiten durch die Zuhörer bewirken. ................ So mag sich der Zuhörer nach einigen Stunden und Tagen der Verlesung der Tabelle schwerlich an die Ausführungen zur Einführung der Tabelle von Bl. 2530 d.A. zurückerinnern, an die dann der weitere Anklagesatz auf Bl. 3469 ff. d.A. anknüpft."

Vorinstanz: LG München II, vom 14.08.2008
Fundstellen
NStZ 2010, 100