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BGH - Entscheidung vom 02.04.2009

V ZB 70/08

Normen:
KostO § 147 Abs. 2
KostO § 149
KostO § 156 Abs. 2

Fundstellen:
BGHReport 2009, 851
DNotZ 2009, 789
FGPrax 2009, 183
JurBüro 2009, 492
MDR 2009, 953
NJW-RR 2009, 1434

BGH, Beschluss vom 02.04.2009 - Aktenzeichen V ZB 70/08

DRsp Nr. 2009/13004

Ausschließliches Anfallen einer Hebegebühr für die Prüfung und Mitteilung der Kaufpreisfälligkeit durch den Notar; Einbeziehung der Fälligkeitsüberwachung in den Abgeltungsbereich der Hebegebühr

Neben der Hebegebühr fällt für die Prüfung und Mitteilung der Kaufpreisfälligkeit keine weitere Gebühr an.

Tenor:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 5. September 2006 wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde beträgt 85,26 EUR.

Normenkette:

KostO § 147 Abs. 2 ; KostO § 149 ; KostO § 156 Abs. 2 ;

Gründe:

I.

Der Kostengläubiger (Notar) beurkundete am 24. März 2004 einen Vertrag, durch den die Beteiligte zu 2 ein Grundstück zum Preis von 270.000 EUR an die Beteiligten zu 3 und 4 verkaufte. Der Kaufpreis sollte über ein Notaranderkonto abgewickelt werden; seine Fälligkeit war unter anderem von der Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Käufer und der Sicherstellung der Lastenfreistellung des Grundstücks abhängig. Den Eintritt dieser Voraussetzungen hatte der Notar den Vertragsparteien schriftlich mitzuteilen.

In seiner Kostenberechnung vom selben Tag brachte der Notar für die Mitteilung der Kaufpreisfälligkeit eine ½ Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO aus einem Geschäftswert von 54.000 EUR in Ansatz. Später stellte er der Beteiligten zu 2 für die Abwicklung des Kaufpreises über Notaranderkonto eine Hebegebühr gemäß § 149 KostO in Rechnung.

Auf Weisung der Dienstaufsichtsbehörde hat der Notar seine Kostenberechnung vom 24. März 2004 gerichtlich überprüfen lassen. Das Landgericht hat sie dahin geändert, dass die für die Mitteilung der Kaufpreisfälligkeit angesetzte Gebühr von 73,50 EUR nebst Umsatzsteuer entfällt. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Notars, die das Oberlandesgericht zurückweisen möchte. Es sieht sich hieran durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 1995 (JurBüro 1995, 598), des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 22. November 1994 (JurBüro 1995, 260), des Oberlandesgerichts Köln vom 4. Februar 1991 ( MittRhNotK 1991, 226) und des Kammergerichts vom 4. Februar 1986 (Rpfleger 1986, 282) gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist statthaft ( § 156 Abs. 4 Satz 4 KostO i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG ). Das vorlegende Oberlandesgericht ist der Ansicht, dass für die Prüfung und Mitteilung der Kaufpreisfälligkeit neben der Hebegebühr gemäß § 149 KostO keine Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 KostO entstehen kann. Demgegenüber vertreten jedenfalls das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht und das Oberlandesgericht Düsseldorf in den Vergleichsentscheidungen die Auffassung, dass die Prüfung und Mitteilung der Kaufpreisfälligkeit durch die Hebegebühr nicht abgegolten wird, sondern nach § 147 Abs. 2 KostO gesondert zu vergüten ist. Diese Divergenz rechtfertigt die Vorlage.

III.

Die weitere Beschwerde ist zulässig ( § 156 Abs. 2 Sätze 1 u. 2, Abs. 4 KostO ), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Annahme des Beschwerdegerichts, der Kostengläubiger könne für die Überwachung der Kaufpreisfälligkeit keine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO in Ansatz bringen, ist zutreffend und beruht damit nicht auf einer Verletzung des Rechts ( § 156 Abs. 2 Satz 3 KostO ).

1.

Bei dem Gebührentatbestand des § 147 Abs. 2 KostO handelt es sich um eine Auffangregelung, deren Anwendung voraussetzt, dass die Kostenordnung für die betreffende Tätigkeit keine Gebühr bestimmt und auch keine Regelung enthält, aus der sich ergibt, dass dem Notar für diese Tätigkeit keine gesonderte Gebühr erwachsen soll (vgl. Senat , Beschl. v. 13. Juli 2006, V ZB 87/05, NJW 2006, 3428 , 3429 Rdn. 8 m.w.N.). Eine derartige, die Anwendung von § 147 Abs. 2 KostO ausschließende Regelung stellt hier die Vorschrift des § 149 KostO dar. Die Überwachung der Kaufpreisfälligkeit ist als Teil des Verwahrungsgeschäfts anzusehen und daher durch die Hebegebühr abgegolten.

2.

Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, wie weit der Abgeltungsbereich der Hebegebühr reicht.

a)

Nach einer Ansicht stellt die Überwachung der Fälligkeit des Kaufpreises eine von der Zahlungsabwicklung über ein Notaranderkonto unabhängige notarielle Tätigkeit dar, die nach § 147 Abs. 2 KostO selbständig zu vergüten ist (OLG Köln ZNotP 2008, 255, 256; OLG Schleswig JurBüro 1995, 260; OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 598; Tiedtke, Notarkosten im Grundstücksrecht, 2. Aufl., Rdn. 544; Brosette, MittRhNotK 1993, 135, 136; Schmidt, MittRhNotK 2000, 302; Klein, Rpfleger 1988, 178, 180). Die mit der Hebegebühr abgegoltene Verantwortung des Notars bestehe in der ordnungsgemäßen Verwaltung des ihm anvertrauten Geldes, insbesondere in der Feststellung der Auszahlungsreife (OLG Schleswig JurBüro 1995, 260). Die Prüfung der Fälligkeit des Kaufpreises liege außerhalb des Verwahrungsgeschäfts. Sie gehe diesem voraus und erfolge auch zeitlich vor dem Anfall des Gebührentatbestandes des § 149 KostO .

b)

Eine andere Meinung nimmt dagegen an, dass neben der für die Kaufpreisabwicklung über ein Notaranderkonto anfallenden Hebegebühr nach § 149 KostO keine Betreuungsgebühr für die Überwachung der Kaufpreisfälligkeit in Ansatz gebracht werden kann (so OLG Zweibrücken JurBüro 1995, 101; OLG Hamm JurBüro 1990, 899; OLG Oldenburg JurBüro 1986, 429; Rohs/Wedewer, KostenO , Stand: August 2008, § 149 Rdn. 12; Korintenberg/Reimann, KostenO , 17. Aufl., § 149 Rdn. 7; Assenmacher/Mathias, KostO , 16. Aufl., "Hebegebühr" Anm. 9.2.2; Bay. Notarkasse, Streifzug durch die Kostenordnung , 6. Aufl., Rdn. 1197; Bund, JurBüro 2004, 635, 636 ff.; wohl auch Filzek, JurBüro 2005, 453, 454). Die Hebegebühr erfasse die gesamte mit der Erhebung, Verwahrung und Ablieferung des Geldes verbundene Mühewaltung und Verantwortlichkeit des Notars. Dazu zähle auch die Prüfung der Fälligkeit des Kaufpreises. Sie sei nichts anderes als die spiegelbildliche Kehrseite der - von der Hebegebühr abgegoltenen - Überwachung der Auszahlungsreife und stehe damit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Hinterlegungsgeschäft.

c)

Die zuletzt genannte Auffassung verdient den Vorzug.

aa)

Die amtliche Überschrift von § 149 KostO ("Erhebung, Verwahrung, Ablieferung von Geld...") bringt zum Ausdruck, dass durch die Gebühr auch die mit der Erhebung des zu verwahrenden Geldes verbundene Mühewaltung abgegolten wird (vgl. Korintenberg/Lappe, aaO, Orientierungshinweis zum Gesetzestext, S. 59). Hiervon ist nach dem Wortsinn nicht nur die passive Empfangnahme des Geldes, sondern auch ein aktives Einziehen des zu hinterlegenden Betrages umfasst (vgl. dazu Bund, JurBüro 2004, 635, 636). Tätigkeiten, die der ordnungsgemäßen Erhebung des Geldes notwendigerweise vorausgehen, sind deshalb durch die Hebegebühr abgegolten. Dazu zählt die Feststellung des Eintritts der Einzahlungsreife, also der von den Vertragsparteien vereinbarten Bedingungen, bei deren Vorliegen das zu verwahrende Geld auf das Notaranderkonto einzuzahlen ist.

Für diese Sichtweise spricht der Zweck des Verwahrungsgeschäfts. Die Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto dient der Abwicklung des grundsätzlich Zugum-Zug vorzunehmenden, bei Grundstückskaufverträgen in der praktischen Durchführung aber mit vielfältigen Schwierigkeiten verbundenen Leistungsaustausches. Es muss erreicht werden, dass keine der Vertragsparteien eine ungesicherte Vorleistung erbringt, ohne dass der Leistungsaustausch durch Zurückbehaltungsrechte beider Parteien nach § 320 BGB blockiert wird (vgl. Senat , Beschl. v. 12. Juli 2007, V ZB 113/06, NJW 2007, 3212 , 3214). Zur Bewältigung der technischen Abwicklungsprobleme stehen den Vertragsparteien unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Ist eine direkte Kaufpreiszahlung vorgesehen, können sie die Kaufpreisfälligkeit und die Umschreibung des Eigentums von bestimmten, ihren jeweiligen Leistungsanspruch sichernden Voraussetzungen abhängig machen und den Notar mit deren Überwachung beauftragen. Sie können, sofern ein berechtigtes Sicherungsinteresse im Sinne von § 54a Abs. 2 BeurkG anzunehmen ist, die Kaufpreisabwicklung aber auch über ein Notaranderkonto vornehmen. In diesem Fall wahrt der Notar ihr beiderseitiges Interesse an dem Zugum-Zug-Austausch der geschuldeten Leistungen im Rahmen des Hinterlegungsgeschäfts (so zutreffend OLG Celle Jur-Büro 2005, 42, 44; OLG Hamm NJW-RR 1999, 583, 584 ; vgl. auch OLG Hamm DNotZ 2000, 379 , 380 f. sowie Winkler, BeurkG , 16. Aufl., § 54a Rdn. 66).

Auf den Kaufpreis bezogene notarielle Überwachungstätigkeiten sind deshalb immer dann als von der Hebegebühr abgegoltener Teil des Verwahrungsgeschäfts anzusehen, wenn sie der Abwicklung des Leistungsaustausches dienen. Das ist für die Prüfung der Auszahlungsreife des Kaufpreises, die den Käufer vor einer ungesicherten Vorleistung schützt, anerkannt (vgl. OLG Schleswig JurBüro 1995, 260, OLG Düsseldorf JurBüro 1992, 823; OLG Hamm JurBüro 1987, 421; OLG Oldenburg JurBüro 1984, 272; Korintenberg/Reimann, KostO , 17. Aufl., § 149 Rdn. 7), gilt aber auch für eine dem Notar auferlegte Feststellung der Einzahlungsreife des Kaufpreises.

Auch diese Prüfung dient der Sicherstellung des Zugum-Zug durchzuführenden Leistungsaustausches. Anders als bei einer direkten Leistung an den Verkäufer muss der Käufer, der den Kaufpreis auf ein Notaranderkonto einzahlt, zwar nicht befürchten, eine ungesicherte Vorleistung an den Verkäufer zu erbringen. Sein Interesse, im Gegenzug das Eigentum an dem gekauften Grundstück zu erlangen, wird bei der Abwicklung über ein Notaranderkonto durch die notarielle Prüfung der Auszahlungsreife gewahrt. Die Feststellung der Fälligkeit des Kaufpreises verhindert aber, dass er den Kaufpreis früher als vereinbart zahlen muss. Dass dahinter das wirtschaftliche Interesse des Käufers steht, den Kaufpreis nicht vorzeitig zu finanzieren oder nicht auf Zinseinkünfte zu verzichten (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 598, 599; Klein, Rpfleger 1988, 178, 180; Schmidt, MittRhNotK 2000, 302, 303), lässt den Zusammenhang von Fälligkeitsmitteilung und Sicherstellung des gegenseitigen Leistungsaustausches nicht entfallen. Denn der Wunsch, Zinsschäden zu vermeiden, die im Fall einer verfrühten Kaufpreiszahlung drohen, ist nur Ausdruck des rechtlichen Interesses, keine (nicht vereinbarte) Vorleistung erbringen zu müssen.

bb)

Dass die gleiche Tätigkeit - die Prüfung der Kaufpreisfälligkeit - als eigenständiges, gemäß § 147 Abs. 2 KostO gesondert zu vergütendes Geschäft zu behandeln ist, wenn der Käufer den Kaufpreis direkt an den Verkäufer zahlt (vgl. Senat, BGHZ 163, 77 , 79) , schließt es nicht aus, sie bei Abwicklung des Kaufpreises über Notaranderkonto als Teil des Verwahrungsgeschäfts anzusehen (a.A. OLG Schleswig JurBüro 1995, 260, 261). Die unterschiedliche Handhabung erklärt sich daraus, dass die Kaufpreisabwicklung im Fall der Verwahrung von beiden Parteien (vgl. Eylmann/Vaasen/Hertel, BNotO/BeurkG, 2. Aufl., § 54a BeurkG Rdn. 31 sowie OLG Frankfurt JurBüro 1989, 1141, 1142) vollständig in die Hand des Notars gelegt und daher einheitlich über die Hebegebühr vergütet wird (so auch OLG Hamm NJW-RR 1999, 583, 584) . Bei einer Direktzahlung nehmen die Parteien dagegen mit der - im Interesse des Käufers liegenden - Fälligkeitsüberwachung und der - dem Schutz des Verkäufers dienenden - Kaufpreisüberwachung zwei "Einzelleistungen" des Notars in Anspruch, die zwei voneinander unabhängige Gebühren nach § 147 Abs. 2 KostO auslösen (vgl. Senat, BGHZ 163, 77 ).

cc)

Schließlich spricht gegen die Einbeziehung der Fälligkeitsüberwachung in den Abgeltungsbereich der Hebegebühr nicht, dass die Prüfung der Einzahlungsvoraussetzungen vor Beginn des Verwahrungsgeschäfts und damit zeitlich vor dem Anfall des Gebührentatbestands des § 149 KostO erfolgt (so aber OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 598, 599; Brosette, MittRhNotK 1993, 135, 136). Unterbleibt die Abwicklung über Notaranderkonto infolge einer nachträglichen Vereinbarung der Parteien, hat der Notar aber bereits den Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzungen mitgeteilt, ist er nicht gehindert, für diese Tätigkeit eine Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 KostO in Ansatz zu bringen (vgl. OLG Zweibrücken JurBüro 1995, 101; Bund, JurBüro 2004, 635, 637).

IV.

Einer Entscheidung über die gerichtlichen Kosten der weiteren Beschwerde ( § 156 Abs. 5 Satz 2, § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO ) bedarf es nicht. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten gemäß § 156 Abs. 4 Satz 4 KostO , § 13a Abs. 1 FGG ist nicht veranlasst, da sich die Kostenschuldner an dem Verfahren der weiteren Beschwerde nicht beteiligt haben. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2 , § 30 Abs. 1 KostO .

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 08.09.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 19 T 53/06
Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 08.05.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 8 W 435/06
Fundstellen
BGHReport 2009, 851
DNotZ 2009, 789
FGPrax 2009, 183
JurBüro 2009, 492
MDR 2009, 953
NJW-RR 2009, 1434