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BGH - Entscheidung vom 24.03.2009

5 StR 394/08

Normen:
StPO § 22
StPO § 30
StPO § 338

Fundstellen:
NStZ 2009, 342
wistra 2009, 279

BGH, Beschluss vom 24.03.2009 - Aktenzeichen 5 StR 394/08

DRsp Nr. 2009/8144

Anforderungen an den Ausschluss eines Richters am Bundesgerichtshof von der Mitwirkung an einer Entscheidung über die Revision eines Angeklagten; Begriff des Verletzten i.S.v. § 22 Nr. 1 Strafprozessordnung ( StPO )

Tenor:

Richter am Bundesgerichtshof S. - nicht aber Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. und Richterin am Bundesgerichtshof Sc. - ist an der Mitwirkung an der Entscheidung des Senats über die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. März 2008 ausgeschlossen.

Normenkette:

StPO § 22 ; StPO § 30 ; StPO § 338 ;

Gründe:

Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten G. wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten W. wegen "Beihilfe durch Unterlassen zum Betrug" zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 75 Euro verurteilt.

1.

Das Landgericht hat es für erwiesen erachtet, dass der Angeklagte G. als für Finanzen und Reinigung zuständiges Vorstandsmitglied der B. St. , einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Straßenreinigung im Wege des Anschluss- und Benutzungszwangs wahrgenommen und dafür von den Eigentümern der Anliegergrundstücke privatrechtliche Entgelte erhoben hat, eine fehlerhafte Berechnung der von den Grundstückseigentümern zu zahlenden Straßenreinigungsentgelte in der Tarifperiode 2001/2002 fortgeführt hat. Deshalb wurden allen Berliner Grundstückseigentümern für den Zeitraum 1. April 2001 bis 31. Dezember 2002 überhöhte Entgelte in Höhe von insgesamt über 23 Millionen Euro in Rechnung gestellt und - was sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt - von den Eigentümern auch bezahlt. Der Angeklagte W. hat es pflichtwidrig unterlassen, den Vorstandsvorsitzenden und weitere Vorstandsmitglieder von dem Abrechnungsfehler in Kenntnis zu setzen.

Der Angeklagte W. erhebt u. a. die auf eine Verletzung von § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 StPO gestützte Verfahrensrüge, wonach Richter der erkennenden Strafkammer von der Mitwirkung an der Entscheidung zwingend ausgeschlossen gewesen seien, weil sie als Berliner Mieter Verletzte im Sinne von § 22 Nr. 1 StPO gewesen seien.

2.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 hat Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. mitgeteilt, er wohne in Berlin als Mieter. Der nach der senatsinternen Geschäftsverteilung ferner zur Mitwirkung an der Entscheidung berufene Richter am Bundesgerichtshof S. hat mitgeteilt, er sei 2001/2002 in Berlin Mieter gewesen, sein Bruder indes Grundstückseigentümer. Die als Vertreterin von Richter am Bundesgerichtshof Schaal zur Mitwirkung berufene Richterin am Bundesgerichtshof Sc. hat mitgeteilt, sie sei ebenfalls Mieterin in Berlin.

Im Hinblick auf die Selbstanzeigen dieser Richter hat der Senat gemäß § 30 StPO darüber zu entscheiden, ob die Richter kraft Gesetzes von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Revisionen ausgeschlossen sind.

3.

Bezüglich Richter am Bundesgerichtshof S. liegt ein Ausschlussgrund vor. Er ist in der Seitenlinie im ersten Grad mit einem Verletzten verwandt (§ 22 Nr. 3 StPO ).

Verletzter im Sinn von § 22 Nr. 1 StPO ist ein Richter, wenn er selbst oder ein Angehöriger im Sinne des § 22 Nr. 3 StPO durch die Straftat, die Gegenstand des Verfahrens ist, persönlich unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist (BGHSt 51, 100, 109 f. m.w.N.).

Dies ist im Tatzeitraum bei sämtlichen Grundstückseigentümern Berlins und somit auch bei dem Bruder des Richters S. der Fall. Gegen die Grundstückseigentümer wurden überhöhte Straßenreinigungsentgelte geltend gemacht und nachfolgend durchgängig erfüllt. Dadurch haben die Grundstückseigentümer jeweils einen Vermögensschaden in Höhe der sachlich unbegründeten Reinigungskosten erlitten.

4.

Bezüglich Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof B. und Richterin am Bundesgerichtshof Sc. liegt indes kein Ausschlussgrund vor. Sie waren als Mieter nicht Adressaten der geltend gemachten Reinigungskosten. Sollten sie aufgrund mietvertraglicher Vereinbarungen verpflichtet gewesen sein, Straßenreinigungsentgelte als Mietnebenkosten dem Vermieter zu erstatten, läge lediglich eine mittelbare Beeinträchtigung ihres Vermögens vor, was die Annahme einer Verletzteneigenschaft noch nicht gestattet (vgl. zum spiegelbildlichen Fall mittelbar verminderter Einnahmen BGHSt 1, 298).

Vorinstanz: LG Berlin, vom 03.03.2008
Fundstellen
NStZ 2009, 342
wistra 2009, 279